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Was das Bundesheer tut
31. Oktober 2017 Bundesheer Lesezeit 6 min
Manche Verteidigungsminister sprechen nicht gern über die Tätigkeiten des Bundesheers. Das Heer selbst ist da auskunftsfreudiger. Trotzdem wird es schwieriger, an Informationen heranzukommen, und einige Daten werden gar nicht erfasst. Warum eigentlich?
Dieser Artikel gehört zum Projekt Bundesheer und ist Teil 3 einer 20-teiligen Recherche.
Bild: Marco Rossi | Addendum

Wenn Verteidigungsminister nicht erzählen wollen, was das Bundesheer gerade so macht, verweisen sie gerne auf die Staatssicherheit. Das Bundesheer selbst geht mit Informationen eher offen um – warum auch nicht, seine Aufgaben sind ohnehin im Paragraph 2 des Wehrgesetzes eindeutig festgelegt:

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Dem Bundesheer obliegen
a) die militärische Landesverteidigung,
b) auch über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus der Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit und der demokratischen Freiheiten der Einwohner sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt,
c) die Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und
d) die Hilfeleistung im Ausland bei Maßnahmen der Friedenssicherung, der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe sowie der Such- und Rettungsdienste (Auslandseinsatz).

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Transparenz: Eine Frage der Politik

Obwohl das Bundesheer selbst relativ großzügig mit Informationen umgeht, verweigern manche Minister Antworten über das Heer. 2015 stellte beispielsweise Christoph Hagen, damals Mandatar des Team Stronach, eine Reihe schriftlicher Anfragen, um den Personalstand des Bundesheers in den einzelnen Bundesländern zu erfragen. Die Antwort des damaligen Verteidigungsministers Gerald Klug war wenig aufschlussreich:

„Im Hinblick darauf, dass eine Beantwortung dieser Fragen, insbesondere in Zusammenschau der ähnlich lautenden Anfragen Nr. 4449/J bis Nr. 4456/J, detaillierte Rückschlüsse auf das Personal und damit auf einsatzrelevante Grundlagen des Bundesheeres zulassen würde, ersuche ich um Verständnis, dass eine Beantwortung aus Gründen der Geheimhaltung im Interesse der umfassenden Landesverteidigung (Art. 20 Abs. 3 B-VG) nicht möglich ist.“

Auch die Weißbücher waren auf Wunsch von Verteidigungsminister Norbert Darabos abgeschafft worden, im Bundesheer bezeichnet man das als politische Entscheidung. Gerald Klug blieb bei dieser Strategie, eventuell auch, weil das Bundesheer unter diesen beiden Ministern den größten Einsparungsdruck hatte. Unter Hans Peter Doskozil scheint sich das gebessert zu haben. Ob und wie die Öffentlichkeit unter der neuen Regierung Einblick in die Tätigkeiten des Bundesheers bekommen wird, ist damit gänzlich eine Frage der Politik. Das Bundesheer selbst legt nur in Bezug auf ausgewählte Aufgaben – wie etwa Cybersecurity und Nachrichtendienst – großen Wert auf Geheimhaltung, fast alles andere ist ein öffentliches Geheimnis.

Das Bundesheer kümmert sich also um Verteidigung, Innere Sicherheit, Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze zur Friedenssicherung.

Ein öffentliches Staatsgeheimnis

Das letzte Mal hat das Bundesheer im Oktober 2015 einen Leistungsbericht mit genauer Aufschlüsselung seiner Tätigkeiten veröffentlicht. Damals wurde der Personalstand per 1. Dezember 2014 mit 10.619 Militärpersonen, 7.947 Personen im Grundwehr- und Ausbildungsdienst und 13.581 Zivilbediensteten und Lehrlingen beziffert. Dieser Leistungsbericht ist bis heute der letzte, der erstellt wurde. Davor wurden alle zwei Jahre sogenannte Weißbücher veröffentlicht, sie gaben umfassende Einblicke in die Heeresorganisation. Informationen über den aktuellen Personenstand, die Einsatzbilanz und eine Auflistung und Erklärung der gültigen Sicherheitsstrategien waren bis dahin üblich. Der Umfang der Weißbücher hatte im Lauf der Zeit abgenommen, korrespondierend mit der sinkenden Zahl der Mitarbeiter, von denen sie in der Abteilung Wehrpolitik erstellt wurden.

