aller kontaktierten Bestatter haben unsere Anfrage nach Preisen für zwei definierte Musterfälle einer Erd- bzw. Feuerbestattung entweder persönlich abgelehnt oder nicht auf E-Mails oder Anrufe reagiert.
Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. Die fünf Phasen der Trauer sind im Gespräch mit Bestattungsunternehmen immer präsent. Ruft man allerdings als Journalist an und erkundigt sich nach den Preisen für eine Erd- oder Feuerbestattung, dann hört man Sätze wie „Von mir erfahren Sie nichts“, „Suchen Sie sich einen anderen Job“, „Das ist unmöglich“. Dabei wollten wir nur wissen, mit welchen Kosten Hinterbliebene bei einem Trauerfall durchschnittlich rechnen müssen.
Dafür haben wir zwei Musterfälle mit genauen Angaben zum Leistungsumfang entworfen. Zusätzlich haben wir um die offizielle Preisliste gebeten (jedes Unternehmen muss eine Preisliste für typische Dienstleistungen im Geschäft aushängen). Erstaunlicherweise stießen wir dabei auf eine Mauer des Schweigens.
aller kontaktierten Bestatter haben unsere Anfrage nach Preisen für zwei definierte Musterfälle einer Erd- bzw. Feuerbestattung entweder persönlich abgelehnt oder nicht auf E-Mails oder Anrufe reagiert.
Von den 573 Bestattungsunternehmen haben nur zwanzig unsere Anfrage vollständig beantwortet. Das sind 3,5 Prozent. „Einen Preis gibt’s erst, wenn wirklich jemand gestorben ist“, hörten wir oftmals. Oder: „Das ist eine sinnlose Sache, bei der werde ich Sie auch nicht unterstützen.“ Manchmal wurde das Gespräch mitten im Satz beendet.
Nach Telefonaten mit 300 Bestattern haben wir die Recherche abgebrochen. Angebote für die vordefinierten Musterfälle sind nicht zu kriegen. Etwa hundert Bestatter haben die Beantwortung der Anfrage im Gespräch kategorisch abgelehnt. Etwa 125 versprachen einen Rückruf oder das Retournieren der Anfrage oder baten um die erneute Zusendung per E-Mail. Antworten sind nicht eingelangt. Von den angefragten Preislisten für typische Dienstleistungen haben wir drei bekommen. Sie müssen gemäß den Standesregeln in jedem Geschäftslokal aushängen. Online transparent abrufbar sollten sie nach Auffassung der Bestatter nicht sein.
Warum ist es so schwierig, Preise für eine Bestattung zu erfahren? Weil jede Bestattung ganz individuell sei, heißt es aus der Branche. „Das ist dasselbe, wie wenn ich beim Tischler anrufe und frage ,Wie viel kostet eine Küche?‘“, hörten wir beispielsweise. Das stimmt auch. Neben den Wünschen der Angehörigen sind die örtlichen Gegebenheiten für Preisschwankungen verantwortlich. Besitzt die Kirche eine Aufbahrungshalle? Wo kann der Leichnam in den Tagen bis zur Beerdigung gekühlt werden? Wie weit muss der Verstorbene gefahren werden? In Österreich gibt es fünfzehn Krematorien. Anfahrtswege von über einer Stunde sind in ländlichen Regionen keine Seltenheit. Das erhöht die Fahrtkosten. Liegt das nächste Krematorium in einem anderen Bundesland, fallen außerdem Überführungsgebühren an. Die neun verschiedenen Bestattungsgesetze sorgen für Mehraufwand.
Hinter der Auskunftsunwilligkeit steckt aber auch wirtschaftliches Kalkül. Transparente Preise würden nur unliebsame Konkurrenz anlocken, das sagen manche ganz offen. Die Kunden kommen auf Empfehlung – oder weil es keinen anderen Bestatter in der Umgebung gibt.
Auf dem Land ist Bestattung manchmal nur ein Nebenerwerb für die örtliche Tischlerei. Erst nach einem Aufnahmegespräch sind die Bestattungsunternehmen verpflichtet, unaufgefordert einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Diese Gespräche dauern in der Regel über eine Stunde. Mehrere Aufnahmegespräche sind für die Hinterbliebenen zeitlich kaum möglich – von der psychischen Belastung ganz zu schweigen. Und: Die Kostenfrage ist ein Tabu, weil es ja schließlich um den verstorbenen Angehörigen geht.
Die Intransparenz ist aber nicht nur von den Gebräuchen der Bestatter abhängig, sie hat System. Das zeigte sich beim jährlichen Landesinnungstag der niederösterreichischen Bestatter Anfang September. Eigentlich ging es um die Auswirkungen der neuen Datenschutz-Grundverordnung. Unter dem Punkt „Allfälliges” wurde es dann doch interessant. Bundesinnungsmeister Franz Nechansky kritisierte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die sich seit Jahren um mehr Transparenz in der Branche bemüht. Was unsere Recherche betrifft – wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits einige Bestatter in Niederösterreich kontaktiert – empfahl er, keine Auskünfte über Preise zu erteilen, berichteten unsere Quellen vor Ort.
Nechansky selbst widerspricht dieser Darstellung jedoch im Gespräch mit Addendum. Er drückt es nun folgendermaßen aus: „Was ich dort gemacht habe“, sagt er, „war nur, die Position und die Meinung der von mir geführten Bundesinnung darzustellen.“ Und ebendiese Bundesinnung habe eine klare Kommunikationsstrategie: „Wir kommunizieren proaktiv keine Preise.“
Als Gründe nennt er jene, die wir bereits von den Bestattern gehört haben. Mit derselben argumentativen Schwäche: Wir fragten nicht nach Pauschalpreisen für eine Bestattung, sondern legten – wenn man uns ließ – ganz konkrete Leistungsanforderungen für das Begräbnis vor.
