Sitzen tausende Beamte bei vollen Bezügen untätig zu Hause, während rund 900.000 Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft in Kurzarbeit geschickt wurden? Wie viele öffentlich Bedienstete derzeit zu welchen Konditionen zu Hause sitzen, lässt sich tatsächlich nicht sagen. Dass die Mehrheit von ihnen tatenlos herumsitzt, ist angesichts der Anforderungen, die die Krise an den Staat stellt, aber auszuschließen.
Tausende Dienstbehörden von der Gemeindeebene bis zur Präsidentschaftskanzlei haben in der Corona-Krise eigene Maßnahmen zum Schutz von Mitarbeitern und Bürgern gesetzt. Aber selbst innerhalb der Dienststellen unterscheidet sich die Vorgehensweise teils erheblich.
Schon allein aufgrund der hohen Zahl an Betroffenen ist es praktisch unmöglich, sich einen vollständigen Überblick zu verschaffen. Der öffentliche Dienst ist wohl auch zu vielschichtig, um seine Mitarbeiter über einen Kamm zu scheren: Soldaten, Spitalsärzte, Busfahrer, Lehrer, Diplomaten, Polizisten und Kanzleikräfte stehen gegenwärtig vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen.
Eines aber ist klar: Die Mehrheit der etwa 355.000 Bediensteten von Bund, Ländern und Gemeinden arbeitet derzeit von zu Hause aus. Das betrifft vor allem die 29,5 Prozent von ihnen, die im Bildungsbereich tätig sind. Aber auch innerhalb dieser Berufsgruppen gestaltet sich die Arbeitssituation für die Betroffenen höchst unterschiedlich: Ein Turnlehrer kann von daheim aus schwer kontrollieren, ob die Schüler vorgegebene Übungen machen, während beispielsweise eine Sprachlehrerin mit einem höheren Korrekturaufwand konfrontiert ist.
Und während Polizisten weiter ihren Dienst versehen, sitzen manche Praktikanten oder Kanzleimitarbeiter der Justiz untätig zu Hause. „Im Hintergrund wird intensiv aufgearbeitet“, heißt es dazu aus dem Justizministerium. In einigen Gerichten herrsche Schichtbetrieb, andere Mitarbeiter könnten von daheim aus arbeiten. Generell gilt für die Gerichte, was auch auf viele andere Bereiche im öffentlichen Dienst zutrifft: Die Frage der Dienstfreistellungen wird „recht unterschiedlich gehandhabt und hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab“.
Das hat auch viel mit der technischen Ausstattung zu tun. Wo die Digitalisierung jahrelang verschlafen wurde, rächt sich das nun. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wo nur 0,39 Prozent des Aktenaufkommens digital verarbeitet wird, ist Homeoffice für viele eher kein Thema. Während andere Bereiche relativ gut ausgerüstet seien, komme in ihrer Abteilung ein Dienstlaptop auf etwa sechs Beamte, berichtet etwa die Mitarbeiterin eines Ministeriums.
Andere Betroffene arbeiten auch ohne offizielle Erlaubnis, aber im stillschweigenden Einvernehmen mit ihren Vorgesetzten von privaten Geräten. Manche Dienstgeber haben es aber trotz Krise geschafft, sichere Schnittstellen auf den privaten PCs ihrer Mitarbeiter einzurichten. Vorarlberg hat seit Beginn der Krise etwa „900 zusätzliche vollwertige Telearbeitsplätze geschaffen“, heißt es vom Amt der Landesregierung.
Auch die Probleme im Schulwesen sind seit langem bekannt: Manche Lehrer erhalten von ihren Schulen E-Mail-Accounts mit so wenig Speicherplatz, dass ein Verschicken größerer Anhänge schwierig wird. Jahr für Jahr kauft die Republik Schulbücher für über 100 Millionen Euro, der Einsatz von Notebooks bleibt hingegen weitgehend eine schulversuchende Ausnahme. Digitale Schulbücher werden seit Jahren approbiert, aber kaum eingesetzt – auch weil durch die Schulbuchaktion der lokale Buchhandel subventioniert wird.
