Ein Renner sei das Desinfektionsmittel von Wasseralm, berichtet der ORF Ende April in seiner Sendung „Mittag in Österreich“. 15.000 Liter davon werden pro Tag in Kärnten abgefüllt, erfahren die Zuseher da. Das Produktionsvolumen solle in den kommenden Wochen außerdem verdoppelt werden.
In Zeiten einer globalen Pandemie und der damit einhergehenden Knappheit an Desinfektionsmitteln ist das eine gute Nachricht. Aber damit nicht genug: Das Desinfektionsmittel kommt komplett ohne Alkohol aus. Es besteht zu 99,7 Prozent aus Wasser – hexagonalem (energetisch aufgeladenem) Wasser, sagt der Hersteller –, der Wirkstoff des Mittels ist Chlor. „Wir haben kein einziges Gefahrengutzeichen. Wir sind weder schleimhautreizend noch ätzend“, sagt der Mann hinter Wasseralm, Werner Hochsteiner, im Beitrag. Der einzige kleine Nachteil: ein leichter Chlorgeruch. „Aber durch diesen Geruch weiß man, dass das Präparat effektiv ist und wirkt“, sagt er.
Die Corona-Krise hat die globale Wirtschaft in eine Rezession gestürzt, einzelne Unternehmen aber nutzen die Krise als Chance. Manchmal mit zweifelhaften Methoden. Erst kürzlich berichtete Addendum über zwei Wiener Maskenshops und ließ ein Modell einer Maske überprüfen, das bei dieser unabhängigen Funktionsprüfung durchfiel – Anfang Juni führte die Polizei in diesen Shops eine Razzia wegen Betrugs durch. Und auch im Fall von Wasseralm gibt es erhebliche Zweifel, ob das Produkt wirklich hält, was es verspricht. Hinter der Marke „Wasseralm“ steht die „CRD Carinthian Research & Development GmbH“; ihr Geschäftsführer Werner Hochsteiner ist nebenbei auch Tierarzt. Wasseralm bietet einerseits Flächen- und andererseits Händedesinfektionsmittel an. Das Unternehmen des „Desinfektionsmittels auf Wasserbasis“ rühmt sich damit, mit ihrer Innovation auf Wasserbasis auch bei der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) als Desinfektionsmittel gelistet zu sein.
Für die Flächendesinfektion stimmt das auch, sagt Miranda Suchomel vom Institut für Hygiene und angewandte Immunologie an der Medizinischen Universität Wien. Wenn auch mit Einschränkungen: „Die Oberfläche muss vorgereinigt werden, weil der Wirkstoff instabil ist und mit organischen Überresten reagiert.“
Das eigentliche Problem beginnt aber bei den kleinen 100-Milliliter-Fläschchen, die auch in dem ORF-Beitrag immer wieder zu sehen sind. Auf denen steht: „Händedesinfektion“. Und darunter: „Geprüft nach EN 1499“. Das klingt für einen Konsumenten vertrauenerweckend, allerdings verbirgt sich hinter dieser Zertifizierung keine Händedesinfektion. EN 1499 zertifiziert Produkte für „hygienische Händewaschung“, nicht Desinfektionsmittel an sich. Das ist auch der Grund, warum das Produkt von der Gesellschaft für Hygiene nicht als Händedesinfektionsmittel gelistet ist. Im Gegenteil wurde Wasseralm von dieser darauf aufmerksam gemacht, dass deren Händedesinfektion nicht als solche zertifiziert ist.
