Nach Jahrzehnten der Planung, etlichen Gutachten von Tunnelgegnern und -befürwortern sowie zahlreichen Protesten wird nun tief im Inneren von Österreichs Bergen gesprengt, gegraben und gebohrt. Am Beispiel der Projekte Brenner-Basistunnel, Semmering-Basistunnel und Koralmtunnel wollen wir prüfen, ob die österreichische Verkehrspolitik ein Gesamtkonzept für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene hat – besonders beim Güterverkehr.
Einer hat sein Urteil darüber längst gefällt. „Diese Großprojekte sind ein krimineller Akt“, sagt Hermann Knoflacher. Der emeritierte Professor für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der TU Wien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten den Ruf eines enfant terrible der österreichischen Verkehrswissenschaft erarbeitet – und zwar nicht als Gegner der Bahn, sondern des Autos. Dieses hat der heute 78-Jährige einst als „Virus“ bezeichnet. Knoflacher tritt aus ökologischen Gründen grundsätzlich für den öffentlichen Verkehr ein, dennoch ist er ein erbitterter Gegner der großen österreichischen Tunnelprojekte: Seiner Ansicht nach sind sie weder planerisch noch wirtschaftlich verantwortbar und verkehrstechnisch nicht notwendig.
Ist es ein übertrieben alarmistisches Bild, das Knoflacher zeichnet? Oder sind die drei Tunnels tatsächlich nichts weiter als eine Verschwendung von Steuergeld? Unser vorsichtiges Fazit auf Basis unserer Rechercheergebnisse: Mit ihrer Eröffnung werden die Tunnels den Güterverkehr auf der Straße eher nicht obsolet machen.
Brenner Basistunnel
Hermann Knoflachers Behauptung, dass der Brenner-Basistunnel unnötig sei, würde wohl viele Tiroler zum Widerspruch reizen, allen voran Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), denn der Lkw-Transitverkehr über den Brenner hat mit 2,4 Millionen Fahrten im vergangenen Jahr einen neuen Rekord erreicht. Platter versucht, die Lkw-Flut mit Blockabfertigungen an der Grenze zu Deutschland sowie temporären Fahrverboten einzudämmen. „Nationalistische Ideen“ werfen ihm deshalb deutsche CSU-Politiker vor und wollen gegen die Fahrverbote vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Damit ist schon das größte Problem des Brenner-Basistunnels angesprochen: die mangelnde internationalen Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Österreich und Italien.
Seit 1988 gibt es Pläne für einen Eisenbahntunnel durch den Alpenhauptkamm. 2006 erfolgte der Anschlag für den ersten Erkundungsstollen, seither wird hier gegraben und gebohrt. Im Jahr 2028, so die heutigen Prognosen, soll er dann fertig sein: der Brenner-Basistunnel.
Mit 64 Kilometern Länge ist er nicht nur der längste Eisenbahntunnel, sondern überhaupt der längste jemals gebohrte Tunnel der Welt. Nach seiner Fertigstellung sollen hier Hochgeschwindigkeitszüge mit bis zu 250 km/h in zwei Röhren die österreichisch-italienische Grenze passieren.
Bis zu 250 Stundenkilometer sollen auf dieser Strecke möglich sein. Die heute technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit der ÖBB-Railjet-Garnituren beträgt 230 km/h. Bei Railjet-Versuchsfahrten konnten auf dem Streckenabschnitt zwischen St. Valentin und Amstetten in Niederösterreich sogar 275 km/h erreicht werden.
In nur 25 Minuten ist man dann von Innsbruck in Franzensfeste, wo man auf der italienischen Seite des Brenners wieder Tageslicht sieht. Für den Personenverkehr bedeutet das einen enormen Zeitgewinn: Dreimal so schnell ist man dann durch den Berg, wie über die bestehende, 1860 erbauten Strecke, die mit ihren engen Kurven und teils steilen Steigungen sowohl für den Personen- als auch den Güterverkehr unattraktiv ist.
Der Brenner-Basistunnel war seit jeher ein Politikum zwischen Österreich und Italien. Vor 15 Jahren, am 30. April 2004, unterzeichneten die beiden ehemaligen Verkehrsminister Österreichs und Italiens, Hubert Gorbach und sein Amtskollege Pietro Lunardi, den Staatsvertrag zum Bau des Tunnels. Nähere Informationen zum Tunnelprojekt finden Sie hier.