Nechansky äußerte in diesem Zusammenhang auch einen Verdacht. „Die BWB und deren Chef gehen uns mit der Offenlegung von Preisen bereits seit mehreren Jahren auf die Nerven. Ich glaube, Ihr Medium hat sich für diese Sache nun einspannen lassen.“ Die Versicherung, dass Addendum sich von niemandem „einspannen“ lässt, überzeugte Nechansky nicht: „Ich weiß, dass es so ist.“
Wo der Wille zur Transparenz da ist, war die Sache weniger kompliziert. Nach einem kurzen Gespräch konnte man uns einen groben Preis (+/–250 Euro) nennen. Am günstigsten war das Angebot der Bestattung Steinbrunner. 1.700 Euro veranschlagte Helmut Steinbrunner für eine Erdbestattung. Bei der Bestattung Orchidee war es hingegen teurer. Eine Erdbestattung mit Grab am Zentralfriedhof kam auf 4.500 Euro.
Manche Bestatter geben auf ihren Websites Preisspannen oder Pauschalpreise für typische Bestattungen an. Beispielhaft ist die Bestattung Dobretsberger aus Oberösterreich. Sie bietet einen eigenen Bestattungskosten-Rechner an. Für unsere Musterbeispiele hatten wir in fünf Minuten einen Kostenvoranschlag.
Wie es gehen könnte, zeigt sich in Deutschland: Dort bietet bestattungsvergleich.de eine Übersicht für die gesamte Bundesrepublik. mymoria.de wäre ein zweites Beispiel. Bis Transparenz in diesem Maß auch in Österreich möglich ist, empfiehlt es sich für Angehörige, wenn möglich vor dem Todesfall Angebote persönlich einzuholen. Das zeigen die wenigen von uns erhaltenen Angebote mit gravierenden Preisunterschieden für die gleiche Anfrage.
Addendum hat Ende August alle Bestattungsunternehmen in Österreich schriftlich kontaktiert. Die Bitte: ein Angebot für zwei Musterfälle von Bestattungen und die Preisliste für typische Leistungen, die gemäß Standesregeln im Geschäft ausgehängt sein muss.
Anfrage im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich recherchiere für das Medium addendum.org (u.a. Reportagen für ServusTV) zu Bestattungen in Österreich. Speziell interessiere ich mich für die Preise von Bestattungsformen. Für unsere Leserinnen und Leser würden wir gerne eine Übersicht erstellen. Deshalb würden wir uns darüber freuen, wenn Sie uns bei dieser Recherche mit Ihrer Erfahrung unterstützen würden. Wir haben zwei Musterfälle vorbereitet (Erd- bzw. Feuerbestattung).
Über diesen Link sehen Sie Informationen über die beiden Fälle. Bitte übermitteln Sie uns darüber auch Ihre Angebote:
Bitte geben Sie jeweils an, welche Leistungen enthalten wären. Wenn Sie z.B. Feuerbestattungen nicht anbieten, dann überspringen Sie die Felder bitte. Da Ihr Unternehmen laut bestatter.at über mehrere Niederlassungen verfügt, wäre ich dafür dankbar, wenn Sie eventuelle örtliche Preisunterschiede bei den Angeboten erwähnen würden.
Wir möchten uns bei der Recherche auf die Eigenleistungen der Bestatter konzentrieren. Falls Sie Informationen über externe Leistungen trotzdem zur Verfügung stellen können, wären wir Ihnen sehr dankbar. Das betrifft beispielsweise die Höhe der Friedhofsgebühren, Kosten für die Friedhofshalle, Graböffnung/-schließung (wenn die Leistungen nicht von Ihnen selbst übernommen werden sollten). Urnentafel und Grabsteine sind nicht zu berücksichtigen (Ausnahme: Urnentafel in Grabgebühr enthalten).
Zusätzlich würden wir uns darüber freuen, wenn Sie uns Preisinformationen Ihrer Standardleistungen senden würden. Nach unseren Informationen ist in jedem Bestattungsinstitut eine Liste mit Preisinformationen über die üblichen Standardleistungen wie etwa eine Überführung oder Aufbahrung ausgehängt. Bitte senden Sie diese Liste ebenso an uns. Dafür gäbe es drei Möglichkeiten:
1. über das oben angeführte Formular
2. per Mail an [email protected] oder
3. per Whatsapp ein Foto an die Nummer [Nummer entfernt]
Bitte senden Sie uns die zwei Angebote für die Musterfälle über das Formular und Ihre Preisliste mit Standardleistungen bis Mittwoch, 5. September. Dann würden wir Ihr Unternehmen in unsere Berichterstattung aufnehmen.
Vielen Dank für Ihre Hilfe und Bemühungen im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
Gerald Gartner
Redakteur
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Es passierte: nichts. In einzelnen Fällen machten Bestattungsdienstleister ohne weitere Nachfragen ein Angebot – etwa das Bestattungsinstitut Löbersorg in Hollenstein/Ybbs in Niederösterreich. Antworten über das Formular waren eine Seltenheit. Im Anschluss haben wir 300 Bestatter telefonisch kontaktiert. Über diese Nachfragen erhielten wir zwanzig Angebote. Von den anderen etwa 550 Bestattungsunternehmen erhielten wir Absagen oder keine Reaktion.
Datenquelle für die Liste der Bestatter war das Portal http://bestatter.at
Unsere Kooperationspartner bei dieser Recherche haben sich auf den Weg in Gemeinden und Bezirke gemacht, um sich vor Ort umzusehen. Hier ihre Berichte dazu: