Seit vielen Jahren ist die Wiener Politik stolz darauf, die nach der Bevölkerungszahl festgelegte Quote zur Grundversorgung von Asylwerbern als einziges Bundesland zu erfüllen oder sogar überzuerfüllen.
Aus dem Mund der inzwischen zurückgetretenen SPÖ-Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, hörte sich das am 16. September 2015 zum Beispiel so an: „Wir werden auch weiterhin Plätze schaffen, das darf aber die anderen Bundesländer nicht von ihrer Pflicht entheben, endlich ihre Quote zu erfüllen und Verantwortung zu übernehmen.“
Gewohnt launig polterte dazu auch Bürgermeister Michael Häupl am 10. März 2016 in Richtung Oberösterreich. Im Linzer Landhaus hatte es zuvor geheißen, dass man gar nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen könne, weil Wien das schon in großem Ausmaß tue. Häupl kommentierte diese Argumentation vor Genossen im Rahmen einer Klubtagung so: „Verarschen tu’ ich mich lieber selber, weil das ist lustiger.“
APA-Bericht vom 10.3.2016 über die Wiener SPÖ-Klubtagung:
Häupl urgierte eine gerechte Verteilung der Betroffenen – auch in Österreich. Er wies einmal mehr darauf hin, dass Wien die vereinbarte Quote in Sachen Grundversorgung übererfülle. Der Wiener Rote zeigte sich darüber erbost, dass es etwa in Oberösterreich heiße, man könne nicht mehr aufnehmen, weil so viele Flüchtlinge in Wien seien: „Verarschen tu ich mich lieber selber, weil das ist lustiger.“
Die Lacher von Abgeordneten und Parteifreunden waren ihm sicher. Was weder im Rahmen der heiteren Klubtagung noch in der Öffentlichkeit bisher diskutiert wurde: Das vom Wiener Rathaus verbreitete Narrativ von einer Stadt, die als einzige im Land aus Nächstenliebe ihre humanitären Verpflichtungen erfüllt, wird in Zukunft vermutlich nur schwer zu halten sein.
Recherchen ergaben, dass sich Wien als einziges Bundesland nicht an ein vereinbartes Prozedere zur gleichmäßigen Verteilung von Asylwerbern hält, dadurch systembedingt die Quote übererfüllt, die anderen Länder dafür jedoch kritisiert und so über den Finanzausgleich überspitzt formuliert sogar noch Geld verdient. Und zwar bis zu 2.874 Euro jährlich pro volljährigem Grundversorgtem. Aktuell befinden sich in Wien etwa 20.000 Personen in Grundversorgung.
Legt man der Verwaltung der Stadt die vorliegenden Fakten ausschließlich kritisch aus, könnte man die Praxis, die seit Einführung der Grundversorgung im Mai 2004 die gleiche ist, in etwa so beschreiben: Ausländer, die in anderen Bundesländern aus unterschiedlichen Gründen wie Verschwinden aus der Unterkunft, Nichtmitwirkung am Verfahren, Untertauchen oder Straffälligkeit aus der Grundversorgung gefallen sind, ziehen nach Wien, werden dort in Grundversorgung genommen (man spricht dabei von einer sogenannten Eigenaufnahme) und dem Bund und den anderen Ländern in Rechnung gestellt. Das verhindert einerseits, dass die Betroffenen durch den Verlust der Grundversorgung vollständig in den Untergrund abtauchen. Andererseits signalisiert die Praxis aber, dass Regelverstöße faktisch sanktionslos bleiben.
Mit der Finanzierung der Grundversorgung ist es nämlich so: Abgesehen von Sonderfällen wie besonders langwierigen Entscheidungen, deren Kosten der Bund alleine trägt, teilen sich Bund und Länder den Aufwand für Leistungen aus der Grundversorgung nach dem Schlüssel 60:40. Wobei der 40-Prozent-Länderanteil auf alle Partner nach Einwohnerzahl verteilt wird. Im Falle Wiens sind das 21 Prozent von 40 Prozent. Oder anders formuliert: Vom gesetzlich reglementierten Gesamtaufwand für einen Grundversorgten bezahlt Wien – egal in welchem Bundesland die Person untergebracht ist – 8,4 Prozent.
