Die Behörden können bei anzeigepflichtigen Infektionskrankheiten Quarantänen verordnen. Das betrifft aktuell vor allem an COVID-19-Erkrankte und Personen, die im Verdacht stehen, das neue Coronavirus SARS-CoV-2 in sich zu tragen, das die Krankheit auslöst. Die Absonderung erfolgt auf Grundlage des Epidemiegesetzes und einer Verordnung. Problematisch sind vor allem die Definition der Corona-Verdachtsfälle und die behördliche Kontrolle der häuslichen Quarantäne.
Nach dem Epidemiegesetz „können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden“. Als erkrankt gelten naturgemäß jene Personen, bei denen die Krankheit festgestellt wurde. Krankheitsverdächtig sind diejenigen, „die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen“. Im Fall des aktuellen Virus definiert das Gesundheitsministerium zwei Verdachtsfälle:
Wer nicht selbst im Ansteckungsgebiet war oder einen bestätigten Kontakt zu Kranken hatte, kann nicht als Verdachtsfall gelten. Es ist daher wahrscheinlich, dass eine gewisse Zahl an Infizierten trotz Symptomen gar nicht erst getestet wird, weil sie diese formalen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Kranke und Krankheitsverdächtige sind bis zur Genesung oder bis zur Ausräumung des Verdachts abzusondern. Diese Quarantänemaßnahme ist verfassungsrechtlich gedeckt. Für die Verhängung der Quarantäne muss „eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen“ bestehen, „die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann“.
Im Fall des aktuellen Coronavirus „sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen.“ Wird die vollständige Absonderung verfügt, darf der Betroffene den bestimmten Raum oder die Wohnung nicht verlassen, das gilt auch für Einkäufe und Spaziergänge im eigenen Garten. Das betrifft Erkrankte und Kontaktpersonen der Kategorie I. Letztere leben entweder mit einem Betroffenen im selben Haushalt, hatten ungeschützten Körperkontakt mit ihm oder saßen längere Zeit näher als zwei Meter neben ihm oder im Flugzeug zwei Reihen vor oder hinter ihm. Die Absonderung endet, wenn 14 Tage nach dem Kontakt keine Symptome aufgetreten sind.
Kontaktpersonen der Kategorie II werden großteils nur zur Selbstdisziplin aufgefordert. Dazu gehören Menschen, die längere Zeit mehr als zwei Meter entfernt vom Erkrankten gesessen sind, im selben Flugzeug waren oder „die Kontakt von Angesicht zu Angesicht mit einem COVID-19-Fall in einer Entfernung ≤2 Meter und einer Dauer von weniger als 15 Minuten hatten.“ Sie sollen ihre Sozialkontakte freiwillig reduzieren und überwachen sich grundsätzlich 14 Tage lang selbst. Nur „nach sorgfältiger Prüfung“ dürfen auch Verkehrsbeschränkungen auferlegt werden. Zu diesen gehören die behördlichen Auflagen, den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen und Versammlungsorten, die Benützung öffentlicher Transportmittel und Beschäftigungen, die einen häufigen Kontakt mit anderen Personen bedingen, zu unterlassen.
Wer eine Behandlung ablehnt, kann nicht dazu gezwungen werden. Das Epidemiegesetz soll andere vor Ansteckung schützen. Auf seiner Grundlage kann aber „keine Behandlung befohlen werden“, wie Alexander Hiersche in seiner Dissertation zum Thema festhält.
Für die Quarantäne kann, so bestimmt es die Absonderungsverordnung aus dem Jahr 1915, „eine besondere Meldepflicht, die sanitätspolizeiliche Überwachung, die periodische ärztliche Untersuchung usw. als selbständige Maßregel angeordnet werden“. Im Fall des Coronavirus wird für Erkrankte wie erwähnt die völlige Absonderung angeordnet. Bei schwerem Krankheitsverlauf erfolgt diese in einer Krankenanstalt, ansonsten im häuslichen Umfeld. Letzteres gilt auch für Verdachtsfälle. Das Gesundheitsministerium hält dazu fest: „Abgesonderte Personen haben die Quarantänestation oder Wohnung unter keinen Umständen zu verlassen und jeden Sozialkontakt zu vermeiden.“
Der Betroffene hat sich in seiner Wohnung oder „in einem sanitär einwandfreien Raume“ aufzuhalten und darf diesen ohne Genehmigung der Behörde nicht verlassen. „Gegenstände, die eine abgesonderte Person benützt hat, dürfen vor erfolgter Desinfektion nicht aus dem Absonderungsraume entfernt werden.“ Die Behörde kann Unbefugten das Betreten des Isolationsraumes verbieten. Der Kontakt zum Abgesonderten ist „nur den im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden sowie den zugezogenen Ärzten, den Seelsorgern und den mit der Wartung und Pflege der Abgesonderten betrauten Familienangehörigen und Pflegepersonen gegen Einhaltung der gebotenen Vorsichtsmaßregeln gestattet.“ Sie müssen Schutzkleidung tragen, können ihn mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsgütern versorgen, dürfen selbst aber im Absonderungsraum „weder essen, noch trinken, noch rauchen“.
