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Dem Flüchtlingsbetreuer ORS droht die Kündigung
20. Februar 2018 Asyl Lesezeit 13 min
Recherchen ergaben: Das Innenministerium arbeitet hinter den Kulissen daran, künftig Asylwerber wieder selbst zu versorgen – mittels bundeseigener Agentur. Der Grund: Zwischen der Republik und dem schweizerischen Auftragnehmer kriselt es.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Asyl und ist Teil 24 einer 28-teiligen Recherche.
Bild: Marco Rossi | Addendum

Unfair ist: dass eine regelrechte ,Asylindustrie‘ aus steuergeldfinanzierten NGOs aus der Massenzuwanderung ein Riesengeschäft auf Kosten der Österreicher macht.“ Die Haltung der FPÖ gegenüber Organisationen, die in der Flüchtlingsbetreuung aktiv sind, ist traditionell sehr kritisch. Nachlesen kann man das im Wortlaut im letztgültigen Wahlprogramm zur Nationalratswahl 2017.

Das Thema ist den Freiheitlichen offenbar wichtig, wird es in diesem zentralen Papier doch gleich im ersten Kapitel angesprochen, Lösungsvorschlag und Positionsbestimmung inklusive. Gleich im Anschluss steht nämlich auch folgende Forderung: „Übertragung der gesamten Flüchtlingsbetreuung in staatliche Verantwortung und weg von den NGOs.“

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Auszug aus dem FPÖ-Wahlprogramm 2017

Maßgeblich mitverantwortlich für das Programm ist Herbert Kickl. Vor der Wahl noch Generalsekretär der freiheitlichen Opposition, bekleidet er heute als Innenminister genau jenes Amt, in dessen Ausübung er das zuvor Geforderte auch umsetzen kann. Das scheint nun zu geschehen. Allerdings unter zunächst leicht veränderten Vorzeichen: Als Erste könnten nicht die von den Freiheitlichen kritisierten Nichtregierungsorganisationen wie Caritas oder Diakonie den Marktzugang verlieren, sondern der Flüchtlingsbetreuer und direkte Vertragspartner des Innenministeriums, die ORS Service GmbH.

Der Plan: Kündigung bis Herbst

Im Rahmen unserer Recherchen vervollständigte sich Stück für Stück folgendes Bild: Nach einem größeren Umbau in der schweizerischen Konzernmutter ist die Harmonie zwischen Innenministerium und ORS seit Monaten gestört. Ein Ultimatum, eine Nationalratswahl und mehrwöchige Regierungsverhandlungen später gibt es einen – noch internen – Plan: Ausarbeitung eines dafür notwendigen Gesetzesentwurfs bis zum Sommer 2018, Kündigung der ORS bis Herbst und Eingliederung inklusive Betriebsaufnahme der Flüchtlingsarbeit in einer staatlichen Betreuungsagentur bis spätestens 1. Jänner 2020.

Unsere Informationen stammen von mehreren voneinander unabhängigen Quellen. Alle von ihnen unterliegen unterschiedlichen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit, weshalb wir ihre Identitäten nicht offenlegen können.

Wir haben schließlich im Innenministerium auf formellem Weg nachgefragt, ob mit der ORS-Geschäftsleitung bereits offizielle Gespräche zur geplanten Vertragskündigung geführt werden. Dabei wurde uns eine Antwort übermittelt, nach der wir gar nicht gefragt hatten: „Das Bundesministerium für Inneres hat nach einer unionsweiten Ausschreibung mit dem Bestbieter ORS Service GmbH eine Rahmenvereinbarung geschlossen. Diese ist aktuell aufrecht und wurde nicht gekündigt.“

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Die Geschichte der Asyl-Privatisierung

Nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte des blau-schwarzen Kabinetts unter Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 wurde die Bundesbetreuung von Flüchtlingen europaweit ausgeschrieben. Der einzige ernst zu nehmende Mitbewerber des deutschen Anbieters European Homecare (EHC) war eine Bietergemeinschaft aus Caritas, Rotem Kreuz, Diakonie und Volkshilfe. Ein dritter Bewerber war zu klein für die geforderte Aufgabe und gab kein verbindliches Angebot ab.

EHC gewann das Verfahren, erhielt den Zuschlag und nahm – unter Protest der unterlegenen NGOs – mit 1. Juli 2003 die Arbeit auf.