Nun könnte man meinen, dass es unter diesen Voraussetzungen egal sein könnte, in welchem Land ein Asylwerber untergebracht ist. Ist es aber nicht. Sonst würde Wien sich vermutlich an eine Selbstbindung halten, die Bund und Länder, also auch Wien, am 27. September 2007 unterschrieben und 2008 noch einmal präzisiert haben: In dem Papier ist festgeschrieben, dass Personen, die aus unterschiedlichen Gründen aus dem System gefallen sind, nur dort auch wieder aufgenommen werden sollen, wo sie vorher versorgt waren. Der Wechsel aus der Grundversorgung eines Landes in die eines anderen ist gemäß dieser Selbstbindung die Ausnahme, etwa für Familienzusammenführungen, und nur im Einvernehmen zwischen den betroffenen Ländern erlaubt.
Theoretisch. Praktisch missachtet Wien als einziges Bundesland die – rechtlich nicht exekutierbare – Regelung. In der Realität verschwinden jährlich zahllose Asylwerber aus der Grundversorgung der Länder, ziehen nach Wien und werden dort ins System genommen. In den regelmäßig tagenden Runden des aus Bund- und Ländervertretern bestehenden Koordinationsrats zur Grundversorgung wird das immer wieder lautstark diskutiert. Nach außen dringt aus diesem Gremium jedoch selten etwas. Offiziell fußt Wiens Regelbruch nämlich nur auf der Wahrnehmung humanitärer Verantwortung.
Oder auf dem Unwillen des Innenministeriums. So begründet es auf Nachfrage der Fonds Soziales Wien (FSW), der für die Hauptstadt die Abwicklung von Asylwerber-Angelegenheiten bis hin zur Grundversorgung übernommen hat. Tatsächlich bleibe der Stadt nämlich gar nichts anderes übrig, als diese Menschen wieder ins System zu nehmen. Die Begründung: „Bis jetzt war der Bund nicht bereit, diese Personen wieder in ein Verteilerquartier aufzunehmen und erneut in das verantwortliche Bundesland zu transferieren.“
Tatsächlich widerspricht das jedoch diametral der Interpretation des Bundes über die Aufgabenverteilung. Dort nämlich empfand man bisher keinerlei gesetzliche Zuständigkeit für grundversorgte Asylwerber, die vereinbarungswidrig das Bundesland wechseln. Die Länder, heißt es im Innenministerium, müssten das untereinander ausmachen.
Eine Addendum-Berechnung legt aber noch ein anderes Motiv nahe. Über den Finanzausgleich ist nämlich jeder Asylwerber mit Hauptwohnsitz bares Geld wert. Abzüglich aller Ausgaben für die Grundversorgung bleibt Wien bei einem Erwachsenen mit Unterbringung in einem organisierten Quartier ein „Erlös“ von 2.563 Euro (siehe Vergleichsgrafik). Bei individueller Unterbringung (in Wien ist das im Gegensatz zu allen anderen Ländern die Hauptwohnform von Asylwerbern) sind es 2.874 Euro. Ist dieselbe Person in einem anderen Bundesland untergebracht, fallen hingegen Kosten in der Höhe von 8,4 Prozent der Grundversorgungsleistungen an.
Warum ist das so? Und wieso reißen sich die anderen Länder nicht auch um die Unterbringung von Asylwerbern?
Weil Wien Land und Stadt zugleich ist. Pro Hauptwohnsitz zum Stichtag 31. Oktober werden jährlich 3.337,5 Euro aus dem Finanzministerium überwiesen, an die anderen Länder jedoch nur durchschnittlich 1.850. Für sie sind Asylwerber damit weitaus weniger lukrativ als für Wien. In Niederösterreich zum Beispiel bleibt pro Fall mit 1.116,82 Euro (organisierte Unterbringung) nicht einmal halb so viel im Landesbudget übrig wie in der Hauptstadt.
Eine besondere Rolle kommt den Gemeinden in allen Bundesländern außer Wien zu. Auch für sie ist jeder durch einen Asylwerber begründete Hauptwohnsitz im Finanzausgleich bares Geld wert, obwohl sie anders als die Länder nichts zur Finanzierung der Grundversorgung beitragen müssen. Die tatsächlich pro Wohnsitz überwiesene Summe entspricht jedoch nicht automatisch den Gemeinde-Ertragsanteilen aus dem Finanzausgleich mit dem Bund. Letztendlich vollzieht nämlich jedes Bundesland einen internen Finanzausgleich mit all seinen Gemeinden, in dessen Rahmen jede einzelne auf Basis ihrer Finanzkraft mit individuellen Zu- oder Abschlägen zu rechnen hat.