Fast 10 Milliarden Euro Baukosten wurden für den Brenner-Basistunnel evaluiert, das entspricht 145 Millionen Euro pro gegrabenem Kilometer. Auch die eingesparte Zeit hat ihren Preis – pro Minute Fahrzeitersparnis fallen umgerechnet Kosten von 169 Millionen Euro an.
Da der Tunnel auf einer der wichtigsten europäischen Verkehrsachsen (zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer) liegt, wird sich die Europäische Union zu 40 Prozent an der Finanzierung beteiligen. Der Tunnel ist somit das derzeit höchstgeförderte Infrastrukturprojekt der EU. Die restlichen 60 Prozent teilen sich Österreich und Italien. Inklusive der tatsächlichen Finanzierungskosten könnte der Weltrekordtunnel noch wesentlich teurer werden als die derzeit kolportieren 9,3 Milliarden Euro.
Unter Finanzierungskosten versteht man sämtliche Kosten, die in Zusammenhang mit der Finanzierung eines gegebenen Kapitalbedarfs entstehen. Darunter fallen etwa auch zusätzliche Kosten, die durch Kredit- und Zinsrückzahlungsraten entstehen. „Jetzt genaue Prognosen über die tatsächlichen Finanzierungskosten zu treffen, wäre höchst unseriös“, sagt dazu Finanzexperte Stefan Bogner, Vorstand des Department für Finance an der WU Wien. Dafür gäbe es zu viele unbekannte Variablen. Nachsatz: „Bei Projekten dieser Größenordnung und einer so langen Bauzeit ist eine Verdoppelung der Kosten aber durchaus realistisch.“
Dass es wegen des Lkw-Verkehrs einen Leidensdruck seitens der Tiroler Bevölkerung gibt, bestreitet wohl niemand. 2,4 Millionen Lkw haben 2018 den Brenner passiert – ein neuer Rekord. Aber damit der Tunnel eine sinnvolle Investition wird, muss sich im Verkehrskorridor zwischen München und Verona ein großer Teil des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene verlagern.
Dass das funktioniert, darf allerdings bezweifelt werden, sagt Wolfram Groschopf , der zum Thema Nachhaltigkeit in Transport und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien forscht. Das habe zwei Gründe: zum einen fehlen in Italien und Deutschland (noch) die viergleisigen Zulaufstrecken für die Strecke München–Verona, deren Kernstück der Brenner-Basistunnel ist. Im bayerischen Rosenheim etwa gibt es 17 Bürgerinitiativen gegen den Brenner-Nordzulauf. Erst vor wenigen Tagen hat sich die Deutsche Bahn dort mit der Bevölkerung auf fünf mögliche Trassenverläufe geeinigt. Vor 2040 allerdings wird es keinen viergleisigen Zulauf aus Deutschland für den Brenner geben.
Auf italienischer Seite ist man diesbezüglich zwar schon etwas weiter, dort ist derzeit aber die Finanzierungsfrage prekär. Scharfe Kritik daran hat auch der Europäische Rechnungshof geäußert .
Auf den zweiten Grund, warum durch den Brenner-Basistunnel kaum eine Verkehrsverlagerung zu erwarten ist, weist Lothar Gamper hin. Der Jurist von der Universität Innsbruck hat den Brenner-Basistunnel für die Tiroler Umweltanwaltschaft vor zehn Jahren untersucht und sagt, dass sich ohne begleitende verkehrspolitische Maßnahmen kaum Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern werde. Gamper geht aber noch weiter:
„Würde man die richtigen politischen Maßnahmen setzen, dann würde sich der Verkehr von der Straße auf die bestehenden Schienen verlagern. Den Tunnel müsste man gar nicht bauen.“
Zu diesen Maßnahmen gehören Gamper zufolge ein striktes Nachtfahrverbot und eine höhere Lkw-Maut:
„Allerdings müssen dann auch die Österreicher so ehrlich sein und eingestehen, dass man mit billigem Diesel genauso viel zum massiven Umwegverkehr am Brenner beiträgt wie die Deutschen und die Italiener mit der niedrigen Maut.“
Dem stimmt sogar Franz Bauer zu. Allerdings lässt das Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur AG nicht gelten, dass es vor 2040 zu keiner Verlagerung kommen werde: „Sowohl auf deutscher als auch auf italienischer Seite wird es Zwischenlösungen geben, um die Kapazitäten auf den Zubringerstrecken zu erhöhen.“ Ein gleichzeitiger Ausbau aller Streckenteile sei auch betrieblich gar nicht möglich, weswegen man hier schrittweise vorgehen werde. Das habe sich auch beim Ausbau der Westbahnstrecke bewährt, erklärt Bauer weiter.
Unabhängig davon äußern sich Kritiker skeptisch über den geplanten Mischbetrieb von Personen- und Güterzügen. Während Personenzüge mit bis zu 250 km/h durch die Röhren fahren sollen, werden die bis zu zwei Kilometer langen Güterzüge deutlich langsamer den Tunnel durchqueren. Wegen der großen Geschwindigkeitsunterschiede würden wesentliche Teile der Streckenkapazität verloren gehen. In Wirklichkeit wisse man gar nicht, welche Gütermenge und wie viele Fahrgäste letztlich durch den Tunnel befördert werden sollen, meint Oskar Herics, der für den EU Rechnungshof das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz prüft . Die voraussichtlichen Fahrgastzahlen würden zudem maßgeblich davon abhängen, wie viele Menschen im erweiterten Einzugsraum der Bahnstrecke wohnen. „Auf der gesamten Strecke zwischen München und Verona liegen einfach zu wenige Ballungszentren, um die Kapazitäten für den Personenverkehr tatsächlich ausschöpfen zu können“, so Herics.
Auch im Osten Österreichs entstehen derzeit zwei der längsten Bahntunnel des Landes: der Semmering-Basis- und der Koralmtunnel. Sie sind die Kernstücke der neuen Südstrecke zwischen Wien und Klagenfurt. Auch wenn der Lkw-Schwerverkehr auf dieser Strecke längst nicht so ein großes Problem darstellt wie über den Brenner, soll sich auch hier der Güterverkehr großteils auf die Schiene verlagern. Besonders attraktiv soll die Strecke künftig für den Personenverkehr sein. Statt aktuell fast vier Stunden Fahrzeit sitzt man zwischen Wien und Klagenfurt nach Fertigstellung nur noch zwei Stunden und 40 Minuten im Zug. Vorbild ist laut ÖBB der Ausbau der Weststrecke zwischen Wien und Salzburg, wo die Bahn die Straße in Sachen Geschwindigkeit längst abgehängt hat. Ähnliches soll auch auf der Südstrecke gelingen.
Doch sowohl Semmering- als auch Koralmtunnel sind nicht unumstritten.
Semmering Basistunnel
Kein Bahntunnel hat in Österreich so sehr die Gemüter erregt wie der Semmering-Basistunnel. Die Gegner des Tunnels halten ihn für eine Verschwendung von Steuergeld, die Befürworter sehen ihn als nützlichen Teil der neuen Südstrecke von Wien über Graz nach Klagenfurt.
Wer heute mit der Bahn von Wien nach Graz fährt, tut das über die 165 Jahre alte Semmering-Bergstrecke. Diese gehört seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe, die Kurven und teils starken Steigungen lassen auf dieser Strecke nur niedrige Geschwindigkeiten zu. Vor allem für den Güterverkehr stellt die alte Semmeringbahn eine teure und nur mit Anstrengung überwindbare Hürde dar. Schwere Güterzüge müssen derzeit mitunter in mehrere Teile zerlegt werden, um den Pass überqueren zu können. Nicht die besten Voraussetzungen, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen.
Ändern soll das der neue Semmering-Basistunnel, durch den ab 2026 auch Güterzüge mit bis zu 1.600 Tonnen Gewicht rollen werden. Als Teil der Baltisch-Adriatischen Achse soll der Semmeringtunnel dann auch für den internationalen Güterverkehr attraktiv werden. So jedenfalls die Hoffnung von Bund, Ländern und: ÖBB.
Der Anwalt Andreas Manak, der im jahrelangen Rechtsstreit um den Tunnelbau dessen Gegner vertreten hat, sieht im Semmering-Basistunnel vor allem eines: „ein Prestigeprojekt der ÖBB“. Im Fall des Semmering-Tunnels gibt es tatsächlich mehrere Gutachten, die von völlig unterschiedlichen Verkehrsprognosen ausgehen. Jenes der ÖBB sagt große Wachstumszahlen beim Güterverkehr voraus: Bis 2055 soll der Schienengüterverkehr auf dieser Strecke um 156 Prozent wachsen. „Diese Prognosen basieren auf völlig falsche Zahlen“, sagt Manak. Dieser Überzeugung ist auch Verkehrsplaner Hermann Knoflacher: „Der Güterverkehr von den Adriahäfen läuft längst über die ungarische Tiefebene.“ Der Bau von Semmering- und Koralmtunnel würden nichts daran ändern.
Andreas Manak hat sich jahrelang für einen Baustopp beim Semmering-Basistunnel eingesetzt, zweimal mussten die Bauarbeiten bislang gerichtlich gestoppt werden. Erst seit November 2016 ist das Projekt rechtskräftig bewilligt. Gebaut wurde aber freilich schon zuvor, zeitweise auch ohne Bewilligung, „also illegal“, wie der 62-Jährige betont.
Ohnehin seien Justiz und Politik bei Bauvorhaben dieser Größe meist völlig überfordert und können sich in ihren Entscheidungen eigentlich nur auf Expertengutachten stützen, so Manak. Das Resultat sei „eine Vernichtung von Volksvermögen“.
Mehr als drei Milliarden Euro kosten die zwei 27 Kilometer langen Tunnelröhren. Zwar verkürzt sich dadurch die Fahrzeit für den Personenverkehr zwischen Gloggnitz auf der niederösterreichischen und Mürzzuschlag auf der steirischen Seite des Semmerings um etwa 30 Minuten, diese haben aber ihren Preis.
110 Millionen Euro kostet hier jede Fahrminute, die man sich durch den Tunnelbau erspart. Immerhin rücken mit dem Tunnel aber auch Wien und Graz näher aneinander – die Reisezeit soll auf weniger als zwei Stunden reduziert werden. Für ÖBB-Vorstandsmitglied Franz Bauer ein „Quantensprung für das öffentliche Verkehrsnetz“. Man erhoffe sich, dass auf dieser Strecke, ebenso wie auf der Westbahn zwischen Wien und Salzburg, viele Pendler auf den öffentlichen Verkehr umsteigen werden. Mit möglichen Fahrtgeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h fügt sich die Strecke zudem in das Hochleistungsnetz für den transeuropäischen Passagier- und Güterverkehr ein.
Lange hat der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll den Semmering-Basistunnel blockiert. 2005 haben die ÖBB mit der Planung des Projekts begonnen, am 30. Mai 2011 erteilte schließlich die damalige Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) die Baubewilligung für den Milliardentunnel. Am 25. April 2012 erfolgte der Spatenstich mit Doris Bures und den ehemaligen Landeshauptmännern Erwin Pröll (Niederösterreich) und Franz Voves (Steiermark).
Koralmtunnel
Die Koralpe erstreckt sich entlang der Landesgrenze zwischen Steiermark und Kärnten. Seit zehn Jahren wird nun durch das Gebirgsmassiv gebohrt. Bis zu 1,2 Kilometer unter der Oberfläche entsteht hier der Koralmtunnel. Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2025 soll er mit 32,9 Kilometern der sechstlängste Tunnel der Welt sein.
Damit ist er das Prunkstück der neuen Koralmbahn, die die südliche Steiermark und Kärnten besser miteinander verbinden wird. Nur noch 45 Minuten braucht man dann für die Strecke von Graz nach Klagenfurt mit dem Zug. Was für Pendler freilich eine angenehme Fahrzeitverkürzung bedeutet, kostet den Staat 5,4 Milliarden Euro – das sind 72 Millionen pro ersparter Fahrminute.