Das erste Weißbuch aus dem Jahr 2004 hatte noch 310 Seiten, das letzte im Jahr 2012 nur noch 140. Mittlerweile veröffentlicht das Bundesheer seine Einsatzbilanz nur noch als Sonderausgabe seines Magazins Truppendienst. Da finden sich Informationen über Assistenz- und Katastrophenschutzeinsätze, allerdings nur nach Personentagen oder Arbeitsstunden aufgeschlüsselt. Wie viele Soldaten über welchen Zeitraum wo welchen Dienst geleistet haben, wird nicht erfasst, genauso wenig wie die Anzahl der Tage, an denen Milizsoldaten im Einsatz waren. Immerhin geht aus den jüngsten Informationen hervor, dass es aktuell 16.119 Militärbedienstete (davon 519 Frauen) gibt, rund 18.000 Grundwehrdiener pro Jahr sowie 25.000 Milizsoldaten.

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Norbert Darabos
Verteidigungsminister von 11.1.2007 bis 11.3.2013
Darabos setzte beim Bundesheer einen rigorosen Sparkurs durch, ihm wurde mehrmals vorgeworfen, er wolle das Bundesheer „kaputtsparen“. Darabos wurde außerdem oft für den Abschluss des sogenannten Eurofighter-Vergleichs kritisiert.
Gerald Klug
Verteidigungsminister von 11.3.2013 bis 26.1.2016
Klug musste in seiner Amtszeit den Sparkurs seines Vorgängers weiterführen und wurde dafür oft kritisiert. Er verhandelte die Wehrdienstreform und ließ mehrere Kasernen schließen. Die von ihm erhoffte Trendwende im Heeresbudget durfte er nicht mehr genießen.
Hans Peter Doskozil
Verteidigungsminister seit 26.1.2016
Doskozil machte sich gleich zu seinem Amtsantritt einen Ruf als „Retter der Militärkapellen“. Aufgrund der Flüchtlingskrise und der veränderten Bedrohungsszenarien erhöhte sich das Budget des Bundesheers seit seinem Amtsantritt kontinuierlich, er investierte damit in den Ausrüstungsstand des Bundesheers.

Die Haupttätigkeiten kann ein ehemaliger Brigadier aber kurz zusammenfassen:

Das Bundesheer bildet aus und wartet auf einen Assistenzeinsatz.

Die Bandbreite von Assistenzeinsätzen reicht von der Unterstützung an der Grenze über die Bewachung von Botschaften bis zur Hilfe nach Katastrophen. Zusätzlich gibt es noch Unterstützungsleistungen, wie etwa beim Grand Prix der Formel 1, oder den Einsatzbereich des Entminungsdienstes. Und das Bundesheer ist neben der Ausbildung und der Vorbereitung auch für nachrichtendienstliche Tätigkeiten, Aufklärungsmissionen und Auslandseinsätze zur politischen Stabilisierung Österreichs verantwortlich. Letztere sind die Auslandseinsätze, mit denen in nahen Regionen wie etwa auf dem Balkan für Sicherheit gesorgt wird, um Gefahren für Österreich abzuwehren.

Internationales Aushängeschild

Die Auslandseinsätze sind auch wichtig für die Reputation des Bundesheers. Sie sind Diskussionsthema in Online-Foren, wobei Geschichten über spannende Einsätze oder die Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen, die Debatte in diesen Foren dominieren. Diese Einsätze tragen zur Attraktivität des Heers als Dienstgeber bei. Im September 2017 nahmen 1.032 Soldaten an Auslandseinsätzen teil. Ein Großteil dieser Soldaten befindet sich im Kosovo oder in Bosnien, das drittgrößte Kontingent mit 180 Soldaten ist bei der UNO-Peacekeeping Mission UNIFIL im Libanon im Einsatz. Noch vor dreißig Jahren waren die UNO-Einsätze die wichtigsten und größten Auslandseinsätze für österreichische Soldaten, heute sind das die NATO-joint Mission KFOR im Kosovo und die EU-Mission Althea in Bosnien. Diese Verlagerung hat während des vergangenen Jahrzehnts stattgefunden und ist eine Konsequenz aus dem EU-Beitritt und der Entscheidung, an NATO-Missionen teilzunehmen. Das österreichische Bundesheer spielt bei diesen Missionen eine Schlüsselrolle: Derzeit stellt Österreich in Bosnien den größten Anteil der Truppen, seit 2009 waren alle Kommandanten der Mission Österreicher. Im Kosovo sind mit 436 Soldaten die meisten der Österreicher im Auslandseinsatz stationiert, noch einmal mehr als in Bosnien. Auch dort ist der Kommandant ein Österreicher.