Wiens Fluch und Segen zugleich ist es, dass es Asylwerber und andere Ausländer mit Anspruch auf Grundversorgung tendenziell vom Land in die Stadt zieht, nicht umgekehrt. Das sorgt einerseits für soziale Probleme, schafft in Wien jedoch die strategischen Rahmenbedingungen, unter denen die Rechenspiele in den Geldkreisläufen Grundversorgung und Finanzausgleich erst möglich werden.
Der FSW will sich zu den genannten Summen nicht im Detail äußern, weil man die genauen Parameter der Addendum-Berechnung nicht kenne. Allerdings bestreitet der Sozialdienstleister der Stadt Wien in einer Stellungnahme (letztes Jahresbudget: 1,71 Milliarden Euro), dass die hohe Zahl an Eigenaufnahmen finanzielle Motive hätte.
Doch da ist noch mehr, was in der öffentlichen Debatte um die vermeintliche Übererfüllung von Flüchtlingsquoten so bisher noch nicht besprochen wurde. Weil Wien unter Umgehung der vereinbarten Vorgangsweise Personen in Grundversorgung nimmt, die eigentlich in die Bundesländer gehören, übernimmt die Stadt nur eine sehr geringe Zahl von Asylwerbern aus Bundesquartieren wie zum Beispiel dem Lager Traiskirchen. Dabei sollte das eigentlich die Regel und nicht die Ausnahme sein.
Addendum liegen die Zahlen aller Überstellungen von Antragstellern aus Bundeseinrichtungen in die Länder seit Einführung der Grundversorgung im Mai 2004 vor.
Die Bilanz nach 13 Jahren lautet: Außer dem kleinen Vorarlberg übernahm niemand weniger Asylwerber vom Bund als Wien.
Urplötzlich erreichen dann auch alle anderen Länder ihre Quoten. Spitzenreiter dieses Ausschnitts der Asyl-Realität ist Niederösterreich mit 31.023 übernommenen Personen und einer Quotenerfüllung von 121 Prozent (seit Mai 2004).
Wien hingegen, das bevölkerungsreichste Land im Staat, übernahm seit damals 6.056 Anspruchsberechtigte aus Bundesquartieren. Gemäß seiner Einwohnerzahl (Stand 1.1.2017: 1.867.582) hätten es jedoch 28.287, also fast fünfmal so viele sein sollen.
Wozu das führen kann, zeigte sich im Sommer 2015 in Traiskirchen. Am 3. August dieses Jahres erreichte das Flüchtlingslager einen Höchststand von 4.740 untergebrachten Personen. Behördlich genehmigt waren 1.820. Der Grund für den Rückstau war, dass die Länder weniger Asylwerber vom Bund übernahmen, als neue Anträge einlangten. Auch Wien. Bis zum Traiskirchner Spitzentag hatte die Hauptstadt gerade einmal 387 Personen aus den überquellenden Bundeseinrichtungen übernommen. Dem gegenüber standen bis dahin mit 1.840 Fällen fast fünfmal so viele Eigenaufnahmen. Das hinderte jedoch namhafte Vertreter der Stadtverwaltung nicht daran, den Bund für – Zitat – „unmenschliche Bedingungen“ im übervollen Lager Traiskirchen zu kritisieren.
Trotzdem wäre es ungerecht, Wiens Verhalten im Zusammenhang mit dem überfüllten Lager Traiskirchen im Jahr 2015 ausschließlich kritisch zu bewerten. So schleppend die Übernahmen aus der Bundesbetreuung anfangs auch waren: Ab September nahm Wien – und diesmal in Rücksprache mit Bund und allen Ländern – in großer Zahl (nach eigenen Angaben etwa 15.000) Flüchtlinge ohne den Umweg Bundesbetreuung in Grundversorgung. Das half spürbar, den Rückstau in den großen Lagern abzuarbeiten.
Und Wiens Selbstbewusstsein in der Argumentation für die über Jahre gelebte Praxis der vielen Eigenaufnahmen zu stärken. „Angesichts dieser Fakten nachträglich auf eine vergleichsweise geringe Anzahl an Übernahmen zu verweisen, entbehrt jeglicher Logik“, kommentiert der FSW die Mehrjahresstatistik des Ministeriums.
