Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz, das Vorbild für das österreichische BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) sein sollte, ist keine Polizeibehörde. Die Trennung von Polizei und Geheimdienst ist im Nachkriegsdeutschland tief verwurzelt und geht auf den sogenannten „Polizeibrief“ der alliierten Militärgouverneure von 1949 zurück.
Der deutschen Bundesregierung wurde darin unter anderem „gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten“. Und weiter: „Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben.“ Man will dadurch die Bildung einer Behörde mit den Kompetenzen der Gestapo verhindern.
In Österreich gibt es ein solches Verbot nicht. Das liegt einerseits daran, dass die Staatspolizei 1945 relativ rasch gegründet wurde. Andererseits hatte besonders eine Besatzungsmacht ein Interesse an der Tätigkeit der Stapo: die Sowjetunion.
Noch 1945 traten etwa 1.500 KPÖ-Mitglieder in die Polizei ein, ein Gutteil als Kriminalbeamte oder Staatspolizisten. Die neuen Staatsdiener entzogen sich allerdings der Kontrolle des Innenministeriums. Die Absetzung von Beamten, die Weisungen nicht einhalten, wurde von den Sowjets blockiert.
Der Staatsschutz, ein Nachrichtendienst mit Polizeigewalt, galt als verlängerter Arm der Russen. Erst Innenminister Oskar Helmer gelang es, die Stapo nach und nach wieder unter Kontrolle zu bringen. Ihr Leiter, der KPÖ-Funktionär Heinrich Dürmayer, wurde nach Salzburg versetzt. Die Staatspolizei blieb was sie war: ein Hybrid aus Nachrichten- und Polizeidienst.
Im Kalten Krieg wurde die Stapo vom tschechoslowakischen Geheimdienst ebenso unterwandert wie von der Stasi. Zur Hochzeit ausländischer Spionagetätigkeiten in Österreich sollen 250 Staatspolizisten 5.000 fremden Agenten gegenübergestanden haben.
Daneben betrieb das Heeresnachrichtenamt (HNaA), neben dem Abwehramt (AA), einer der beiden militärischen Nachrichtendienste, regen Austausch mit dem Westen. Unter anderem belauschte man, unter eigenwilliger Interpretation der Neutralität, für die Amerikaner von der Königswarte aus den Ostblock.
Die Tatsache, dass die Unterhaltung eines geheimen Nachrichtendienstes hierzulande nur dann strafbar ist, wenn er sich gegen Österreich richtet, sorgte lange Zeit für eine gewisse Makler-Rolle der heimischen Dienste. Mit dem Ende dieser Epoche zeigen sie sich, so der Sicherheitsforscher Thomas Riegler, bis heute überfordert. Stagnierende Personalzahlen tragen das Ihrige zur Qualität bei. Riegler fordert deshalb eine umfassende Reform des Staatsschutzes.
Österreich verfügt mit dem Heeresnachrichtenamt (HNaA) und dem Abwehramt (AA) über zwei militärische Nachrichtendienste, von denen ersterer für die Nachrichtenbeschaffung im Ausland zuständig ist und Letzterer gern als „Werkschutz des Bundesheeres“ bezeichnet wird. Daneben besteht mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine Staatsschutzbehörde mit nachrichtendienstlichen Aufgaben.
Zum Unterschied von Geheim- und Nachrichtendiensten:
Geheimdienste führen mitunter verdeckte Operationen durch und setzen Zwangsgewalt im Ausland. Sie greifen in die Hoheitsrechte fremder Staaten ein. Nachrichtendienste hingegen sammeln und bewerten Informationen für politische Entscheidungsträger und zur Abwehr von Gefahren.
Das Ende der Stapo kam mit einer Reform der ersten schwarz-blauen Koalition. Sie wurde mit der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) und dem staatspolizeilichen Dienst zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) verschmolzen. Das BVT ist Teil der Sektion II: Generaldirektion für die Öffentliche Sicherheit (GDföS) des Bundesministeriums für Inneres. Hinzu kommen neun Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), die jedoch organisatorisch den jeweiligen Landespolizeidirektionen – und damit Sicherheitsbehörden – zugeordnet sind.
Eine ähnliche Konstruktion findet sich beim Bundeskriminalamt. Auch dort bestehen Landeskriminalämter inklusive Außenstellen, die organisatorisch den einzelnen Landespolizeidirektionen zugehörig sind, und die das Bundeskriminalamt als Zentralstelle in Österreich unterstützt.
Schlussendlich entsteht eine Staatspolizei mit erweiterten Kompetenzen, ein Verfassungsschutz nach deutschem Vorbild wird das BVT nicht.
Dieses dient als reiner Nachrichtendienst nur der Gefahrenerforschung. „Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz“ laut Gesetz nicht zu. Es „darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist“.
Der deutsche Verfassungsschutz kann den Strafverfolgungsbehörden zwar Daten übermitteln, kann davon aber auch Abstand nehmen, wenn „überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern“. Das österreichische BVT ist hingegen Ermittlungsbehörde. Es muss der Staatsanwaltschaft über strafrechtlich relevante Handlungen berichten.
Genau da liegt der Knackpunkt: Ausländische Dienste sind nicht immer begeistert, wenn ihre Daten in Ermittlungsakten auftauchen, in die jeder Angeklagte Einsicht hat. Das schwächt, ganz unabhängig von politischen Einflussnahmen, die internationale Stellung des BVT entscheidend.
In Kooperation mit Marian Smetana von den Salzburger Nachrichten.