Als die Zahl der Flüchtlinge in Österreich zurückgeht, gerät EHC in finanzielle Schwierigkeiten. Da das Innenministerium laut Vertrag pro Kopf und Tag 12,89 Euro netto zahlt, schwinden mit den Asylwerbern auch die Einnahmen. Das Unternehmen kündigt und wird nach erneuter Ausschreibung durch ORS Service ersetzt. Anders als EHC erhält ORS zur Basisfinanzierung des Betriebs einen Sockelbetrag.

Das Innenministerium beschreitet damit einen Weg, den die NGOs seit Beginn der Auslagerung der Versorgung von Flüchtlingen in Bundesbetreuung (1. Juli 2003) fordern: Keine Asylwerberbetreuung durch kommerzielle Unternehmen. Unklar ist, welche Auswirkungen das auf Qualität und Kosten dieser Dienstleistung hat: Es fehlen schlichtweg die Erfahrungen. Die bestehende Form der Bundesbetreuung wird seit ihrer Einführung von Privaten erbracht.

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Die ungekürzte Stellungnahme des Innenministeriums

Laut unseren Recherchen beabsichtigt das Innenministerium den bestehenden Vertrag mit ORS Service zu kündigen. Wurde ORS Service darüber offiziell informiert?
Das Bundesministerium für Inneres hat nach einer unionsweiten Ausschreibung mit dem Bestbieter ORS Service GmbH eine Rahmenvereinbarung geschlossen. Diese ist aktuell aufrecht und wurde nicht gekündigt.

Uns liegen Informationen vor, wonach Mitarbeitern von ORS Service von Führungskräften des Innenministeriums bereits die dienstliche Übernahme in ein von der Republik Österreich geführtes, neues Unternehmen zur Betreuung von Asylwerbern angeboten, bzw. mündlich in Aussicht gestellt wurde. Wurde auch die Geschäftsleitung von ORS von diesen Angeboten informiert?
Seitens des Bundesministeriums für Inneres wurde den Mitarbeitern der ORS Service GmbH keine Übernahme in ein Dienstverhältnis zum Bund in Aussicht gestellt.
Für den Fall der Schaffung eines ausgegliederten Rechtsträgers des Bundes würde das AVRAG zur Anwendung kommen.

Als möglicher Kündigungsgrund kristallisierte sich im Zuge unserer Recherchen die Unzufriedenheit des Innenministeriums mit dem Führungskräfte-Umbau der ORS AG in Zürich heraus. Welche Auswirkungen hatte dieser Umbau konkret und unmittelbar auf ORS Service in Österreich und auf das Innenministerium?
Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Inneres und der ORS Service GmbH ist ein aufrechtes Vertragsverhältnis. Eine Kündigung wurde nicht ausgesprochen.

Hat das Innenministerium ein Mitspracherecht bei der Bestellung von unternehmensrechtlichen Führungskräften bei ORS in der Schweiz und in Österreich?
Nein.

Hat sich das Selbstverständnis von ORS AG (Schweiz) und ORS Service (Österreich) dadurch verändert?
Hierzu kann seitens des BMI keine Einschätzung getroffen werden.

Hat sich im Sinne der Leistungserbringung gegenüber dem Innenministerium seither etwas verändert?
Nein.

Entstand dadurch ein höherer Kostendruck bzw. eine höhere Gewinnerwartung der Eigentümer an das Unternehmen in Österreich?
Diese Frage kann seitens des Bundesministeriums für Inneres nicht beantwortet werden.

Entstanden dadurch sonstige denkbare Nachteile für das Innenministerium, für Personen in Bundesbetreuung oder die österreichischen Steuerzahler?
Nein.

Hat das Innenministerium seit dem Führungswechsel bei der ORS AG einmal zu verstehen gegeben, dass die Republik Österreich mit der Vertragserbringung durch ORS Service unzufrieden ist?
Das Bundesministerium für Inneres hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Absetzung der sehr erfahrenen Schweizer Führungskräfte mit Sorge zur Kenntnis genommen wurde.

Dabei sieht es so aus, als wäre die Republik mit der bisherigen Arbeit von ORS in der Sache erstens nicht unzufrieden und habe zweitens nicht vor, deren Aufgaben in Zukunft an sogenannte Gemeinnützige zu übertragen. Vielmehr haben sich die Rahmenbedingungen im Hintergrund geändert.

Die Änderungen betreffen weniger den ORS-Ableger mit Geschäftsstelle in Wien-Heiligenstadt, sondern die Konzernmutter ORS Service AG in Zürich, Schweiz. Ebendort fand nämlich bereits im Mai 2017 das statt, was man im Geschäftsleben am besten unter dem Begriff Köpferollen zusammenfasst. Die ORS Service AG gehört über zwischengeschaltete Holdings nämlich der Private-Equity-Gesellschaft Equistone mit Hauptsitz in London.