Tatsächlich sind die anderen Landeshauptleute und ihre Flüchtlings- und Sozialreferenten manchmal gar nicht unglücklich darüber, dass – zum Beispiel – problematische Gruppen wie junge Afghanen trotz Unterbringung im eigenen Land plötzlich von den Bahnhofsvorplätzen verschwinden, um kurze Zeit später in Wien wieder aufzutauchen. Allerdings nutzen das nicht nur Asylwerber, sondern auch viele andere Personen, die längst kein Verfahren mehr laufen haben.
In Italien sind seit einer Gesetzesnovelle im April 2017 sogenannte „Internierungszentren für die Rückführung“ möglich. In diesen Lagern sind Personen untergebracht, die Italien verlassen müssen, aber nicht an ihrer Abschiebung mitwirken, indem sie zum Beispiel eine Unterschrift verweigern. In diesen Zentren können Abzuschiebende bis zu drei Monate lang festgehalten werden, in Einzelfällen auch länger.
Diese Praxis hat dazu geführt, dass in Wien zuletzt nur 53 Prozent aller Grundversorgten Asylwerber waren (Stand: Ende Juli 2017). In den anderen Bundesländern liegt dieser Wert zwischen 65 (Vorarlberg) und 84 Prozent (Oberösterreich).
Der FSW begründet das so: „Wie jede andere Großstadt hat auch Wien einen Zuzug unterschiedlicher Personengruppen aus ländlichen Bereichen zu verzeichnen. So übersiedeln auch zahlreiche subsidiär Schutzberechtigte und Asylberechtigte nach Statuszuerkennung aufgrund fehlender Integrationsangebote auf dem Land nach Wien.“
Nun könnte man sagen, das Vorgehen Wiens sei rechtlich durch die Grundversorgungsvereinbarung gedeckt und würde im Fall des Falles von anderen Ländern – so es einen nennenswerten Zuzug von Leistungsbeziehern gäbe – wohl ähnlich gehandhabt werden. Stimmt. Es gibt jedoch auch Fälle, an denen sich die Geister scheiden.
Wien nimmt nämlich auch Personen in Grundversorgung, für die andere Länder, der Bund, der Verwaltungsgerichtshof, der – inzwischen aufgelöste – Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien und selbst der Oberste Gerichtshof (OGH) keine Anspruchsberechtigung mehr sehen. Dabei geht es um Asylwerber, deren Anträge rechtskräftig negativ entschieden wurden, und die sich weigern, die österreichischen Behörden bei ihrer Abschiebung in die Heimat zu unterstützen. Etwa, indem sie Termine bei der Behörde nicht wahrnehmen, die Vorlage von Dokumenten verweigern oder sich nicht um deren Beschaffung bei der für sie zuständigen Botschaft bemühen.
Dennoch versucht Wien als einziges Bundesland seine Grundversorgungspolitik auf Kosten fremder Budgets mit vielfältigen Mitteln fortzuführen. Im Oktober 2016 klagte der FSW das Innenministerium zivilrechtlich auf Überweisung von Grundversorgungsbeiträgen für rechtskräftig negativ entschiedene Asylwerber. Bisher erfolglos. Aber mit folgender Begründung: Der Bund sei nicht in der Lage, seiner Pflicht bei der Durchführung von Rückführungen nachzukommen. Wien versorge diese Personen aus Gründen der sozialen Sicherheit und Humanität. Es sei nicht zumutbar, die Wiener Bevölkerung einem Sicherheitsrisiko auszusetzen, weil der Bund diese Personen nicht abschieben kann und sie somit in den Untergrund drängt.
Und die Recherchen deuten auf weitere Missstände hin. Am 11. Juli dieses Jahres trafen sich in Wien Vertreter des Innenministeriums und des FSW, um über andere Unstimmigkeiten zu diskutieren. Demnach würde die Stadtverwaltung laut einem vom Innenministerium durchgeführten Datenabgleich Grundversorgungskosten für „mehrere hundert Fälle“ in Rechnung stellen, die nicht einmal mehr im zentralen Melderegister (ZMR) aufscheinen.