Die Absonderung von Kranken kann in verschiedenen Räumlichkeiten angeordnet werden:
Die Unterbringung in Barackenspitälern entspricht der sanitären Lage des Jahres 1913, aus dem das Epidemiegesetz weitgehend stammt und ist heutzutage eher unwahrscheinlich. Allerdings könnten, je nach Verlauf der Infektionswelle, Sonderspitäler eingerichtet werden – beispielsweise in den Sanitätszentren des Bundesheers. Bereits während der Spanischen Grippe 1918 wurden auf Grundlage desselben Gesetzes eigene Epidemiespitäler eingerichtet.
Die Absonderung Kranker wird durch die erstinstanzliche Gesundheitsbehörde, also die Bezirkshauptmannschaft oder den Magistrat, überwacht. Sie kann sich hierzu der Gemeindesanitätsdienste, der Stadtphysikate oder der Polizei als Hilfsorgane bedienen. Um die Absonderung durchzusetzen, kann notfalls auch Zwangsgewalt eingesetzt werden. In welchem Umfang tatsächlich Überwachungsmaßnahmen von häuslich abgesonderten COVID-19-Patienten gesetzt werden, lässt sich derzeit allerdings nicht sagen. In Wien müssen sich Personen in Quarantäne einmal täglich per E-Mail bei der Behörde melden und ihren Gesundheitszustand bekannt geben. Erst wenn die Meldung nicht erfolgt wird Nachschau gehalten. Sonstige Kontrollen finden nicht statt.
Betroffene, die aufgrund des Epidemiegesetzes abgesondert wurden, haben Anspruch auf Zahlungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Die behördlich angeordnete Quarantäne wird wie ein Krankenstand behandelt. „Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen.“ Auch von Quarantänen betroffene Unternehmen und Selbständige haben Entschädigungsansprüche gegenüber dem Bund. Ihr Anspruch bemisst sich „nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“.
Über das Ende entscheidet grundsätzlich der Amtsarzt. Die Absonderungsverordnung bestimmt: „Die Absonderung ist mit der Genesung oder mit dem Ableben des Kranken, bei Krankheitsverdächtigen mit dem Schwinden des Verdachtes beendigt und von dem zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzte aufzuheben.“ Bei Verdachtsfällen soll die Quarantäne den Inkubationszeitraum um 24 Stunden überschreiten. Nach dem Ende der Absonderung „ist eine gründliche Desinfektion vorzunehmen“. Diese obliegt bei häuslicher Quarantäne wohl dem Betroffenen selbst. Im Fall des SARS-CoV-2-Virus endet die Absonderung derzeit 14 Tage nach Genesung oder wenn bei Verdachtsfällen in diesem Zeitraum keine Symptome aufgetreten sind.
Die Anordnung der Absonderung ist ein Verwaltungsakt mit Bescheidcharakter. Diese werden heutzutage eigentlich vor den Verwaltungsgerichten bekämpft. Da der Rechtsschutz zum Zeitpunkt der Erlassung des Epidemiegesetzes 1913 noch nicht so weit ausgebaut war, sind für die Bekämpfung von Absonderungsbescheiden ausnahmsweise die Bezirksgerichte zuständig.
Die Behörde hat die Anordnung dem zuständigen Bezirksgericht zur Kenntnis zu bringen, bei diesem kann der Betroffene „die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung“ beantragen. Würde die Anhaltung länger als drei Monate dauern – was beim Coronavirus aufgrund des Krankheitsverlaufs eher unwahrscheinlich ist – müsste das Gericht die Absonderung von Amts wegen überprüfen. Setzt die Gesundheitspolizei, mit Hilfe der Polizei, Zwang zur Durchsetzung ein, kann dagegen Maßnahmenbeschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht erhoben werden.