Seit Mitte April wird das öffentliche Leben in Österreich wieder schrittweise hochgefahren. Kleinere Geschäfte sind wieder geöffnet, Bau- und Gartenmärkte sperren auf. Mit 1. Mai sollen weitere Teile der Wirtschaft ebenso „wiederauferstehen“, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte. Voraussetzung dafür sei, dass sich die „Zahlen weiter in die richtige Richtung entwickeln“.
Neben einer Übersicht zur Entwicklung der COVID-19-Erkrankten fassen wir deshalb nun wöchentlich zusammen, wie das öffentliche Leben zurückkehrt. Aktuelle Entwicklungen sind anhand von Standortdaten von Google und TomTom grob abzulesen. Die Aufforderungen zum Daheimbleiben der vergangenen Wochen haben insgesamt zu einem drastischen Rückgang der Aktivität geführt. Auf Bahnöfen ging die Aktivität zuerst um 70 Prozent zurück und hält bis jetzt großteils an: Am 11. April lag der Rückgang im bundesweiten Durchschnitt weiter bei 62 Prozent.
In Österreichs fünf größten Städten war das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Wochen deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Am deutlichsten schlugen sich die Verkehrsbeschränkungen in der Bundeshauptstadt Wien nieder. Das lässt sich anhand von Daten des Navigationsdienstleisters TomTom ablesen. Das Unternehmen berechnet einen Index, der die Verkehrsflüssigkeit abbildet, also wie viel Stau in diesen Städten zu bestimmten Zeiten üblich ist. Aus den Abweichungen zum Vorjahr lässt sich somit rekonstruieren, wie stark das tägliche Verkehrsaufkommen durchschnittlich schrumpfte.
In den Zahlen spiegelt sich wider, dass sich das „Herunterfahren Österreichs auf den Notbetrieb“, wie es Bundeskanzler Kurz bei der Verkündung der Ausgangssperren nannte, graduell vollzog. Tendenziell ging das Verkehrsniveau mit jeder Woche einen Schritt weiter zurück. Nur in Graz war der Rückgang mit durchschnittlich rund 17 Prozentpunkten durchwegs stabil.
Umgekehrt sieht das Bild in Parks in manchen Bundesländern aus: Dort gab es nach Berechnungen von Google in manchen Bundesländern mehr Aktivität. Vor allem in Niederösterreich, Oberösterreich und dem Burgenland gab es teilweise mehr Bewegung in Parks im Vergleich zur Referenzwoche. Im Vergleich zu Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs kommt es in Parks allerdings zu weniger dichten Ansammlungen von Menschen.
Auch bei Lebensmittelhändlern und Drogerien geht der Trend – nach einem anfänglichen starken Einsturz – wieder langsam Richtung Normalität.
Kanzler Kurz bat darum bis Ende April, „diszipliniert alle Maßnahmen einzuhalten“. Denn: „Wenn wir es nicht tun, dann wird es unmöglich sein, den ambitionierten Plan durchzusetzen.“ Die Entwicklung der Aktivität an öffentlichen Plätzen und des Verkehrsaufkommens sind eine Annäherung daran, wie strikt die Vorgaben der Regierung weiter befolgt werden.
Warum greift ihr auf Daten von Google und TomTom zurück?
Das Complexity Science Hub erstellte auf Basis von Daten der TU Wien zwar Analysen auf Basis der Standortdaten der Mobilfunkbetreiber, darf die anonymisierten Daten aus rechtlichen Gründen jedoch nicht mit der Öffentlichkeit teilen. Von der ASFINAG gingen die Daten der Verkehrszählstellen zwar an den Krisenstab der Bundesregierung, aber nicht an Medien. Mehrere Anfragen zur Bereitstellung der Daten wurden abgelehnt.
Wie entstehen die Daten von Google Maps?
Benutzer von Google Maps und Android-Mobiltelefonen, die die Funktion „Standortverlauf” aktiviert haben, werden in diesen Daten beachtet. Laut Google werden diese Daten aggregiert, anonymisiert und in Aktivitätskurven und eine Live-Aktivitätsanzeige umgerechnet. Nähere Informationen dazu veröffentlicht Google auf einer eigenen Website. Wir haben das Programm „populartimes“ verwendet, um diese Daten jede Stunde abzufragen.
Wir haben die Daten aus den Google Mobility Reports extrahiert – durch die verwendete Methodik – die Extrahierung der Daten aus Liniendiagrammen – entsteht eine gewisse Ungenauigkeit.
Warum wurden keine Orte in meiner Nähe berücksichtigt?
Für viele Orte sind die verwendeten Daten nicht verfügbar. Die verwendete Funktion von Google Maps ist nur aktiv, wenn an einem Ort auch Öffnungszeiten hinterlegt sind – die meisten öffentlichen Plätze erfüllen schon diese Voraussetzung nicht. Außerdem muss eine gewisse Restaktivität vorhanden sein. Google Maps verwendet Daten, die bei der Benutzung von Android-Telefonen für die Aktivitätsanzeige anfallen. Schon an einigen Orten in Landeshauptstädten wie dem Schlosspark in Eisenstadt oder an der Annasäule in Innsbruck konnte im Beobachtungszeitraum gar keine Aktivität festgestellt werden. Das heißt, entweder gab es einen Fehler bei Google Maps, oder die von Google beobachtete Aktivität war so gering, dass sie nicht veröffentlicht wurde.
Gibt es ähnliche Analysen für andere Länder?
Ja, der Economist hat Aktivitätsdaten für U-Bahn-Stationen in Weltstädten verglichen, die FT hat Parks in UK analysiert, der Spiegel die Fußgängerzonen und Verkehrsdaten für Deutschland.
25. Juni, Richtigstellung:
Das Complexity Science Hub (CSH) erstellte nicht im Auftrag der Bundesregierung Analysen auf Basis von Standortdaten. Die visualisierten Daten kamen von der Technischen Universität. Zugriff auf die Rohdaten hatte das CSH nicht. Addendum hat den Text in der Methodik entsprechend angepasst, um diesen Sachverhalt korrekt darzustellen. Wir bedauern den Fehler.
Die öffentliche Hand analysiert die Auswirkungen der Social-Distancing-Maßnahmen mit Standortdaten der Mobilfunkbetreiber. Eine Weitergabe der anonymisierten Daten erfolgt nicht. Deshalb greift Addendum für eine Annäherung auf öffentliche Quellen wie die Schnittstelle von Google zurück und sammelt eigene Daten bzw. veröffentlicht die Ergebnisse.