Öffentliche Haushalte sollten eigentlich keine komplizierte Sache sein, möchte man meinen. Wer zum Beispiel in das Budget einer x‑beliebigen Gemeinde schaut – etwa das von Grafenwörth, der Heimat des aktuellen Gemeindebundpräsidenten –, erfährt offen und transparent, mit wie viel Geld die Kommune im vergangenen Jahr die örtliche Feuerwehr unterstützt hat (31.900 Euro), oder wie viel sie im laufenden Jahr für den dortigen Kindergarten samt Neubau einplant (1,7 Millionen Euro), und so weiter. Wenn solche klaren, transparenten Budgets als Idealbeispiel angesehen werden können, stehen am anderen Ende der Transparenzskala die Planungen und Rechnungsabschlüsse der Bundesländer in Sachen Asyl.
In den vergangenen Wochen hat Addendum versucht, eine detaillierte Rechnung anzustellen, wie viel die Asylkrise und ihre Folgen den österreichischen Steuerzahler kosten wird. Die beiden größten Posten – die Grundversorgung für Asylwerber und die Mindestsicherung jener, die hierbleiben dürfen – werden dabei über die Länder abgerechnet. Also wurden während der Recherche nicht nur Rechnungsabschlüsse und Voranschläge der Länder studiert, sondern auch die Länder gebeten, die entsprechenden Daten – wie viel plant jedes Land für die Mindestsicherung von Flüchtlingen ein usw. – detailliert aufzuschlüsseln. Die Ergebnisse sind, nun ja, ein wenig uneinheitlich.
Dabei geht es nicht einmal so sehr darum, dass manche Länder die gewünschten Daten auf Knopfdruck bereit hatten und innerhalb eines Tages lieferten, während andere Wochen brauchten und wieder andere – etwa Vorarlberg – trotz mehrfacher Anfrage nach Monaten noch immer eine Antwort schuldig blieben; es geht darum, dass die Erfassung in neun Budgets so unterschiedlich ist, dass ein Vergleich, etwa hinsichtlich der Frage, welche Länder wie effizient arbeiten, schlicht zum Scheitern verurteilt ist. So gliedert der Salzburger Rechnungsabschluss 2016 den Bereich Flüchtlingshilfe/Grundversorgung in 18 verschiedene Positionen (nur 17 davon enthalten tatsächlich Aufwendungen), den Teilbereich Migration/Integration in drei Positionen.
Sieht man sich im Vergleich dazu den Rechnungsabschluss des Burgenlands für das Jahr 2016 an, stellt sich heraus: Da ist Flüchtlingshilfe/Grundversorgung, also genau derselbe Aufgabenbereich wie in Salzburg, in nur sieben Positionen (nur vier davon enthalten tatsächlich Aufwendungen) aufgegliedert. Für Integration gab es überhaupt nur eine Budgetstelle, in der gar keine Aufwendungen erfasst sind. Sprich: Das Burgenland fasst dieselben Ausgaben, die Salzburg über 20 Detailstellen verteilt, in nur vier Posten. Während man argumentieren könnte, dass das nur die Verbuchung – und die Transparenz – der Ausgaben im Zuge der Asylkrise betrifft, gibt es aber Bereiche, in denen manche Länder selbst im Blindflug unterwegs sind.
So wusste das Land Kärnten bis einschließlich 2015 nicht, wie viele Asylberechtigte dort die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) bezogen haben – ob ein Antragsteller Flüchtling oder „normaler“ Migrant war, wurde schlicht nicht statistisch erfasst, die entsprechende Information blieb in den Akten der Bezirkshauptmannschaften. Seit 2016 kennt Kärnten zwar die Anzahl der mindestgesicherten Flüchtlinge, nicht aber den auf sie entfallenden Gesamtbetrag – die Frage, ob und wie viele der Flüchtlinge die volle BMS beziehen und wie viele bloß „Aufstocker“ oder Familienmitglieder sind, lässt sich damit nicht beantworten. Solche Datenlücken halten die Kärntner Politik aber nicht davon ab, Kürzungen zu überlegen. Nachdem binnen zwei Jahren die Zahl der Gesamtbezieher um rund 20 Prozent und die Gesamtausgaben um über ein Viertel gestiegen sind, steht in Klagenfurt eine Kürzung für Asylberechtigte im Raum, Basiszahlen zur Prognose der weiteren Kostenentwicklungen sowie zur Abschätzung des konkreten Einsparungspotenzials fehlen aber.
Vorarlberg hat solche Kürzungen bereits durchgeführt, konnte aber trotz mehrmaliger Nachfrage bis heute keine Angaben zu den vergangenen und prognostizierten Kosten der bedarfsorientierten Mindestsicherung liefern.
