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Was tun mit nicht-abschiebbaren Asylwerbern?
Im Fachjargon heißt die Differenz zwischen abgelehnten und abgeschobenen Asylwerbern „Deportation Gap“, Abschiebungslücke. Wie groß die Zahl der Betroffenen ist, kann niemand sagen. Das Innenministerium nennt lediglich jene 2.000, die sich während der Zeit, in der sie auf ihre Abschiebung warten, in Grundversorgung befinden.
Das Projekt Abschiebung unmöglich ist eine 4-teilige Recherche.

Es ist das Problem, das trotz des großen Stellenwerts, den das Thema Asyl- und Fremdenwesen für diese Bundesregierung einnimmt, untergeht: jene vielen tausend Menschen, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, deshalb eigentlich in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen, das aber nicht tun. Weil sie sich der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder weil sie gar nicht abgeschoben werden können. Letzteres hat vor allem zwei Gründe: Entweder sie fallen unter das Verbot, Menschen in Länder abzuschieben, in denen ihnen Folter, Todesstrafe oder menschenunwürdige Behandlung drohen, oder die Zielländer verweigern die Kooperation bei der Bereitstellung von Reisedokumenten und Rücknahmevereinbarungen.

Im Fachjargon heißt diese Differenz zwischen abgelehnten und abgeschobenen Asylwerbern „Deportation Gap“ , Abschiebungslücke.

Wie groß die Zahl der Betroffenen ist, kann niemand sagen. Das Innenministerium nennt lediglich jene 2.000, die sich während der Zeit, in der sie auf ihre Abschiebung warten, in Grundversorgung befinden. Sie halten sich – zumindest zum Teil – in zwei Ausreisezentren auf. Eins auf einer Tiroler Alm (für jene, die zuvor in Ostösterreich untergebracht waren), und eins beim Flughafen Wien-Schwechat (für die, die zuvor im Westen lebten). Die Bewohner dürfen diese nicht verlassen und haben keine Perspektive. Und sie machen jedenfalls nur einen kleinen Teil des „Deportation Gap“ aus.

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Daten der Europäischen Union sprechen von 26.600 Illegalen in Österreich. Das entspricht der Bevölkerungszahl von Baden bei Wien. Weiters gab es 2017 exakt 8.850 Personen mit gültigem Ausreisebescheid im Land. Eine aktuelle Studie der Universität Wien schätzt, dass die jährliche Lücke zwischen Ausreisebescheiden und tatsächlich Ausreisenden pro Jahr 3.900 Fälle ausmacht.

Wie man mit diesen Personen umgehen soll, weiß keiner so recht, und das nicht nur in Österreich. Dänemark hat zuletzt dadurch für Aufsehen gesorgt, dass es die „Unabschiebbaren“ auf einer einsamen Insel sammelte . Ein Lokalaugenschein unseres Rechercheteams zeigte aber, dass die meisten dort nicht mehr sind. Das ist, vermuten Experten, weder Zufall noch Missgeschick, sondern Absicht: Die Dänen wollen es den Unabschiebbaren so unbequem wie möglich machen, damit sie das Land verlassen – aber eben nicht Richtung Heimat, sondern in ein anderes EU-Land.

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Das könnte durchaus auch das Ziel des österreichischen Vorgehens sein, und bei einer Personengruppe hat das auch schon funktioniert: Viele Afghanen mit negativem Asylbescheid, die auf ihre Abschiebung warten, haben sich nach Frankreich abgesetzt. Aus Frankreich werden Afghanen nicht in ihr Heimatland abgeschoben – und auch nicht zurück nach Österreich geschickt.

Der Umgang mit den Unabschiebbaren gilt vielen geradezu als Symbol für die Probleme der Europäischen Union, eine gemeinsame Linie in der Asyl- und Flüchtlingspolitik zu finden. Solange weder der gemeinsame Außengrenzschutz noch eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten funktionieren, begnügen sich die einzelnen Länder damit, das Problem weiterzureichen.

Dabei, auch das ist ein Ergebnis der Recherche unseres Teams, werden die Risiken übersehen, die mit einer solchen Politik verbunden sind: Die Untergetauchten und Weitergereisten fallen aus allen Versorgungssystemen und drohen von der bloßen Illegalität in die Kriminalität abzugleiten, weil sie auf legalem Weg ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Deshalb fordern sowohl die Studienautoren der Universität Wien als auch der ehemalige Asylrichter Friedrich Kinzlbauer eine Art Amnestielösung: Statt diese Menschen wie heiße Kartoffeln zwischen den EU-Ländern weiterzureichen, wäre es sinnvoller, ihnen einen Weg in Richtung Legalität und Integration aufzumachen.

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Dem steht die Befürchtung gegenüber, dass man damit einen weiteren „Pull-Faktor“ generieren könnte: Wenn man nur lange genug untertauchen muss, um irgendwann in den Genuss eines legalen Aufenthaltstitels zu gelangen, könnte das noch mehr Migrationswillige, die wissen, dass sie in einem Asylverfahren wenig Chancen haben, dazu animieren, es dennoch zu versuchen, warnen die Kritiker.

Es gibt objektiv keine einfache Lösung für das Problem der derzeit knapp 620.000 „Illegalen“ – von denen nicht alle Asyl bekommen – in der Europäischen Union. Wegschauen und Weiterschicken, so könnte man das Ergebnis unserer Recherchen zusammenfassen, ist jedenfalls auch keine. 

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Das Addendum-Team, September 2020