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22. März 2020 Coronavirus 5 min
Ein Medikament zu entwickeln, ist ein langwieriger Prozess, der vielen Auflagen unterliegt. Diese Auflagen dienen vor allem zum Schutz der Probanden, denn jedes Medikament muss an Menschen getestet werden.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Coronavirus und ist Teil 23 einer 106-teiligen Recherche.
Bild: Hertha Produziert

Im Wettlauf um Wirkstoffe, die Menschen helfen, die an COVID-19 erkrankt sind oder sie gar vor einer Ansteckung schützen sollen, kursieren immer wieder Gerüchte, dass es nur wenige Wochen dauern könnte, bis solche Medikamente auf den Markt kommen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA haben zwar angekündigt, Auflagen zu lockern und den vielschichtigen Prozess der Entwicklung durch ein „beschleunigtes Zulassungsverfahren“ massiv zu verkürzen.

Trotzdem ist diesen Ankündigungen mit Skepsis zu begegnen. Denn bei der Suche nach neuen Wirkstoffen braucht man vor allem Zeit.

Der Prozess der Arzneimittelherstellung in neun Schritten erklärt:

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Bis zu einem neuen Arzneimittel ist es ein langer Weg, der meist im Labor eines Pharmaunternehmens beginnt. Bis zu 10.000 Substanzen werden untersucht, um ein Dutzend vielversprechender Kandidaten zu finden. Sie werden patentiert. Ein Schutz vor Konkurrenz, der 20 Jahre lang wirkt. In den nächsten Jahren werden die Wirkstoffkandidaten im Labor genau getestet. An Zellkulturen und an Tieren.
Sind die Ergebnisse im Labor erfolgversprechend, kann die Pharmafirma eine Genehmigung für Studien am Menschen beantragen. Diese Tests verlaufen in drei Phasen. Zum Schutz der Probanden gelten strenge Regeln. Für die Studien am Patienten beauftragt, das Pharmaunternehmen als Sponsor der Studie einen Prüfarzt. Der plant die Studie und führt sie gemeinsam mit dem Forschungsteam durch. Dafür werden Teilnehmer ausgesucht und über Risiken aufgeklärt.
In der ersten Phase wird die Substanz zunächst an gesunden jungen Männern getestet. Die Forscher wollen an ihnen herausfinden, wie der Wirkstoff vertragen wird und wie er sich im Körper verhält. Sie tragen das höchste Gesundheitsrisiko. Denn keiner weiß genau, wie sich die Substanz im Menschen verhält. In der zweiten Phase geht es dann um die Dosisfindung.
In Phase drei wird schließlich an einer möglichst großen Gruppe kranker Personen getestet. Nun soll herausgefunden werden, ob der Wirkstoff tatsächlich so gut wirkt, wie die Forscher glauben. Dazu wird er an kranken Personen getestet. Eine Patienten-Gruppe erhält das neue Medikament, die andere das bisherige Standardpräparat oder ein Placebo – das ist eine wirkstofflose Tablette.
Weder die Patienten noch die Ärzte wissen, wer den neuen Wirkstoff und wer das andere Medikament bekommt. So lässt sich das Ergebnis besser vergleichen. Ist die Substanz gut wirksam, wird sie an vielen Patienten getestet.
Die Studien am Menschen zählen zu den kostspieligsten Prozessen in der Medikamentenentwicklung. Pharmafirmen geben dafür bis zu 70 Prozent ihres Forschungs- und Entwicklungsbudgets aus. Klinische Studien kosten zwischen 100 und 500 Millionen Euro.
Sind die Studien am Menschen erfolgreich, kann die Pharmafirma in einem Zulassungsverfahren prüfen lassen, ob das neue Medikament in den Handel kommen darf. Die Entscheidung darüber treffen die Arzneimittelbehörden und die Ethikkommissionen.
Jetzt darf das neue Medikament verkauft werden. Nur einer einziger von einem Dutzend Wirkstoffkandidaten erreicht dieses Ziel. Wie bei jedem Produkt geht es jetzt um das Steigern von Umsatz und Gewinn. Das Pharmaunternehmen muss die enormen Entwicklungs-Kosten wieder hereinholen.
Ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn nach über zehn Jahren der Entwicklung bleiben für den Vertrieb nur noch wenige Jahre, bevor der 20 Jahre andauernde Patentschutz abgelaufen ist. Dann ist der Markt frei für günstigere Konkurrenzprodukte mit dem gleichen Wirkstoff.
Illustrationen: Hertha Produziert | Thomas Möhring | Addendum
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