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In Lauf der letzten 15 Jahre hat Equistone für seine Investoren 6,7 Milliarden Euro in den unterschiedlichsten Unternehmen veranlagt. Das Portfolio reicht von der Bauindustrie (Bien-Zenker & Hanse Haus) über Bekleidung (Jack Wolfskin) und Luftfahrt (EuroAvionics) bis hin zur Flüchtlingsbetreuung.

Investments von Lifestyle bis Asyl

In Lauf der letzten 15 Jahre hat Equistone für seine Investoren 6,7 Milliarden Euro in den unterschiedlichsten Unternehmen veranlagt. Das Portfolio reicht von der Bauindustrie (Bien-Zenker & Hanse Haus) über Bekleidung (Jack Wolfskin) und Luftfahrt (EuroAvionics) bis hin zur Flüchtlingsbetreuung. Und genau deren Erträge sahen die Investoren nach einigen guten Jahren zuletzt offenbar in Gefahr.

Equistone verordnete der in der Schweiz, Deutschland und Österreich tätigen ORS eine Neuausrichtung. Zusätzlich zu den Dienstleistungen im Bereich Asyl will man in Zukunft vor allem mit Angeboten zur Integration punkten. Dafür besetzten die Investoren den Verwaltungsrat der schweizerischen AG genauso um wie die Geschäftsführung. So wurde der langjährige CEO Stefan Moll-Thissen, unseren Quellen zufolge ein Vertrauensmann der für das Flüchtlingswesen zuständigen Spitzenbeamten in Wien, ohne Vorwarnung und Rücksprache entfernt und durch den ehemaligen Telekom- und Medienmanager Jürg Rötheli ersetzt.

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Lager Traiskirchen: Die bekannteste Einrichtung, in der ORS aktiv ist.

Seit Oktober 2017 hat ORS einen eigenen Beirat. Eines der Mitglieder ist Ex-ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger.

Spindelegger zur Beruhigung

Gleichzeitig „säuberten“ die Investoren – das ist als Mehrheitseigentümer ihr gutes Recht – den Verwaltungsrat der Organisation, entsendeten eigene Vertrauensleute dorthin. Im Herbst 2017 installierte Rötheli schließlich öffentlichkeitswirksam ein mit prominenten Personen besetztes Beratergremium, in dem unter anderem auch der ehemalige ÖVP-Vizekanzler und heutige Generalsekretär des ICMPD (International Centre for Migration Policy Development), Michael Spindelegger, sitzt. Doch diese freundschaftliche Geste gegenüber Österreich kam offenbar zu spät.

„Über die tiefgreifenden Änderungen innerhalb der Unternehmensstruktur wurden wir vergleichsweise lapidar in einem nachträglichen Schreiben informiert“, erzählte uns eine ranghohe Person aus der Bundesverwaltung, deren Identität wir schützen müssen. „Der Brief“, berichtet die Person weiter, „hat in Wien massiv für Verärgerung gesorgt.“ Für so viel Verärgerung, dass das Innenministerium die Schweizer vor die Wahl stellte: Rückabwicklung der Personalrochaden oder Vertragskündigung.

Dabei hat Österreich keinerlei Mitspracherecht bei Personalentscheidungen, die das ORS-Führungspersonal betreffen. Und obwohl das Innenministerium unsere Frage, ob die Rochaden an der Konzernspitze irgendwelche Nachteile für die Republik als Auftraggeber mit sich brachten, mit Nein beantwortete, übermittelte man uns außerdem folgende Feststellung: „Das Bundesministerium für Inneres hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Absetzung der sehr erfahrenen Schweizer Führungskräfte mit Sorge zur Kenntnis genommen wurde.“

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Geld für Betreuung: Die zentralen Stellen des Vertrags ...
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... zwischen dem Innenministerium und der ORS Service GmbH.
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60.000.000 Euro

Summe der Honorare, die nach vorläufiger Abrechnung 2017 vom Innenministerium an ORS überwiesen wurden.

Den Unmutsäußerungen folgten ein Wahlkampf, Nationalratswahlen und schließlich Koalitionsverhandlungen. Dabei soll sich gerade der Asylbereich für die ÖVP-Delegation angeboten haben, den Freiheitlichen in ihren Forderungen nach einer härteren Gangart entgegenzukommen. Zwar ist die ORS Service GmbH keine NGO, dennoch passte das Angebot zu deren Kündigung gut in das Konzept des freiheitlichen Wahlprogramms, das ein – siehe oben – Ende der zitierten „Asylindustrie“ vorsieht.