Manche Beamte bleiben aber auch zu Hause, wenn sie über keinen digitalen Arbeitsplatz verfügen. In den Ressorts werden etwa gefährdete Personen freigestellt, wenn sie nicht von zu Hause aus arbeiten können. Das steht nach Änderung der Rechtslage auch Dienstnehmern in der Privatwirtschaft zu. Beim Bund und den Ländern könnte es allerdings mehr Menschen betreffen: Der öffentliche Dienst ist durch jahrzehntelange Sparmaßnahmen in vielen Bereichen chronisch überaltert.
Die Ministerien sind auf Anfrage bemüht zu betonen, dass das absolute Gros ihrer Mitarbeiter auch daheim weiterarbeitet. Im Justizministerium sind das derzeit etwa 90 Prozent der Belegschaft, die zu Hause „grundsätzlich ihre Normaldienstleistung“ erbringt. Im Haus selbst werden nur etwa 40 Personen vor allem dort eingesetzt, wo es um die Besetzung von Schlüsselpositionen geht. Vielerorts gibt es, wie im Klimaschutzressort, Journaldienste für Techniker und Kanzleikräfte. Im Kanzleramt betrug die Homeoffice-Quote Anfang April 85 Prozent, in den nachgeordneten Dienststellen sogar 88 Prozent. Die meisten Bundesministerien arbeiten mit einem Zehntel bis einem Fünftel der Mitarbeiter vor Ort weiter.
Der Bund hat in den vergangenen Wochen das Dienstrecht geändert, um den Abbau von Resturlaub aus den Vorjahren und die Reduktion von Überstunden anordnen zu können. Von dieser Möglichkeit wird aber unterschiedlich Gebrauch gemacht. Im Verteidigungsministerium gibt es keine Verpflichtung zum Abbau von Urlaubstagen oder Gleitzeitguthaben. Im Finanzministerium und im Klimaschutzressort werden die Mitarbeiter hingegen dazu angehalten.
Während im Innenministerium Urlaube abgebaut werden, besteht für die Polizei nach wie vor eine Urlaubssperre. Abgesehen vom Sicherheits- und vom Gesundheitsbereich geht die generelle Tendenz im öffentlichen Dienst allerdings in Richtung Abbau von Urlaub und Überstunden.
Länder wie Kärnten, Niederösterreich, Steiermark und Vorarlberg haben wie der Bund den Verbrauch von bis zu zwei Wochen Zeitguthaben angeordnet oder planen solche Regelungen. „Die Bediensteten sind zum Abbau von Plusstunden und zum Konsum von Zeitausgleich für Überstunden verpflichtet, wenn sie nicht zur Krisenbewältigung verwendet werden“, heißt es dazu von der Landesregierung in St. Pölten. Etwa 50 km weiter östlich ticken die Uhren anders. In Wien gibt es laut Presse- und Informationsdienst der Stadt keine „Vorgaben zum Abbau von Urlaub- und/oder Zeitguthaben“. Im Burgenland wiederum „können die Bediensteten, die nicht dringend benötigt werden, Überstunden und Urlaub abbauen“. Vielen sei „das aber derzeit ohnehin gar nicht möglich, da sie seit Ende Februar im Dauereinsatz sind“.
Dieser Dauereinsatz kann so manchen Beamten in unbekanntes Terrain führen. Da die Länder für den Bund die Vollziehung im Gesundheitswesen besorgen, entscheiden sie auch an den Grenzen über die Einreiseverweigerung aufgrund der COVID-19-Maßnahmen. Dazu müssen zum Teil fachfremde Kräfte eingesetzt werden, da entsprechend qualifizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen gebraucht werden.
So entscheiden in Vorarlberg Feuerwehrleute im Auftrag der Bezirkshauptmannschaften, wer einreisen darf und wer nicht. In anderen Ländern werden Landesbedienstete aus verschiedenen Dienststellen an der Grenze eingesetzt. Die Länder haben ihr Personal aber auch in andere Bereiche verschoben, um dem veränderten Aufgabenspektrum während der Krise gerecht zu werden. So hat allein Vorarlberg 300 Landesbedienstete teilweise oder ganz anderen Dienststellen zugeteilt. Das Burgenland unterstützt mit seinen Mitarbeitern auch die Gemeinden.
