Es soll so bleiben, wie es ist. Im Jänner 2013 wurde mit 59,7 Prozent der abgegebenen Stimmen für eine „Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes“ gestimmt. Begründet wurde diese Volksbefragung mit den veränderten globalen Rahmenbedingungen: Das Bundesheer hat heute viele und weitreichende Aufgaben. Unter anderem soll es
Wie es das am besten bewerkstelligt werden kann, ist bis heute unklar. Kritiker bemängeln die unklare Ausrichtung des österreichischen Bundesheers, gepaart mit seiner Unterfinanzierung. Daher nehme es auch keine seiner Aufgaben so wahr, wie es das idealerweise tun sollte.
Die Wehrpflicht geht auf die napoleonischen Kriege und die sogenannte levée en masse („Massenaushebung“) zurück. Sie war einer der Gründe für Napoleons militärische Erfolge, Frankreich überrollte seine Gegner regelrecht. Nach und nach zogen die übrigen europäischen Staaten nach und führten ihrerseits unterschiedlich weitgehende Formen der Wehrpflicht ein – ein Zeitalter der Massenheere, das letzten Endes mit den beiden Weltkriegen seinen traurigen Höhepunkt erreichen sollte.
Seitdem hat sich das Bedrohungsszenario in Europa stark gewandelt. Ein konventioneller Angriff auf Österreich gilt heute als höchst unwahrscheinlich, wir sind von friedlichen Nachbarn umgeben. Selbst global gesehen stellen zwischenstaatliche Kriege die Ausnahme dar. Laut dem Heidelberger Institut für Konfliktforschung gab es 2016 keinen einzigen konventionellen und lediglich einen „begrenzten Krieg“ zwischen zwei Staaten (den Konflikt zwischen Indien und Pakistan). Die meisten Kriege wurden innerhalb von Staaten geführt, außerdem gab es drei „substaatliche“ Kriege, vier weitere gelten wiederum als „transstaatlich“. Von einem transstaatlichen Krieg spricht man, wenn mindestens zwei Staaten und darüber hinaus andere Akteure beteiligt sind (so etwa beim Kampf gegen den „Islamischen Staat“.)
Substaatliche Kriege werden ausschließlich zwischen nichtstaatlichen Gruppen geführt (ein Beispiel wäre der Krieg im Südsudan).
Die Wehrpflicht gründet sich heute also nicht auf die Bedrohung durch die Massenheere anderer Staaten. Befürworter der Wehrpflicht haben sie als „Dienst an der Gemeinschaft“ und mit der Katastrophenhilfe verteidigt. Kritiker wie Peter Pilz haben damals wiederum angemerkt, dass der Großteil der Rekruten weitaus weniger sinnvollen Beschäftigungen nachgeht.
Davon abgesehen bleibt die Frage, ob das Bundesheer überhaupt beim Katastrophenschutz oder auch beim Grenzschutz aktiv werden sollte. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München verweist auf die eigentliche Hauptaufgabe der Armee, die militärische Landesverteidigung. Darüber hinaus solle das Bundesheer unterstützen, aber nicht selbst als Institution in den Vordergrund treten. Solche Unterstützungshandlungen sollten außerdem die Ausnahme bleiben: Nicht jede Lawine gelte als hinreichend große Naturkatastrophe, um das Bundesheer auf den Plan zu rufen.
Auch der Grenzschutz sei eigentlich eine Angelegenheit der Polizei, in einem europäischen Binnenland falle er nicht unter die militärische Landesverteidigung. Masala kritisiert einen derartigen Einsatz des Militärs in Österreich und anderen Ländern als Missbrauch, „um Lücken zu füllen, die gerissen wurden, weil in anderen Bereichen in den vergangenen Jahren nicht genug investiert wurde“. Soldaten seien schließlich keine Polizisten, sie hätten ein anderes Selbstverständnis und seien außerdem für den Grenzschutz nicht ausreichend ausgestattet und ausgebildet. Hier sieht Masala einen großen Fehler der Politik.
Auch wenn es vielen nicht bewusst gewesen sein dürfte: Österreich hat 2013 eigentlich über die zukünftige Ausrichtung seiner Militärpolitik abgestimmt. Die Teilnahme an Auslandseinsätzen verlangt gut ausgebildete Soldaten und eine entsprechende Ausrüstung. Das verträgt sich nicht mit der Beibehaltung der Wehrpflicht, vor allem angesichts der budgetären Rahmenbedingungen. Das Bundesheer geht daher einen Mittelweg: Einerseits tragen die Reformen der letzten Jahre Züge einer (reinen) Berufsarmee mit entsprechender professioneller Ausbildung. Für die Grundwehrdiener bleibt dabei nicht mehr viel übrig. Im Bundesheer ist, um es mit Carlo Masala zu sagen, gewissermaßen eine „Zweiklassengesellschaft“ geschaffen worden.