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Im Dienst der Inneren Sicherheit

Über die Aufgaben des Bundesheers im Land wird auch gerne im Parlament gesprochen, besonders die Kostenfrage interessiert dort viele. Im Zuge der Flüchtlingskrise übernahm das Bundesheer im Herbst 2015 etwa die Versorgung von Flüchtlingen und stellte bis Mai 2016 708.000 Tagesrationen zur Verfügung. Bis Oktober 2015 kostete das laut parlamentarischer Anfragebeantwortung 1,5 Millionen Euro. Um diese Menge an Essen bereitstellen zu können, waren die Mitarbeiter der Küchen nach Auskunft Beteiligter 24 Stunden am Tag im Dienst. Nicht jeder Assistenzeinsatz erfordert so viele Überstunden, aber Verstärkung ist auch in anderen Fällen nötig. Für die Bewachung von rund 20 Botschaften und Vertretungen in Wien sind pro Tag durchschnittlich 115 Soldaten im Einsatz, rund die Hälfte davon aus der Miliz. Für das Innenministerium ist das ein gutes Geschäft: Es zahlte das Gehalt der Polizisten, die die Botschaften bis zum Assistenzeinsatz bewachten, jetzt kommt das Verteidigungsministerium für die Kosten der Bewachung auf. Laut Hans Peter Doskozil sind das 126 Euro pro Soldat und Einsatztag, rund 5,3 Millionen Euro im Jahr. Dass rund die Hälfte der Soldaten aus der Miliz kommt, liegt laut Leistungsbericht daran, dass immer für eine passende Verteilung zwischen Rahmeneinheiten mit Grundwehrdienern, Kaderpräsenzeinheiten und Kadereingreifkräften gesorgt werden muss.

Fokus Ausbildung

Für Grundwehrdiener und Kadereinheiten geht es allerdings besonders um die Ausbildung. Da der Grundwehrdienst sechs Monate dauert, wird ein Großteil der Zeit für Ausbildungszwecke genutzt, Quellen zufolge sind viele nur eineinhalb bis zwei Monate im Einsatz. Beim Bundesheer selbst werden Ausbildung und Einsatz allerdings als ein fortlaufender Prozess gesehen, eine Trennung dieser beiden Aspekte sei rein rechnerisch gar nicht möglich. Wie viel Zeit Grundwehrdiener aktiv im Einsatz verbringen oder ob sie doch sechs Monate lang nur an Ausbildungsmodulen teilnehmen, kann gar nicht gesagt werden. Allerdings gehören Weiterbildungen und Trainingseinheiten auch bei allen anderen Militärpersonen zum Alltag. Also bei Soldaten, Piloten, Offizieren – allen, die hauptberuflich für das Bundesheer arbeiten. Das ist nötig, weil das Bundesheer je nach Situation innerhalb von 24 Stunden tausend Soldaten zur Katastrophenhilfe mobilisieren können muss.

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Einnahmequelle Ausbildung

Soldaten trainieren einerseits in ihren eigenen Einheiten in Österreich, andererseits im Ausland. So trainiert das Jagdkommando auf Kreta, wie man Schlepper und Schmuggler auf Schiffen aufspürt; die ABC-Einheit übt in Kanada mit biologischen, chemischen und radioaktiven Wirkstoffen, und ein österreichischer Panzerzug gewann die „Strong Europe Tank Challenge“. Alles, damit im Ernstfall schnell mobilisiert werden kann.

Die Stärke des österreichischen Bundesheers in der Ausbildung dient aber nicht nur dem Selbsterhalt. In den 1990ern wurde begonnen, eigene Kernkompetenzen zu nutzen und weiterzugeben. Seitdem trainieren regelmäßig Truppen anderer Staaten in Österreich. Das Jagdkommando ist dabei ein besonders beliebter Ausbilder, beispielsweise hat die deutsche Bundeswehr eine offizielle Kooperation für die Gebirgskampfausbildung. Diese Ausbildungen und die Vermietung von Truppenplätzen dienen der internationalen Kooperation; sie stärken die Zusammenarbeit zwischen den Ländern im Rahmen der EU-Battle-Groups  und der Partnership for Peace. Truppen anderer Länder trainieren in Österreich, und österreichische Truppen fahren zu Ausbildungszwecken regelmäßig ins Ausland.

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Ernstfall ohne Krieg

Am stärksten im Bewusstsein der Bevölkerung sind aber wohl die Assistenzeinsätze zur Katastrophenhilfe. Wie viele Einsätze es konkret im Jahr 2016 gab, wird nicht erfasst, allerdings waren es insgesamt 4.738 Personentage für 516 Soldaten, etwas mehr als zehn Prozent davon wurden von Milizsoldaten geleistet. Klassische Katastrophen, bei denen das Bundesheer zum Einsatz kommt, sind Lawinen, Waldbrände, Hochwässer oder Murenabgänge: Bereiche, mit denen das Bundesheer wirbt und in denen es auch engen Kontakt zur Bevölkerung gibt. Kein Grund zur Geheimhaltung also. 

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