Freie Grabstelle“ – grün-weiße Schilder mit dieser Aufschrift stechen am St. Pöltner Friedhof aus der monotonen Granit- und Marmorlandschaft heraus. Wirklich frei sind sie aber nicht. Es sind nach wie vor Verstorbene dort begraben.
Aber: Die Hinterbliebenen haben die Gebühr für die Verlängerung nicht mehr an die Stadt überwiesen. 1.500 dieser Fälle, in denen die Gebühr nicht mehr leistbar ist oder sich niemand mehr verantwortlich fühlt, gibt es in St. Pölten. Die niederösterreichische Hauptstadt ist in Ostösterreich eine jener Gemeinden, in denen es am teuersten ist, tot zu sein. Manche zahlen bis zu 7.200 Euro für ihre letzte Ruhestätte in einer Gruft. Ein normales Familiengrab für vier Personen kommt auf 584 Euro – das ist doppelt so hoch wie das übliche Niveau auf Friedhöfen in Ostösterreich.
Für Gräber gilt wie für Immobilien: Größe und Lage zählen. Je mehr Verstorbene gemeinsam begraben werden sollen, desto teurer. Je exklusiver die Lage – etwa an der Wand oder am Gang – desto teurer. Mehr Prunk, mehr Gebühr. Während diese Differenzen nachvollziehbar sind, gilt das für Preisunterschiede für vergleichbare Grabstellen weniger.
So sind beispielsweise in der burgenländischen Gemeinde Loipersdorf-Kitzladen für ein Doppelgrab alle zehn Jahre 25 Euro zu bezahlen. In Wels sind es 1.171 Euro. Diese Daten kommen aus der ersten umfassenden Erhebung von Friedhofsgebühren in Ostösterreich. Addendum hat die Kosten für die Verlängerung von Grabstellen sowie für die Beerdigung auf rund 1.400 Friedhöfen erhoben, analysiert und visualisiert. Die Daten umfassen rund 1.200 Gemeinden in Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark, Wien und dem Burgenland. Erhoben wurden sie bei den verantwortlichen Gemeinden und Pfarren. Private Anbieter gibt es so gut wie keine. Warum diese umfassende Erhebung? Geht es um den Tod, dann ist die Preisfrage ein Tabu. Das geht zulasten der Hinterbliebenen. Wir haben deshalb die
im Detail recherchiert. Dabei musste wir Preisunterschiede bis zum Faktor 200 feststellen.
In dieser Visualisierung wird gezeigt, wie sich die Grabstellengebühren für ein zehnjähriges Nutzungsrecht für vier Grabarten verteilen: Doppelgräber, Erdgräber, Urnen und Grüfte. Herangezogen wird jeweils das günstigste verfügbare Grab der jeweiligen Kategorie auf jedem Friedhof. Jeder Punkt zeigt die Gebühren für einen Friedhof. Per Klick werden Zusatzinformationen für den jeweiligen Friedhof eingeblendet.
Abseits davon haben manche Gemeinden ganz eigene Wege beschritten: In Güttenbach sind Friedhofsgebühren kein Thema. Statt Kränze zu kaufen, spenden die Trauergäste bei einer Beerdigung eine kleine Summe für den Friedhof. Oder: In Moschendorf übernimmt die Gemeinde die Kosten. Generell ist die Grabverlängerung auf dem Land günstiger als in der Stadt.
Am teuersten sind Grabverlängerungen für Doppelgräber in Wels in Oberösterreich. 1.171 Euro sind alle zehn Jahre an die Stadtkasse zu zahlen. Örtliche Bestatter erklären die hohen Preise mit höheren Grundstückspreisen. Auch der Denkmalschutz spiele eine Rolle, geschützte Friedhöfe müssten mehr Geld für Sanierungen ausgeben. Zudem lassen sich auch immer weniger Menschen auf Friedhöfen begraben. Alternativen wie Natur- oder Wasserbestattungen werden beliebter, manche Angehörige behalten die Urne lieber zu Hause auf. Das müsse die örtliche Verwaltung mit höheren Gebühren kompensieren, heißt es auf Anfrage.
Neben den Kosten für die Dienstleistungen der Bestatter kommen auf Hinterbliebene beim Tod von Angehörigen auch Gebühren der Friedhofsverwaltung zu. Für das einmalige Öffnen und Schließen des Grabes und für das Herabsenken des Sarges beziehungsweise der Urne gibt es ebenso gravierende Unterschiede in der Verteilung der Gebührenhöhe.
Zu beachten ist, dass die angegebenen Kosten die Untergrenze sind. Es gibt eine Reihe von Zuschlägen, die in Rechnung gestellt werden. Ist der Boden gefroren? Findet die Beerdigung an einem Wochenende oder außerhalb der Dienstzeiten statt? Müssen bestehende Särge tiefer gelegt werden? Selbst ohne diese potenziellen Kostenfaktoren gibt es Preisspannen von 1.710 Euro für ein Grab auf dem Pfarrfriedhof Linz-St. Margarethen (Linz-Mitte) und Traun (ebenso in Oberösterreich) mit 24 Euro. Das wirft auch die Frage auf: Sind Pfarren als Friedhofsverwalter teurer als Gemeindeverwalter? Nach unseren Analysen ist das kein flächendeckendes Phänomen. In der Regel sind die Gebühren für Beisetzungen (und auch für Grabverlängerungen) von Pfarren niedriger als jene der Gemeinden.
Das gilt auch für Feuerbestattungen, die im christlichen Glauben ursprünglich abgelehnt wurden. Weder die Verlängerungsgebühren noch die Beerdigungsgebühren von Urnen sind bei Pfarrfriedhöfen teurer als bei Gemeinden. Eine Strafe in diesem Sinn geht also aus den Daten nicht hervor. Auf manchen Pfarrfriedhöfen sind aber schlicht keine Urnengräber vorgesehen.
Ein unterschätzter Faktor, der sich oft zur Kostenfalle auswächst, ist die Phase vor der letzten Ruhestätte: die Kühlung in einer Leichenkammer und das Aufbahren für die Hinterblieben. Wer sich beispielsweise für einen Abschied länger Zeit nimmt oder Zuschläge für Beerdigungen an Wochenenden vermeiden will, dem werden jeden Tag Gebühren dafür in Rechnung gestellt. Vor dem Begräbnis verbringt der Leichnam meist einen oder mehrere Tage in einer Aufbahrungshalle. Auch hier sind die Preisunterschiede eklatant und reichen von 25 Euro pro Tag bis zu 400 Euro.
Besonders in den Landeshauptstädten St. Pölten und Linz sind die Gebühren hoch. Am St. Pöltner Hauptfriedhof sind 404 Euro pro Tag an die Stadtkasse zu zahlen, am Linzer Barbara-Friedhof sind es sogar 481 Euro. Warum dieser Preis, der üblicherweise nur in einem 5-Sterne-Hotel anfallen würde? Die St. Pöltner Friedhofsverwaltung rechtfertigt den Preis mit der Größe und Ausstattung der Halle. Sie wurde erst vor einigen Jahren neu errichtet. Anders als bei den Gräbern gibt es hier allerdings keine günstige Alternative. Da eine Aufbahrungshalle zwar verpflichtend, für kleine Gemeinden aber eine teure Anschaffung ist, werden sie manchmal kreativ. In Obritzberg halfen Freiwillige und ortsansässige Firmen ehrenamtlich bei der Sanierung. Oder: In Schützen am Gebirge konnten sich Bürger bei der Errichtung mit Spenden beteiligen. Für sie kostet die Benutzung einmalig 40 Euro. Wer nicht gespendet hat oder seitdem zugezogen ist, bezahlt hingegen 570 Euro am ersten Tag.
Diese Gebührenerhöhung gibt es nicht nur bei der Aufbahrung. Viele Gemeinden verrechnen bei Anfragen von Auswärtigen – Sie ahnen es – einen Zuschlag. Damit ist der Wahlfreiheit für das Bestatten von Hinterbliebenen nicht nur aus emotionalen Gründe wie der Heimatverbundenheit ein weiterer Stein in den Weg gelegt.
Addendum hat im September und Oktober alle Verwalter von Friedhöfen in Niederösterreich, Oberösterreich, dem Burgenland und der Steiermark sowie Wien kontaktiert. Ziel war die Erhebung aller Friedhofsgebührenverordnungen bei Gemeinden und der Preislisten von Pfarren. Private Anbieter sind eine Seltenheit. Dafür haben wir tausende Telefonate geführt und E-Mails versendet. Im Anschluss haben wir die Rohdaten – soweit das möglich war – mit spezieller Texterkennungssoftware in ein maschinenlesbares Format konvertiert oder – wenn es nicht möglich war – händisch erfasst. Rund ein Drittel aller Gemeinden hat die vom Gemeinderat verabschiedete Friedhofsgebührenverordnung transparent auf seiner Website. Bei den Daten der Pfarrfriedhöfe haben uns die Diözese Linz und die Diözese Graz-Seckau eigene Auflistungen geliefert.
Welche Einschränkungen gelten bei der Beerdigungsgebühr?
Nicht alle Friedhöfe stellen eine Beerdigungsgebühr in Rechnung. In kleineren Gemeinden und bei den meisten Pfarrfriedhöfen werden diese Leistungen von den Bestattungsunternehmen übernommen. Die Gemeinden und Pfarren stellen dann lediglich eine Bearbeitungsgebühr in Rechnung.
Wie verhält es sich mit dem Zeiträumen für die Grabverlängerungsgebühren?
Bei Grüften wird die erste Gebühr auf einen Zeitraum von 30 Jahren verrechnet. Für eine bessere Vergleichbarkeit zu anderen Bestattungsarten sind sie in diesem Projekt auf 10 Jahre standardisiert.
Was ist bei den Gebühren für die Aufbahrung zu beachten?
Manche Gemeinden verrechnen keine tägliche Gebühr, sondern haben eine Staffelung der Preise. Zum Beispiel kostet die Aufbahrung ab dem dritten Tag weniger als an den ersten beiden Tagen. Mangels Vergleichbarkeit sind diese Fälle in der Grafik zur Verteilung der Kosten nicht enthalten.
Warum nur Ostösterreich?
Das war ausschließlich eine Frage der Ressourcen. Unsere Recherche wanderte von Osten nach Westen. In Tirol, Vorarlberg, Kärnten und Salzburg haben wir zwar Landesabteilungen kontaktiert, die Friedhofsgebührenverordnungen abnehmen, aber einer Veröffentlichung der Daten wurde zum Teil aus Ressourcen- oder technischen Gründen nicht zugestimmt. Die Diözesen der jeweiligen Länder konnten ebenso keine Übersicht zur Verfügung stellen. Ein Kontaktieren aller Pfarren und Gemeinden wäre nur mit einer zusätzlichen Recherchetruppe zu bewältigen gewesen.
Unsere Kooperationspartner bei dieser Recherche haben sich auf den Weg in Gemeinden und Bezirke gemacht, um sich vor Ort umzusehen. Hier ihre Berichte dazu: