Update vom 10. Oktober 2019:
Wir veröffentlichen hiermit das Urteil in seiner Originalfassung. Lesen Sie wie die Richterin den zugesprochenen Schadensersatz in der Höhe von 800 Euro für den betroffenen Vorarlberger Anwalt argumentiert:
Der ursprüngliche Artikel vom 16. August 2019:
Mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, seit Addendum aufdeckte, dass die Post sogenannte Parteiaffinitäten von Millionen Kunden berechnet und speichert . Das heißt, Kundendaten wurden mit Präferenzen zu einer möglichen Parteinähe erweitert und an wahlwerbende Parteien verkauft. Als die Datenschutzbehörde feststellte, dass die Post diese sensiblen Daten nicht hätte speichern und schon gar nicht verkaufen dürfen, kündigte das Unternehmen an, sensible Daten zur politischen Meinung aus ihren Datensätzen zu löschen.
Dabei waren insgesamt rund 2,2 Millionen Österreicher davon betroffen – von ihnen hatte die Post also Parteiaffinitäten gespeichert. Einer von ihnen war der Vorarlberger Anwalt Christian Wirthensohn.
Da die Post weiterhin bestritt, dass es sich bei den Parteiaffinitäten um sogenannte sensible, also besonders zu schützende, Daten handle, klagte der Anwalt die Post im März auf immateriellen Schadenersatz über 2.500 Euro. „Wenn ich weiß, dass meine Rechte bewusst verletzt werden und damit auch noch Geld gemacht wird, dann lasse ich mir das nicht weiter gefallen“, begründet er sein Vorgehen.
Anfang Juli wurde der Fall am Landesgericht Feldkirch verhandelt. Das Urteil, das Addendum exklusiv vorliegt, ist folgenschwer: denn der Betroffene bekommt mit seiner Klage recht. Ihm wurden 800 Euro immaterieller Schadensersatz vom Gericht zuerkannt.
Die Begründung im Urteil lautet wie folgt:
„Die Tatsache, dass die beklagte Partei (Anm.: die Post) Parteiaffinitäten des Klägers (Anm.: Anwalt Wirthensohn) ohne dessen Einwilligung und Information ermittelt und gespeichert hat, rechtfertigt einen immateriellen Schadenersatz. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich einerseits bei der politischen Meinung einer Person um besonders schützenswerte und sensible Daten handelt, andererseits die von der beklagten Partei gespeicherten Parteiaffinitäten des Klägers feststellungsmäßig nicht an Dritte übermittelt wurden, erscheint ein Betrag in Höhe von EUR 800,– zur Abgeltung des vom Kläger erlittenen immateriellen Ungemachs angemessen.“
Das Gericht billigt also dem Kläger nicht nur Schadenersatz zu, sondern erteilt der Argumentation der Post, dass es sich bei den sogenannten Parteiaffinitäten weder um personenbezogene noch um sensible Daten handle, eine klare Abfuhr.
Im Urteil heißt es:
„Aus Sicht des Gerichts handelt es sich bei den von der beklagten Partei mittels Marketinganalyseverfahren ermittelten Affinitäten aufgrund der Tatsache, dass diese in weiterer Folge dem Kläger als Individuum zugeschrieben wurden, klar um sich auf eine identifizierte natürliche Person beziehende Informationen [sic], sohin um personenbezogene Daten.“
Und bezüglich Parteiaffinitäten:
„Auch die Frage, ob die Parteiaffinitäten unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten fallen, ist auch Sicht des Gerichts klar zu bejahen, da es sich um Abbildungen politischer Meinungen handelt.“
Sowohl der klagende Anwalt als auch die Post werden gegen das Urteil Berufung einlegen (das rechtskräftige Urteil wird dann für Anfang 2020 erwartet). Auf Anfrage teilt Post-Sprecher Michael Homola mit: „Wir werden Rechtsmittel ergreifen und daher ein laufendes Verfahren nicht kommentieren.“
Aus Post-Sicht ist es ein Urteil – wenn auch noch nicht rechtskräftig – mit potenziell weitreichenden Folgen. Die Post hatte ja Anfang Jänner die Parteiaffinitäten von rund 2,2 Millionen Österreichern gespeichert . Das Urteil bestätigt nicht nur, dass die Post das ohne Einverständnis nicht hätte machen dürfen, sondern spricht dem Betroffenen auch einen immateriellen Schadenersatz zu.
Dieser Schadenersatz würde aber – geht man von der Argumentation des Gerichts aus – auch allen anderen Betroffenen zustehen. Denn auch bei ihnen wurde die Parteiaffinität ohne ihr Zutun abgespeichert. Und der Schadenersatz könnte durchaus noch höher ausfallen, wenn – im Gegensatz zu diesem Fall – die sensiblen Daten auch noch – etwa an Parteien für Wahlwerbung – weiterverkauft wurden.