Und: Ganz offensichtlich wird in Wien kaum bis gar nicht überprüft, ob für Bezieher von Grundversorgung die gesetzlich geforderte „Hilfsbedürftigkeit“ überhaupt vorliegt. Zumindest dort, wo letztlich alles zusammenläuft, beim Bund, scheint man das jedoch genau wissen zu wollen. Seit 2007 kontrolliert ein Team von Experten Grundversorgte im ganzen Land, ob sie tatsächlich staatliche Unterstützung brauchen, oder vielleicht doch über Eigenmittel verfügen. Allein von Jänner bis Juli 2017 entdeckte diese Kontrollgruppe laut den vorliegenden Dokumenten österreichweit 1.080 Verdachtsfälle. Etwa die Hälfte (514) davon betraf Wien. Feststellungen, die der FSW auf Anfrage jedoch als „haltlos“ bezeichnet.
Um politisch gegenüber Bund und Ländern mit der Übererfüllung der Grundversorgungsquote argumentieren zu können, werden offenbar sogar regelrechte Scheinanmeldungen durchgeführt. In einem internen Bericht des Innenministeriums ist davon die Rede, dass zuletzt 1.570 angeblich Grundversorgte in Wirklichkeit nur eine Krankenversicherung bezogen und an Adressen gemeldet waren, an denen sie gar nicht wohnten, ebendort also faktisch auch nicht versorgt oder betreut wurden. In der – für Wien gut aussehenden – Quotenberechnung wurden sie dennoch berücksichtigt, und im Finanzausgleich mit 3.337,5 Euro pro Person.
Das betroffene Quartier wurde in der Zwischenzeit geschlossen.
Ein Fall beschäftigt die Behörden seit Juni 2017. Damals wurde intern bekannt, dass ein junger Afrikaner bis dahin mit zwei unterschiedlichen Identitäten zweimal in Wien Krankenversicherungsleistungen im Rahmen der Grundversorgung bezog, und zwar von November 2015 bis Sommer 2017. Und das, obwohl die Person – wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nun entdeckte – eigentlich schon im April 2016 verstarb.
Den Fall des grundversorgten Toten wollte man beim FSW mangels weiterer Angaben nicht näher kommentieren. Allerdings sieht man in diesem und in anderen Fällen die Schuld woanders. Die Verantwortung für die Grundversorgungsdatenbank liege nämlich beim Innenministerium. Zitat: „Aufgrund des unbefriedigenden Zustands der Datenbank – unter anderem gibt es keinen automatischen Abgleich mit dem Melderegister und dem Sterbebuch – kommt es immer wieder zu Administrationsfehlern, die im Nachhinein korrigiert und rückverrechnet werden müssen.“ Ein Umstand, den auch schon der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Wiener Gebietskrankenkasse kritisiert hätten.
Ganz so einfach ist die Zuordnung des Schwarzen Peters jedoch nicht. Entwickelt wurde das System 2004 nämlich gemeinsam. Die Partner: Bund und neun Länder. Wie fast immer im Bereich Grundversorgung, geschah auch die Softwareentwicklung damals „im Einvernehmen“, und ja, die Kostentragung teilte man sich auch in diesem Fall nach dem bekannten Muster: 60 Prozent für die Republik, 40 Prozent für die Länder.
Nur die Einpflege der offenbar nicht immer fehlerfreien Daten in besagte Grundversorgungsdatenbank scheint eindeutig zugeordnet: Sie obliegt in den bemängelten Fällen nicht dem Innenministerium, sondern dem jeweiligen Bundesland.
Dass die Praxis der unkontrollierten Eigenaufnahmen in Wien den meisten anderen Institutionen bis hinauf zur Bundesregierung gegen den Strich geht, belegt das vom Parlament beschlossene Fremdenrechtsänderungspaket. Darin enthalten ist unter anderem das Verbot, während des Bezugs der Grundversorgung das Bundesland zu wechseln. Bei Verstößen drohen vorübergehende Festnahmen durch die Polizei und Verwaltungsstrafen bis 1.000 Euro.
Auch für Ausreisepflichtige mit negativen Asylbescheiden wird es ab 1. November in Wien deutlich ungemütlicher. Wer die Mitwirkung verweigert, zum Beispiel eine notwendige Unterschrift nicht leistet, kann bis zu vier Wochen lang in Beugehaft genommen werden.
Wien, sagt der FSW nun auf Anfrage, unterstütze übrigens dieses Gesetzespaket. Allerdings hörte sich das vor der Beschlussfassung im Nationalrat in einem Bericht der „Kronen Zeitung“ ganz anders an.