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Minister: Wozu eigentlich?
4. Juni 2019 Expertenregierung Lesezeit 3 min
Fast überall in der Welt stehen Minister an der Spitze der Verwaltung. Diese funktioniert im Alltag jedoch auch gut ohne ihre obersten Chefs. Bis auf wenige Details. Und die sind entscheidend.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Expertenregierung und ist Teil 3 einer 3-teiligen Recherche.
Bild: Roland Schlager | APA

Die neu ernannte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bat am Montag nach ihrer Angelobung um Verständnis dafür, „dass wir uns zunächst einen Überblick über die Themen verschaffen werden“. Tatsächlich aber funktioniert in der Verwaltung das meiste genauso zuverlässig wie immer, denn: Für den täglichen Betrieb werden Minister (fast) nicht gebraucht.

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Bürokratischer Monotheismus

Österreichische Minister sind die obersten Organe der Vollziehung, die bürokratischen Zentralgestirne des Bundes. Niemand kann ihnen Weisungen erteilen. Die Nöte und Zwänge der Parteimitgliedschaft und die Kooperation innerhalb der Bundesregierung sind der Realpolitik überlassen. Die Ministerien sind ihr Hilfsapparat, sogenannte monokratische Behörden. An ihrer Spitze steht eine Person, der Minister. Ihm sind alle weiteren Staatssekretäre und Mitarbeiter untergeordnet.

Die Verwaltung kann vieles ohne den Minister erledigen, der Minister hingegen nur wenig ohne die Verwaltung. Diese Einsicht dürfte bei der neuen Beamtenregierung weiter verbreitet sein als bei vielen früheren Kabinetten.

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Der Minister, ein Welterfolg

Der Minister als zentraler Entscheidungsträger hat sich in fast allen politischen Systemen der Welt durchgesetzt. Nur in manchen Ländern wird das System durch Kollegialentscheidungen, ein Weisungsrecht oder eine Richtlinienkompetenz des Regierungschefs verwässert.

Eine theoretische Antithese zur Ministerialregierung gibt es in der Schweiz. Dort steht der Bundesrat als Kollegialorgan der gesamten Bundesverwaltung vor. Dieses Konzept der sogenannten Direktorialregierung, es stammt ursprünglich aus der Zeit der französischen Revolution, hat sich aber selbst in der Schweiz nur bedingt durchgesetzt. Die einzelnen Bundesräte stehen Departementen vor und agieren so de facto als Minister.

Ein ähnliches System hat sich in Österreich auf Landesebene etabliert. Die Landesregierungen kennen keine Ministerien, sondern verfügen mit den Ämtern der Landesregierungen über jeweils einheitliche Zentralstellen. Aber auch hier hat sich weitgehend ein Modell durchgesetzt, nachdem die Landesräte für einzelne Geschäftsbereiche verantwortlich zeichnen.

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Ministerien sind auf eine Person hin ausgerichtet.

Es geht manchmal auch ohne Chef

Je weiter weg vom Minister die Verwaltung vollzogen wird, desto weniger ist sie auch auf dessen Existenz angewiesen. Besonders nachgeordnete Dienststellen, das sind zum Beispiel Schulen oder Finanzämter, bekommen von der Existenz eines Ministers, wäre sie nicht allgemein bekannt, nur selten etwas mit. Sie haben ihre eigene Leitung und ihr eigenes Budget. Die Politik macht sich hauptsächlich dann bemerkbar, wenn es um Postenbesetzungen geht.

Aber selbst im Ministerium, der sogenannten Zentralverwaltung, ist der Minister häufig eher ausführendes als entscheidendes Organ. Der mit dem entsprechenden Fachwissen ausgestattete Beamtenapparat ist seinem Ressortchef in Sachfragen naturgemäß überlegen. In vielen Fällen muss dieser sich auf die Vorschläge seiner Beamten verlassen. Er wird mit Unterlagen, Vorlagen und Sprechnoten ausgestattet zum Ministerrat und nach Brüssel geschickt. Der Input dafür kommt aus dem Ressort.

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Wie man sich durchs Amt tragen lässt

Der Minister kann natürlich Vorgaben machen und Wünsche formulieren. Der Beamtenapparat trägt aber auch völlig antriebslose Persönlichkeiten durch ihr Amt. Die Schwäche eines Ministers kann von seinem Ressort besser ausgeglichen werden, als Strukturmängel im Ressort von einem starken Minister.

Die Weisungskette unterhalb des Ressortchefs sorgt dafür, dass Unaufschiebbares nicht liegen bleibt. Einzelne Beamte können – mit der sogenannten „Ermächtigung zur selbständigen Behandlung“ ausgestattet – unmittelbar für den Minister tätig werden und Bescheide in seinem Namen ausstellen.

In jeder Bürokratie gibt es ein unweigerliches Streben hin zu einer letztverantwortlichen Person. Das liegt daran, dass die Verwaltung nicht demokratisch funktionieren kann. Sie hat Gesetze zu vollziehen, dafür ist der Minister als Weisungsspitze auch dem Parlament verantwortlich. Um den Willen der Volksvertretung möglichst ohne Abstriche umzusetzen, bedarf es einer straffen Organisation. Der Minister kann darin entweder die Führungsrolle übernehmen, oder nur unterschreiben was man ihm vorlegt.  

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