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Patientenanwältin Pilz: „Das AKH könnte mehr Tempo machen“
20. Februar 2019 System AKH Lesezeit 5 min
Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz hat den Fall Gnant ins Rollen gebracht. Sie versucht, Schadenersatz für die Betroffenen zu erwirken. Gnant sagt gegenüber Addendum, die Patientinnen stünden nach wie vor hinter ihm. Behandlungsfehler, da sind sich beide einig, sind bis dato keine bekannt.
Dieser Artikel gehört zum Projekt System AKH und ist Teil 2 einer 4-teiligen Recherche.

Mehr Verve. Das wünscht sich Patientenanwältin Sigrid Pilz in der Causa Gnant. Seit 2012 vertritt sie die Interessen von Patienten und will nun Schadenersatz wirksam machen. Gnant ist für sie ein klarer Fall von Betrug. „Frauen berichten, dass ihnen Michael Gnant zugesagt hat, selbst zu operieren, das dann aber nicht eingehalten hat“, betont Sigrid Pilz gegenüber Addendum während eines Gesprächs im Büro der Wiener Patientenanwaltschaft (WPPA) im fünften Bezirk. Laut internem Revisionsbericht des KAV stand Gnant in einem Untersuchungszeitraum von Mai 2017 bis April 2018 in 46 Protokollen von Brustkrebsoperationen als Operateur, obwohl er die Operationen nicht durchgeführt hat. „Das betrifft einen Großteil der Fälle, weit über 90 Prozent“, sagt Pilz.

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Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz wartet auf Stellungnahmen von Gnant-Patientinnen.

Handschriftliche Korrekturen

Eine Operateurin hat ihren Vorgesetzten im Großteil der Fälle als ersten Operateur ins Protokoll im Softwaresystem AKIM eingetragen, doch die Protokolle der Pflegeabteilung unterschieden sich davon. In den Prüfberichten wird davon ausgegangen, das die der Pflege korrekt sind, weil diese nicht über das System, sondern manuell geführt werden. „Der erste Operateur wurde durchgestrichen und sein Name durch den vermeintlichen ersetzt. Die Pflege hat dann das Protokoll neuerlich wahrheitsgemäß berichtigt“, berichtet Pilz. Warum die Protokollierung so wichtig ist: Der erste Operateur hat bei Eingriffen die Führungsverantwortung, er gibt die Anweisungen während der Operation und muss für jene, wie auch für alles, was danach kommen kann – etwa Beschwerden oder Behandlungsfehler – die Verantwortung übernehmen. „Nicht nur deshalb haben die Patientinnen ein Recht darauf zu wissen, wer sie operiert hat“, so Pilz weiter. Diese Ex-post-Aufklärung will die Patientenanwältin jetzt vorantreiben.

Dabei ist sie auf das AKH angewiesen, denn nur dort hat man die Daten der Patientinnen. Das AKH sei dabei, alle Patientinnen zu kontaktieren und darüber zu informieren, wer tatsächlich Operateur war, so Pilz. Dem Schreiben an die Patientinnen wird ein Brief von Pilz beigelegt. „Das AKH könnte hier mehr Tempo machen und die Aufklärung ernsthafter vorantreiben. Hier wird nicht mit der nötigen Verve agiert“, kritisiert sie. Wie viele Betroffene mit der WPPA bisher in Kontakt getreten sind, lässt sie unbeantwortet. Aussagen aus einzelnen Gesprächen sollen sich jedenfalls decken. „Er hat sogar die Naht bei manchen als besonders schön und gelungen bezeichnet“, berichtet die Patientenanwältin von den Erzählungen.

Gnant dementiert Patientinnenaussagen

Die WPPA will nach Aufarbeitung der Fälle Schadenersatz für die betrogenen Patientinnen erwirken. Wie genau der Schaden berechnet werden kann, zumal aktuell noch keine Behandlungsfehler bekannt sind, weiß auch Pilz noch nicht.

Gnant widerspricht all dem gegenüber Addendum. Nie habe er eine Naht gelobt oder so getan als hätte er operiert, wenn er das nicht getan hätte. „Das ist absurd“, so der ehemalige Chirurgie-Leiter. Und die Patientinnen hätten auch stellenweise gewusst, dass er nicht selbst operiert. Warum er dennoch im Protokoll gestanden ist, sagt er, wisse er nicht. Er sei auch bei nur 21 Operationen tatsächlich abwesend gewesen. Laut einer offiziellen Abwesenheitsliste des KAV, die im Bericht der Sonderkommission der Meduni angeführt wird, war er nur an fünf Tagen nicht im AKH. Dass es sich angesichts des Musters bei den Falscheintragungen um einen Zufall handelt, ist unwahrscheinlich. Wie viele Patientinnen wussten, dass sie nicht von ihm operiert werden und dem zugestimmt haben, ist unbekannt.

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Was Betroffene sagen

Addendum hat mit zwei betroffenen Patientinnen gesprochen. Die eine war vorab informiert, die andere nicht. Beide Patientinnen haben ihre Meinung zu Gnant nach den Medienberichten nicht geändert. „Als ich im AKH aufgenommen wurde, sagte man mir bei der Aufnahme, wer mich operieren würde – ich weiß den Namen nicht mehr, es war aber jemand anderes als Gnant. Daraufhin meinte ich, er habe mir versichert, mich zu operieren, dann bekam ich die Antwort: Na wenn er das sagt, dann wird das wohl so sein“, sagt eine der Frauen, die anonym bleiben möchte. Sie war bei Gnant in der Vor- und Nachbehandlung: „Als ich ihn später darauf angesprochen habe, meinte er inbrünstig zu mir: Wenn ich auf dem Protokoll stehe, dann habe ich Sie auch operiert.“ Die Patientin erfuhr aus den Medien von der Geschichte.

„Die Patientenanwaltschaft habe ich von mir aus kontaktiert, ich wollte aber keine schriftliche Stellungnahme abgeben“, sagt sie weiter. „Die Ärztliche Direktion hatte sich ein paar Wochen später telefonisch bei mir erkundigt, ob bei meiner Operation und bei meinem Aufenthalt alles gepasst hat. Ich fand das ein wenig lächerlich und habe entgegnet, dass wir ruhig mit offenen Karten spielen können, weil ich ohnehin wusste, worum es geht“, erzählt die Patientin. Trotz der Unstimmigkeiten sei sie nach wie vor davon überzeugt, dass die Behandlung gut war. „Es wäre für mich auch in Ordnung gewesen, wenn er mir gesagt hätte, er operiert mich nicht. Er ist ja nicht der Einzige, der das kann. Die Behandlung bei ihm war trotzdem gut.“

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Vorab informiert

„Ich wusste die ganze Zeit, dass ich nicht von ihm operiert werde. Ich wurde von ihm gefragt, ob ich damit einverstanden bin. Ich habe auch die Ärztin, die die OP statt ihm gemacht hat, kennengelernt und mich sehr gut aufgehoben gefühlt. Er hat mir alle Voruntersuchungen und Termine organisiert, Ich wurde von ihm immer wahrheitsgemäß informiert“, berichtet eine weitere Patientin.

Beide Patientinnen geben an, abseits der Honorare nichts zusätzlich gezahlt zu haben. Sie entkräften damit zumindest für diese beiden Fälle die Unterstellung der persönlichen finanziellen Bereicherung in dieser Causa ein Stück weit. „Ich war bei ihm in Vorbehandlung, dann für vier Nachbehandlungstermine in seiner Privatordination. Dort haben wir Befunde besprochen, einmal hat er Wundflüssigkeit abgesaugt. Das war das einzige Mal, dass er bei mir Hand angelegt hat“, beschreibt eine der beiden ihre Behandlung. „Für den ersten Termin habe ich 190 Euro gezahlt, für jeden weiteren 210 Euro.“ An ihr hat Gnant demnach rund 1.000 Euro dazuverdient.

Dass beide nicht privat versichert sind, wie der Großteil der Patientinnen in dieser Causa, bedeutet auch, dass sie sich den Operateur nicht aussuchen können. Dass zumindest einige Patientinnen darüber informiert wurden, spielt für die WPPA keine Rolle. „Das Protokoll ist ein Dokument und muss demnach korrekt ausgefüllt sein. Die Patientinnen haben ein Recht darauf zu wissen, wer sie operiert hat.“ Um Fälle wie diesen in Zukunft zu vermeiden, plädiert Pilz für eine einheitliche Dokumentation, also dass etwa beide Parteien, die Ärzte und die Pflege, ihre Dokumentation ins Softwaresystem digital übertragen können.

Die Aufklärungsarbeit der Patientenanwältin dürfte noch länger dauern, da sie von der Kommunikation des AKH abhängt. Die beiden Patientinnen, mit denen Addendum gesprochen hat, wollten der WPPA keine schriftliche Stellungnahme abgeben – zum einen, weil sie nichts zu beanstanden haben, und zum anderen, weil sie die Diagnose Krebs, die Krankheit und die Behandlung einfach abschließen und hinter sich lassen wollen. 

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