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Die drei Burgtheater-Skandale
Viereinhalb Jahre nach dem sogenannten Burgtheater-Skandal und der Entlassung des Direktors Matthias Hartmann beenden das Burgtheater und der Hartmann ihren Rechtsstreit. Addendum hat den Fall aufgearbeitet. Die Rolle von Matthias Hartmann und die der anderen Protagonisten erscheinen nun in einem anderen Licht.
Das Projekt Burgtheater ist eine 2-teilige Recherche.

Viereinhalb Jahre lang verstand die österreichische Öffentlichkeit, subtil und effizient gesteuert von Politik, Bundestheaterholding und Burgtheater-Anwälten unter dem „Burgtheater-Skandal“ ungefähr das Folgende:

Direktor Matthias Hartmann wurde im März 2014 vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer fristlos entlassen, weil er erstens als künstlerischer Direktor viel zu viel Geld für viel zu viele und viel zu aufwendige Produktionen ausgegeben habe und zweitens als Co-Geschäftsführer nicht erkannt habe, dass Silvia Stantejsky, seine langjährige kaufmännische Partnerin in der Burgtheater-Geschäftsführung, in ihrem Bereich auf vermutlich strafrechtlich relevante Weise dilettiert hatte.

So begründete jedenfalls Josef Ostermayer die Entlassung. Vor Gericht.

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Mittlerweile haben sich die Vorwürfe massiv relativiert, weil Stantejsky von niemandem wirklich überwacht wurde, aber mit Hinweis auf – gemessen an den aufzuklärenden Sachverhalten absurd lange – laufende strafrechtliche Ermittlungen konnten viele Beteiligte so tun, als wüssten sie von nichts.

Mit heutigem Wissen?

Viereinhalb Jahre später ist offiziell, was angesichts der Faktenlage immer klar war: Hartmann hat sich keiner strafrechtlichen Verfehlungen schuldig gemacht, die Entlassung hätte man so eigentlich nicht aussprechen dürfen. Im Statement, das den arbeitsrechtlichen Vergleich zwischen dem Burgtheater und seinem ehemaligen Direktor begleitet, heißt es elegant, dass man mit heutigem Wissen damals anders gehandelt hätte. Eigentlich eine ziemliche Chuzpe: Die entscheidenden Akteure hatten damals selbstverständlich den gleichen Wissensstand, den sie heute haben. Sie wussten vor allem, dass die Burgtheater-Bilanzen von Beginn an das Papier nicht wert waren, auf dem sie publiziert wurden.

Sowohl der damals amtierende Kulturminister Josef Ostermayer (er ist heute Vorstandschef der Sozialbau AG) als auch der damals amtierende Bundestheatergeneral Georg Springer (er durfte sich wohlbestallt in die Pension zurückziehen) und die Aufsichtsräte (die machten sich still und heimlich vom Acker) wussten nur zu gut, was das Problem war: Mit dem Bundestheatergesetz des Jahres 1998 wurden Burgtheater, Staatsoper, Volksoper und Theaterwerkstätten (Art for Art) selbstständige, vom Bund finanzierte Unternehmen. Allerdings vergaß man darauf, den Unternehmen die Abgeltung der Kostensteigerungen (Inflation und Tariferhöhungen im Personalbereich) zuzusagen. Im Schnitt handelt es sich dabei um Kostensteigerungen von jährlich drei Prozent.

Bilanzkreativität

Zu Beginn konnte man den dadurch vergrößerten Abgang aus Reserven abdecken, bald aber konnte man die „schwarze Null“, an welcher der Politik sehr gelegen war, nur mit erhöhter Kreativität im Finanzbereich erreichen. Technisch nennt man den gewählten Trick „Aktivierung“, das bedeutet, dass man Bühnenbilder und sogar künstlerische Leistungen wie Regie als Wert in die Bilanz nimmt. Das ist weltweit eher unüblich, weil Bühnenbilder und Regieabgeltungen sinnvoller als Sachaufwand verbucht werden. Im Reich der Bundestheater wurde auf Druck von Georg Springer, der seinerseits auf die Einhaltung vager politischer Zusagen auf zusätzliche Mittel zur Abdeckung angelaufener Verluste zu hoffen schien, der Abschreibungszeitraum sogar auf absurde fünf Jahre ausgeweitet.