Die aktuell schnellste öffentliche Verbindung zwischen Graz und Klagenfurt ist eine zweistündige Busfahrt. Wer heute mit dem Zug von einer in die andere Landeshauptstadt fahren will, muss einen großen Bogen fahren und in Bruck an der Mur umsteigen. Fast drei Stunden muss man dafür einplanen.
„Inklusive Finanzierungskosten kostet der Koralmtunnel doppelt so viel wie der Ausbau des Panamakanals“, bemerkt Hermann Knoflacher, emeritierter Verkehrsprofessor von der TU Wien. „Das ist absurd. Der eine verbindet Atlantik und Pazifik miteinander, der andere Klagenfurt und Graz.“ Diese Kosten werden die Steuerzahler noch viele Jahrzehnte begleiten und sich Knoflachers Kalkulation zufolge betriebswirtschaftlicher Sicht auch langfristig nicht rentieren.
„Das müssen sie auch nicht“, sagt dazu ÖBB-Vorstandsmitglied Franz Bauer. „Projekte dieser Größenordnung muss man aus gesamt- und volkswirtschaftlicher Perspektive betrachten. Hierbei muss man auch den positiven langfristigen Effekt für den Umweltschutz und die Standortqualität Österreichs mitbedenken“. Er hält es für „durchaus legitim, dass zukünftige Generationen, die diese Investitionen noch lange nützen werden, auch ihren Beitrag dazu leisten“.
Laut ÖBB ist die Südstrecke ein wichtiges Teilstück des sogenannten baltisch-adriatischen Korridors, der die Ostsee im Norden Europas und die Adria im Süden miteinander verbindet. Ab 2026 rollen hier Züge auf 200 Kilometern modernisierter und 170 Kilometern Neubaustrecke.
In der Kommunikation nach außen bezeichnen sich die ÖBB als „führendes Klimaschutzunternehmen des Landes“. Bei den Tunnelprojekten erscheint die CO2-Bilanz jedoch weniger eindeutig. So kam das italienisches Forschungszentrum EURAC in einer Studie zum Schluss, dass die CO2-Bilanz des Brenner-Basistunnels nur positiv ist, wenn sich die Mehrheit des Güterverkehrs auf dieser Strecke auf die Schiene verlagert. Tritt diese Verlagerung nicht ein, urteilt EURAC, sei die CO2-Bilanz des Tunnels negativ. Die Wissenschaftler von EURAC haben nicht nur die Betriebsphase, sondern auch den Bau des Tunnels miteinberechnet. Am meisten CO2-Ausstoß verursacht demnach die Zementproduktion für den Tunnelbau.
Für den Semmering-Basistunnel und den Koralmtunnel gibt es keine vergleichbaren Studien, es ist aber eine ähnliche Ausgangslage anzunehmen.
Vonseiten der Politik erhofft man sich durch die Milliardeninvestitionen eine nachhaltige Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene . Sowohl im Personenverkehr als insbesondere auch im Güterverkehr wäre das wichtig, um diese Projekte langfristig rechtfertigen zu können.
Beim Brenner-Basistunnel trübt nicht nur die fehlende internationale Zusammenarbeit die Zuversicht, dass der Umstieg von der Straße auf die Schiene gelingen wird. Solange Diesel in Österreich steuerlich begünstigt wird und die Brenner-Autobahn somit die billigste Route über die Alpen darstellt, wird die Transportwirtschaft weiterhin diesen Weg wählen. Ohne begleitende politische Maßnahmen wird es auf dieser Strecke kaum gelingen, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Der Brenner-Basistunnel droht dann eine Milliardeninvestition mit vergleichsweise geringem Nutzen zu werden.
Bessere Erfolgsaussichten haben da noch der Semmering-Basistunnel und der Koralmtunnel. Die ÖBB erhoffen sich durch den Ausbau der Südstrecke für den Personenverkehr einen ähnlichen Erfolg wie bei der Weststrecke zwischen Wien und Salzburg. Angebot schaffe eben Nachfrage, so lautet das Credo.
Ob die astronomischen Wachstumsraten für den Schienengüterverkehr eintreten, die ein Gutachten im Auftrag der ÖBB prognostiziert, darf jedoch angezweifelt werden. Vor allem, weil diese Strecke keine bedeutende Achse für den Güterverkehr darstellt.