Interne Informationsoffensive

Bereits lange bevor Herbert Kickl als neuer Ressortchef feststand, war ein größerer Kreis von mittleren Führungskräften im Innenministerium über die beabsichtigte Trennung von ORS Service und den Aufbau der im Regierungsprogramm angekündigten Betreuungsagentur informiert. Die Erklärung unter den hauseigenen Experten lautete in etwa so:

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Der neuen Zürcher Konzernführung fehle es an jenem Verantwortungsbewusstsein, das die Zusammenarbeit mit der alten stets geprägt habe. Weil der Eigentümer von ORS, Equistone, sich – vereinfacht gesagt – mehr für Zahlen und Renditen als für Menschen und die Qualität der Arbeit in einem hochsensiblen Umfeld interessiere, müsse man zu erwartenden Nachteilen für die Republik zuvorkommen. Selbst ein möglicher Weiterverkauf der österreichischen ORS, deren Kennzahlen sich in den Jahren 2014 bis 2016 bestens entwickelten, wurde innerhalb des Innenressorts für möglich gehalten. Dem, so die Erklärung, wolle man mit der Übernahme der ORS-Mitarbeiter in eine Bundesagentur zuvorkommen. Und damit das Unternehmen für einen Weiterverkauf faktisch wertlos machen.

„Es würde das AVRAG zur Anwendung kommen“

Tatsächlich wurden uns im Zuge der Recherchen Fälle bekannt, in denen dem ORS-Personal von Vertretern des Innenministeriums im Falle einer Kündigung des Vertrags die Weiterbeschäftigung angekündigt wurde. Das Innenministerium kommentierte diese Information uns gegenüber kreativ, hielt einerseits fest, dass man „keine Übernahme in ein Dienstverhältnis zum Bund“ in Aussicht gestellt habe. Andererseits: „Für den Fall der Schaffung eines ausgegliederten Rechtsträgers des Bundes würde das AVRAG [Arbeitsvertrags-Anpassungsgesetz; Anmerkung der der Redaktion] zur Anwendung kommen.“ Ein Dementi würde sich anders lesen.

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Dabei hält der seit Jahren vor allem von NGOs vorgetragene und nun offenbar auch im Innenministerium als Argument verwendete Vorwurf, ORS gefährde mit seinem maßlosen Profitstreben die Sicherheit von Asylwerbern und Bevölkerung, einem Blick auf die Fakten nicht stand. Es stimmt zwar, dass die hohen Flüchtlingszahlen der Jahre 2014, 2015 und 2016 die Überweisungen des Innenministeriums an das Unternehmen stark steigen haben lassen (siehe voranstehende Grafik), gleichzeitig stiegen jedoch auch die Kosten für ORS (die Abkürzung steht für Organisation für Regie und Spezialaufträge).

Der mit Abstand größte Teil des Geldes fließt ins Personal. Zu Spitzenzeiten betrieb das Unternehmen mit knapp tausend Mitarbeitern mehr als 40 Einrichtungen im Land. Heute sind es auf dem Papier noch 34. Einige davon stehen leer. In unserer Karte haben wir aus Gründen der Übersichtlichkeit Einrichtungen, die sich innerhalb einer Gemeinde befinden, zusammengefasst (Stand: 2. Jänner 2018).

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2 Prozent

Durchschnittliche Umsatzrendite von ORS Service in Österreich.

Im Lauf des Jahres 2017 sind aufgrund der stark sinkenden Asylantragszahlen auch die Umsätze von ORS aus dem Vertrag mit dem Innenministerium stark zurückgegangen. Massive Personaleinsparungen durch Kündigungen und die Nicht-Verlängerung befristeter Verträge waren die Folge. Alles in allem bewegte sich die Umsatzrendite des Unternehmens aus Leistungen für die Republik Österreich seit der Übernahme der Geschäfte von Vertragsvorgänger European Homecare (EHC) um die zwei Prozent. Raubtierkapitalismus, so viel kann man sagen, sieht anders aus.

Verhaltene Stellungnahme

Wilhelm Brunner, Geschäftsführer von ORS Österreich, wollte über die zentralen Ergebnisse unserer Recherchen – die beabsichtigte Kündigung des Vertrags durch die Republik – nicht sprechen. „Wir kommentieren Gerüchte nicht.“ Und ging, angesprochen auf die Kritik Wiens am Umbau an der Konzernspitze, dennoch in die Offensive. „Erst unter der neuen Geschäftsführung war es uns z.B. möglich, einen Betriebsrat zu installieren.“ Und weiter: „Wir sind derselbe verlässliche Partner der Behörden geblieben, mit denselben Ansprechpersonen in Österreich.“

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Die ungekürzte Antwort von ORS Service

1. Laut unseren Recherchen beabsichtigt das Innenministerium den bestehenden Vertrag mit ORS Service zu kündigen. Wurden Sie darüber inzwischen mündlich oder schriftlich informiert?