Kärnten scheint budgetäre Transparenz aber generell schwerzufallen; so werden im Rechnungsabschluss 2015 für „Flüchtlingsfürsorge“ rund 19,8 Millionen Euro ausgewiesen. Gegenüber Addendum hat das Land rund 15,5 Millionen davon erläutert. Wofür die Differenz – immerhin rund 4,3 Millionen Euro – ausgegeben wurde, konnte trotz mehrmaliger Nachfragen nicht in Erfahrung gebracht werden. Kärnten ist aber auch das einzige Bundesland, in dem Mitte September 2017 noch kein genehmigter Rechnungsabschluss 2016 vorliegt.
Man könnte vermuten, dass eben in neun Ländern neun Budgetregimes existieren, dass die Kosten aber wenigstens auf Bundesebene einigermaßen einheitlich und nachvollziehbar erfasst werden. Nun, nicht ganz. Das zeigt ein Blick auf die Frage, wie das Finanzministerium den Aufwand bewertet, den das Bundesheer durch die Asylkrise hat. In der Budgetpräsentation 2017 weist es für den Bereich Landesverteidigung/BMLVS im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise 432 Millionen Euro aus. Der Rechnungshof hat im Bundesrechnungsabschluss 2016 allerdings „nur“ Mehrkosten von über 50 Millionen Euro für den Assistenzeinsatz und rund 60 Millionen Euro Mehrkosten für Materialbeschaffung veröffentlicht – das heißt, der zusätzliche Grenzeinsatz des Heeres kostete im Vorjahr über 110 Millionen Euro mehr als geplant –, und schon da kritisierte der Rechnungshof, dass es überhaupt zu Mehrkosten gekommen ist, schließlich wäre die Belastung schon ab September 2015 abschätzbar gewesen. Wie kann es also sein, dass ein Einsatz, der im Vorjahr, wo noch zusätzliches Gerät angeschafft werden musste, mit knapp 110 Millionen Euro dotiert war, heuer plötzlich fast das Vierfache kosten soll?
Auf Nachfrage nennt das Verteidigungsministerium lediglich Gesamtkosten für den Assistenzeinsatz in Höhe von rund 48 Millionen Euro im Vorjahr – die veranschlagten Kosten für das Jahr 2017 sollen rund 73 Millionen Euro ausmachen. Wie viel der Grenzeinsatz des Bundesheers in der Vergangenheit gekostet hat und heuer kosten wird, weiß man also immer noch nicht genau – in Anbetracht der Differenz zwischen 432 Millionen Euro, die das Finanzministerium veranschlagt, und 73 Millionen, von denen das Verteidigungsministerium ausgeht, muss man sagen: eigentlich nicht einmal annähernd genau.
Dann ist da noch die Sache mit der fehlenden Software, die eine genaue Verrechnung des größten Postens im Asylwesen, der Grundversorgung, seit Jahren unmöglich macht. Die Grundversorgungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern aus dem Jahr 2004, ein 15a-Vertrag, sieht eine Kostenteilung für die Grundversorgung von Asylwerbern vor. Für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz – allerdings längstens für ein Jahr – teilen Bund und Länder die Kosten im Verhältnis 60:40 auf. Danach trägt der Bund die Kosten alleine.
Die Verrechnung sollte eigentlich über ein vom Innenministerium eingerichtetes Abrechnungsmodul erfolgen – im Wesentlichen eine Eingabemaske, in der jedes Land Zahl der bei ihm betreuten Asylwerber und Dauer der Betreuung eingibt und die Software in der Folge berechnet, wer wie viel zahlen muss bzw. zurückbekommt.
Nun wies diese Software aber zwei Fehler auf: Zum Ersten stellte sie bei der Kostenteilung auf die Versorgungsdauer statt auf die Verfahrensdauer ab. Zum Zweiten berücksichtigte sie Verfahrensunterbrechungen nicht richtig.
Im Mai 2009 einigten sich der Bund und die Länder in einer Koordinationsratssitzung auf die entsprechenden Definitionen – und darauf, welche Korrekturen notwendig waren. 2011 begann das BMI mit der Umprogrammierung und – die Asylsituation war damals nicht besonders drängend – stellte eine Fertigstellung mit spätestens Anfang 2013 in Aussicht. Ende 2013 wurde letztmalig auf Basis des alten Abrechnungsmoduls verrechnet – die Umprogrammierungsarbeiten waren jedoch noch nicht abgeschlossen. Seit Anfang 2014 fanden Länderabrechnungen und darauf basierende Länderausgleichszahlungen nicht mehr statt. Mit dem Bund wurde auf Basis von vereinbarten Akontozahlungen abgerechnet. Bis in die erste Jahreshälfte 2017 dauerte die tatsächliche Fertigstellung der IT, wie das BMI bestätigt. Erst vor wenigen Wochen, im Sommer dieses Jahres, starteten also die Bundesländer wieder damit, die Quartale eins bis vier für die Jahre 2014 und 2015 zusammenzustellen und sich diese gegenseitig vorzulegen. Erst danach kann nach Jahren wieder eine Abrechnung zwischen den Ländern – basierend auf den Quoten und Quotenerfüllung durch diese – stattfinden.
Bis abschließende Zahlen vorliegen, wen die Grundversorgung wie viel Geld kostet, wird es also noch ein wenig dauern.