Der Unterschied zwischen einer Händedesinfektion und einer hygienischen Händewaschung ist, dass die Anforderungen an die Wirksamkeit geringer sind. Das deutsche Robert-Koch-Institut schreibt in seinen „Empfehlungen für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ über Produkte zur hygienischen Händewaschung: „Sie sind signifikant wirksamer als normale Handwaschpräparate, erreichen aber nicht die Wirksamkeit von HDM (Händedesinfektionsmittel, Anm.). Daher ist ihre Anwendung keine Alternative zur hygienischen Händedesinfektion.“
Ein anderer wichtiger Unterschied: Für eine hygienische Händewaschung ist Wasser erforderlich – es ist eben kein Mittel, das man in der Handtasche hat, um es unterwegs zu verwenden. Der Prüfbericht der EN 1499, auf den sich Wasseralm auf dem Produkt bezieht, besagt: „3 mal 3 ml WASSERALM (je 20 Sekunden) wird auf die feuchten Hände aufgebracht und nach dem Standardeinreibeverfahren während 60 Sekunden verrieben, anschließend 15 Sekunden abspülen.“ Dass das Mittel laut EN 1499 so anzuwenden ist, wird nirgends erläutert, im Gegenteil. Auf der Wasseralm-Flasche steht: „Ein Abspülen ist nicht notwendig.“
Eine Zertifizierung nach EN 1500 für hygienische Händedesinfektion hat das Produkt von Wasseralm nicht.
Die hinter Wasseralm stehende CRD kommuniziert mit Addendum nur über einen Rechtsanwalt, der bestätigt, dass die auf der Flasche angeführte EN 1499 keine Zertifizierung als Händedesinfektionsmittel bedeutet, verweist aber darauf, dass das Produkt auch nach den Prüfnummern EN 16777 und EN 14476 zertifiziert ist – und deshalb eine Händedesinfektion sei. Bloß: EN 16777 betrifft lediglich nicht poröse Oberflächen und besagt damit, dass das Händedesinfektionsmittel als Oberflächendesinfektionsmittel auf nicht porösen Oberflächen geeignet und getestet ist – eine Wirksamkeit auf Händen erschließt sich daraus nicht. Die zudem von dem Unternehmen angeführte EN 14476 bescheinigt dem Mittel zwar eine viruzide Wirkung, ist laut Hygiene-Expertin Miranda Suchomel aber „ein In-vitro-Test, um den generellen Nachweis einer Wirksamkeit zu erbringen, sagt aber leider nichts über die tatsächliche Wirkung unter praxisnahen Bedingungen aus.“ Das deutsche Robert-Koch-Institut kommt zum selben Schluss: „Auf Grund der Konzeption dieser Tests sind aus den Ergebnissen Anwendungsempfehlungen nur in begrenztem Umfang ableitbar, da sie nur eine eingeschränkte Praxisnähe aufweisen.“
Trotzdem berichten nicht nur der ORF, sondern auch die Kleine Zeitung und die Woche Kärnten über die Innovation aus Kärnten. Das Unternehmen hat nicht nur eine Kooperation mit der Laufsportveranstaltung „Kärnten läuft“, es konnten sogar Spar Kärnten und Osttirol als Partner gewinnen – es ist neben den Kärntner und Osttiroler Filialen auch in den Interspar-Filialen österreichweit erhältlich, die 100 ml Händedesinfektion kosten 6,99 Euro. In der Desinfektionsmittelknappheit während der Corona-Pandemie habe Spar nach Herstellern von Desinfektionsmitteln gesucht, CRD-Geschäftsführer Werner Hochsteiner sei daraufhin auf Spar zugekommen. Paul Bacher, Geschäftsführer für SPAR Kärnten und Osttirol, wird in der Pressemitteilung zitiert mit: „Wir sind begeistert von diesem großartigen Produkt und glücklich, dass wir unseren Kunden ein alkoholfreies, ungiftiges, umweltfreundliches und vor allem ein wirksames und hautvertägliches (sic) Hygienisierungsmittel anbieten können.“
Und CRD-Geschäftsführer Werner Hochsteiner wirbt einmal mehr damit, dass das Produkt ÖGHMP-gelistet ist, obwohl lediglich die Flächendesinfektion gelistet ist, nicht die angebotene Händedesinfektion. Spar stellt dem Unternehmen die Abfüllanlagen des exklusiven Spar-Lieferanten „Mabura Naturmanufaktur“ zur Verfügung, weil die CRD nicht jene Abfüllkapazitäten hat, die Spar benötigt – die Produktion der hauseigenen Naturgetränke sei dafür hintangestellt worden.
Mit den Addendum-Recherchen konfrontiert, sagt Spar-Pressesprecherin Nicole Berkmann nun, die Angelegenheit werde bei Spar intern geprüft.