2. Uns liegen Informationen vor, wonach Mitarbeitern von ORS Service von Führungskräften des Innenministeriums bereits die dienstliche Übernahme in ein von der Republik Österreich geführtes, neues Unternehmen zur Betreuung von Asylwerbern angeboten wurde. Ist der ORS Geschäftsleitung dieses Vorgehen bekannt?

3. Als möglicher Kündigungsgrund kristallisierte sich im Zuge unserer Recherchen die Unzufriedenheit des Innenministeriums mit dem Führungskräfte-Umbau der ORS AG in Zürich heraus. Welche Auswirkungen hatte dieser Umbau konkret und unmittelbar auf ORS Service in Österreich?

Antwort zu den Fragen 1 – 3: Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir Gerüchte nicht kommentieren.

4. Hat das österreichische Innenministerium ein Mitspracherecht bei der Bestellung von unternehmensrechtlichen Führungskräften bei ORS in der Schweiz und in Österreich?
Nein, dabei handelt es sich um eine unternehmensinterne Entscheidung.

5. Hat sich das Selbstverständnis von ORS AG (Schweiz) und ORS Service (Österreich) dadurch verändert?
Nein.

6. Hat sich im Sinne der Leistungserbringung gegenüber dem Innenministerium seither etwas verändert?
Nein. Wir sind derselbe verlässliche Partner der Behörden geblieben, mit denselben Ansprechpersonen in Österreich. Wir setzen weiterhin europaweite Maßstäbe in der Betreuungsqualität und sind stolz auf die von anderen unerreichte Flexibilität unserer Organisation, mit der wir gerade in Extremsituationen kurzfristig Lösungen anbieten können.

7. Entstand dadurch ein höherer Kostendruck bzw. eine höhere Gewinnerwartung der Eigentümer an das Unternehmen in Österreich?
Im Gegenteil, unsere eigenen Ansprüche an die Qualität zählen heute mehr denn je! Erst unter der neuen Geschäftsführung war es uns z.B. möglich, einen Betriebsrat zu installieren und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Sozialplan in Kraft zu setzen, durch den wir freiwillige Sozialleistungen bei etwaigen Standortschließungen auszahlen.

8. Entstanden dadurch sonstige denkbare Nachteile für Ihren Auftraggeber, Personen in Bundesbetreuung oder die österreichischen Steuerzahler?
Nein, wir haben im Gegenteil unsere Servicequalität weiter verbessert (z.B. durch Qualitätszertifizierungen ISO-Qualitätsmanagement, HACCP-Hygienestandards).

9. Hat das österreichische Innenministerium seit Beginn 2017 zu verstehen gegeben, dass die Republik Österreich mit der Vertragserbringung durch ORS Service unzufrieden ist?
Nein.

Schon einmal gab es ähnliche Pläne

Wirklich neu ist die Idee, die Versorgung von Flüchtlingen während ihres Asylverfahrens vom Staat, oder präziser: von einer ausgelagerten Betreuungsagentur des Bundes, erledigen zu lassen, nicht. Zu Beginn der von Wolfgang Schüssel geführten Regierungskoalition von FPÖ und ÖVP ab dem Jahr 2000 arbeitete man im Innenministerium hinter den Kulissen schon einmal an diesem Plan. Angesiedelt werden sollte diese Agentur damals beim Integrationsfonds. Es gab sogar schon einen Wunschkandidaten für die Geschäftsführung.

Wird der Staat wieder Wirt?

Dass es doch nicht so weit kam, die Regierung die Richtung änderte, ausschrieb und letztlich ORS-Vorgänger EHC mit der Flüchtlingsbetreuung beauftragte, hatte politische Gründe. Ein privater Dienstleister, so die Überlegung, könnte bei Problemen, medialem Aufruhr oder Zwischenfällen im Rahmen der Arbeit mit Asylwerbern gewissermaßen als Prellbock für den politisch verantwortlichen Minister dienen. Kritik würde so nur noch stark abgemildert beim damals verantwortlichen Ressortchef Ernst Strasser ankommen. Also sprach der die Worte „Der Staat ist kein guter Wirt“, und schrieb aus. Die Ära der privatisierten Flüchtlingsbetreuung könnte nun wieder enden. 

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