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Alles Dinge übrigens, die man dem ab 2009 amtierenden künstlerischen Direktor Matthias Hartmann nicht nur nicht zuschreiben kann, sondern die er – im Gegenteil – gemeinsam mit einem deutschen Berater und dem damals neuen Wirtschaftsprüfer des Burgtheaters erst aufdeckte.

Einer musste Bescheid wissen

Besonders gut Bescheid wissen musste über all das hingegen Josef Ostermayers Nachfolger als Kulturminister und heutige Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Thomas Drozda. Drozda hat nicht nur das Ausgliederungsgesetz geschrieben, sondern in den 2000er Jahren bis zu seinem Wechsel in die Vereinigten Bühnen Wien (2008)  auch als kaufmännischer Direktor des Burgtheaters fungiert. Drozda ging so weit, sich darüber zu beklagen, dass nach seiner Zeit, also unter Hartmann, mehr als 20 Millionen Euro an Burgtheater-Vermögen vernichtet worden seien, er selbst habe noch Reserven in Millionenhöhe hinterlassen.

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Späte Korrektur

Als früherer kaufmännischer Direktor müsste Drozda eigentlich wissen, dass sich diese Behauptung nur aufrechterhalten lässt, wenn man die seinerzeitigen Bilanzen unkorrigiert übernimmt, wie das der Rechnungshof in seinem Bericht getan hat, auf den sich Drozda gern beruft. Diese Bilanzen waren allerdings aus mehreren Gründen nicht korrekt, vor allem wegen der systematischen Steuer- und Abgabenverkürzungen, zu denen es bereits in der kaufmännischen Direktion von Drozda gekommen war, und der Aktivierungs-Tricks. Nachdem all das ans Licht gekommen war, mussten in der Bilanz 2014 Rückstellungen gebildet werden.

Nimmt man den Gesamtschaden, der so seit der Ausgliederung des Burgtheaters entstanden ist, mit 20 Millionen Euro an, so ist etwa die Hälfte davon direkt der Ära des kaufmännischen Direktors Drozda zuzurechnen, die andere Hälfte der Zeit danach.

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Dass über die wirklichen Gründe für die finanziellen Probleme des Burgtheaters nie gesprochen wurde, dass man stattdessen versuchte, durch die Entlassung des künstlerischen Direktors so zu tun, als habe es da ein Problem mit zu teuren Inszenierungen und zu hohen Gagen für den Direktor-Regisseur gegeben, dass man jahrelang dafür sorgen konnte, dass alles in der Schwebe blieb, um dann, so hoffte man wohl, irgendwann in Vergessenheit zu geraten: Das ist der Burgtheater-Skandal.

Skandal in drei Akten

Dass man den Architekten der Ausgliederung, späteren kaufmännischen Direktor und nachmaligen Kulturminister nie vor den Vorhang gebeten hat und ihm seine lapidaren Hinweise auf seine Unzuständigkeit – als kaufmännischer Direktor! – für seine Prokuristin durchgehen ließ, während man den späteren künstlerischen Direktor wegen mangelhafter Aufsicht über die kaufmännische Direktorin fristlos entließ; dass man den Bundestheater-General, der aufgrund der Geschäftsordnung so etwas wie der eigentliche kaufmännische Regisseur war, das Unschulds- und Opferlamm spielen ließ; dass man die Aufsichtsräte, die sich gern als gütige Kulturonkel darstellten und darstellen, nie an ihre Verantwortung erinnert hat; dass man das parteipolitische Herumfuhrwerken im Verfahrensverlauf großzügig ignorierte: Das ist der eigentliche Burgtheaterskandal.

Er hat mindestens drei Akte, und er ist noch nicht zu Ende.  

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Hinweis: Matthias Hartmann arbeitet als Creative Director im Red Bull Media House, das zum Konzern von Dietrich Mateschitz gehört. Dietrich Mateschitz hat 2017 die gemeinnützige Quo Vadis Veritas Privatstiftung ins Leben gerufen. Addendum ist ein Produkt der Quo Vadis Veritas Privatstiftung.

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