Auch bei der Frage, ob der öffentliche Dienst ins Homeoffice abrückt oder nicht, lässt sich kein einheitliches Bild zeichnen: In Wien wird dezentral geregelt, wer von wo aus arbeitet: „Die konkrete Entscheidung, welche Personengruppe zur Aufrechterhaltung des Dienstes vor Ort erforderlich ist, trifft die jeweils verantwortliche Dienststelle.“
Von 65.000 Mitarbeitern in den Dienststellen der Bundeshauptstadt haben aber nur 17.000 einen potenziell mobilen Arbeitsplatz. Das hat auch damit zu tun, dass viele Gemeindebedienstete Kontakt- oder Freilufttätigkeiten ausüben, beispielsweise in der Kinderbetreuung, der Feuerwehr oder bei der Müllabfuhr. In der klassischen Landesverwaltung überwiegen hingegen die Schreibtischjobs. Die Bediensteten der anderen Bundesländer arbeiten daher auch vermehrt daheim.
So leisteten am 7. April 89 Prozent aller Kärntner Landesbediensteten Heimarbeit, bei den Bezirkshauptmannschaften waren es 72 Prozent. Auch in Niederösterreich blieben Anfang April über 80 Prozent zu Hause. In der Steiermark war es hingegen nur etwas weniger als die Hälfte. Dort wurden auch fast 15 Prozent der etwa 7.100 Landesbediensteten zu den Schlüsselkräften gezählt. Die Kontrolle der Leistung erfolgt, wie auch in der normalen Dienstzeit, durch die Vorgesetzten.
Gehaltseinbußen haben Staatsbedienstete in der Corona-Krise kaum zu befürchten. Sie ergeben sich etwa aus der Nichtleistung von Überstunden. In manchen Bereichen fallen auch Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen weg.
Die Einführung von Kurzarbeit im öffentlichen Dienst hätte Gehaltskürzungen zur Folge, die derzeit nirgends geplant sind. Fördercharakter hätte die Maßnahme kaum, da sich der Staat für die übrigen Lohnkosten nur selbst entschädigen würde.
Besonders im Beamtendienstrecht steht der Schutz der Bediensteten vor Zugriffen der Politik im Vordergrund, was auch als Rechtfertigung für die Pragmatisierung angeführt wird. Die Einführung von Kurzarbeit wäre hier rechtlich schwierig. Dass der Beamtenstatus oder die mit ihm verbundenen Vorzüge früher sehr großzügig vergeben wurden, zeigt die aktuelle Lage bei den ÖBB. Dort darf ein Teil der Belegschaft nicht in Kurzarbeit geschickt werden, weil er – ohne verbeamtet zu sein – Beamtenprivilegien genießt.
Wie uneinheitlich das Dienstrecht für den Staatsapparat ist, konnte man in der gegenwärtigen Krise bemerken. Um Notmaßnahmen umzusetzen, musste der Nationalrat teils gleichlautende Bestimmungen in mehreren Gesetzen unterbringen: Beamte, Vertragsbedienstete, Landeslehrer und Landeslehrer in Forst- und Landwirtschaftlichen Schulen haben ein jeweils eigenes, vom Bundesgesetzgeber beschlossenes Dienstrecht.
In den Ländern kommen nochmals eigene Gesetze für Landesbeamte, Landesvertragsbedienstete, Spitalsbedienstete, Gemeindebeamte und Gemeindevertragsbedienstete hinzu. Bei einer derart zerklüfteten Rechtslandschaft sind einheitliche Regelungen auch da nur eingeschränkt möglich, wo sie trotz aller Unterschiede angebracht wären. Letztlich hängt die Arbeitsmoral im öffentlichen Dienst aber genauso wenig vom Dienstrecht wie vom Homeoffice ab, sondern vom Umfeld und den Mitarbeitern.