In der Oststeiermark, rund um Linz und Salzburg sowie in Vorarlberg ist die Lohnschere am größten. Auf dem Land ist sie größer als in der Stadt, und im Hochbau verdienen Frauen mehr als Männer: Das zeigt eine Detailanalyse der Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, die Addendum exklusiv interaktiv zugänglich macht.
„Gender Pay Gap: Österreich im EU-Vergleich weiter im Schlussfeld.“
„Frauen verdienen in ihrem Leben 435.000 Euro weniger.“
„Einkommensschere in Österreich schließt sich erst 2058.“
Unter diesen oder ähnlichen Schlagzeilen verläuft die mediale Debatte über die gleiche/ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in Österreich. Dabei werden viele Faktoren, die Lohnunterschiede erklären können, ausgelassen. Eine Datenanalyse von Addendum auf Basis exklusiver Daten der Statistik Austria zeigt nun erstmals detaillierte Ergebnisse für jede Gemeinde in Österreich und für fast hundert verschiedene Branchen. Beide Faktoren haben Einfluss auf Einkommensunterschiede.
Wer die Einkommensunterschiede auf Gemeindeebene betrachtet, erkennt ein Ost-West-Gefälle, in Ostösterreich ist die Gehaltsschere am kleinsten. Sie reicht von 39,3 zugunsten der Männer in Nebelberg (Oberösterreich) bis 9,8 Prozent zugunsten der Frauen in Prigglitz (Niederösterreich). Am Österreich-Median liegt die Einkommensschere bei 15,2 Prozent.
Wie groß die Kluft in Ihrer Gemeinde ist, sehen Sie in dieser Karte. Geben Sie Ihre Gemeinde für ein personalisiertes Ergebnis im Suchfenster an. Der Wert Ihrer Gemeinde wird mit dem Durchschnitt aller anderen Gemeinden verglichen.
Der Median ist wie das arithmetische MIttel (vulgo der Durchschnitt), ein Weg, die Mitte einer Verteilung darzustellen. Er ist prinzipiell für Lohnverteilungen besser geeignet, weil er robust gegenüber Ausreißern ist. Dazu folgendes Beispiel: Wenn von elf Personen zehn Personen aufsteigend von einem bis zehn Euro verdienen, aber die elfte Person hundert Euro, beträgt der Durchschnittslohn dieser Gruppe rund vierzehn Euro. Also: 14,1 = (1+2+3+4+5+6+7+8+9+10+100)/11.
Dieser Durchschnittslohn stellt aber nicht unbedingt die Mitte der Lohnverteilung dar, weil eigentlich niemand wirklich so viel verdient. Deshalb wird für Lohnverteilungen oft der Median angegeben. Hier werden die Löhne aufsteigend sortiert und dann wird jener Lohn herausgepickt, der in der Mitte der Gruppe liegt. In unserem Fall wäre das der sechstgrößte Lohn – also sechs Euro.
Die Datenquelle ist eine Sonderauswertung der Lohnsteuerstatistik der Statistik Austria für das Jahr 2016. Betrachtet werden nur Gemeinden, in denen mindestens zwanzig Frauen im Jahr 2016 ganzjährig vollzeitbeschäftigt waren. Die Gehaltsschere wird am Median der Bruttojahresbezüge abzüglich mit festen Sätzen versteuerte sonstige (einmalige) Bezüge – wie z.B. Abfertigungen, Urlaubsabfindungen – berechnet. Nicht enthalten sind Lehrlinge sowie Personen mit sonstigen Aktivbezügen (z.B. Bezüge für politische Tätigkeit, Bezüge für Waffenübungen und ähnliches). Die Daten beziehen sich auf den Wohnort.
In dieser Karte werden nur die Gehälter von Personen, die das ganze Jahr durchgehend und Vollzeit gearbeitet haben, verglichen. Dass Frauen seltener am Arbeitsmarkt teilnehmen als Männer und dass die Hälfte der österreichischen Frauen teilzeitbeschäftigt ist, ist damit berücksichtigt. Das ist auf dem Weg der Berechnung einer Gehaltsdiskriminierung ein erster Schritt. Wer diesen nicht macht, erhält einen „Gender Pay Gap“ von 38,4 Prozent, wie ihn die Statistik Austria für das Jahr 2015 für jährliche Bruttoeinkünfte berechnet. Bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigten verringert sich der Unterschied im Jahr 2015 für Gesamtösterreich bereits auf 17,3 Prozent und im Jahr 2016 auf 15,9 Prozent. Andere Einflussgrößen für die Einkünfte sind auch in dieser Karte noch nicht berücksichtigt – etwa Alter, Gehaltsstufe und die Branche, in der gearbeitet wird.
Dieser Wert ist aufgrund geringfügig anderer Berechnungsmethoden und Abgrenzungen etwas höher als unser Wert. Die Datenquelle ist jedoch die gleiche.
Die Einkommensschere bei der Herstellung von Bekleidung beträgt 32 Prozent und ist damit die größte in insgesamt 77 analysierten Branchen. Der Gegenpol dazu ist der Hochbau – hier verdienen Frauen um 15 Prozent mehr als Männer. Das ist darauf zurückzuführen, dass im Bau generell viele eher niedrigqualifizierte Männer wenigen hochqualifizierten Frauen gegenüberstehen. Wie groß die Einkommensschere in Ihrer Branche ist, können Sie mit diesem Abfragetool ermitteln. Geben Sie Ihre Branche und Ihr Alter ein, um ein möglichst genaues Ergebnis zu erhalten – wir speichern keine Ihrer Eingaben.
Einkommenschere: am Median gemessen und gewichtet nach Anzahl pro Altersgruppe.
Die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen ist auf dem Land größer als in der Stadt. In ländlichen Regionen ist der Gehaltsunterschied unter Vollzeit Arbeitenden in beinahe allen Altersgruppen deutlich größer als in städtischen Regionen.
Ein Teil der Gehaltsschere kann durch Berufserfahrung erklärt werden. Frauen häufen im Schnitt weniger Berufserfahrung an als Männer. Im Alter von 15 bis 24 Jahren liegt die durchschnittliche Differenz der Berufserfahrung bei 1,4 Jahren, im Alter von 35 bis 44 Jahren bereits bei 3,1 Jahren. Dies könnte einerseits ein demografischer Effekt sein. Unter Umständen „wächst“ sich die Gehaltsschere mit der nachkommenden Generation aus, zumal Frauen inzwischen bei tertiären Bildungsabschlüssen führen. Andererseits könnte dies aber auch auf Babypausen oder Pflegeverpflichtungen zurückzuführen und damit ein strukturelles Problem sein. Ab einem gewissen Alter setzt jedoch Altersdiskriminierung ein und kann den Vorteil von mehr Berufserfahrung ins Negative umkehren.
In der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen geht die Gehaltsschere deutlich zu, und das Stadt-Land-Gefälle verschwindet. Dies ist möglicherweise auf die unterschiedlichen Regelpensionsantrittsalter zwischen Männern (65 Jahre) und Frauen (60 Jahre) zurückzuführen. In schlecht bezahlten Jobs ist die Wahrscheinlichkeit, dass über das Regelpensionsalter hinaus gearbeitet wird, eher niedrig. Schlecht bezahlte Frauen treten deshalb eher „pünktlich“ aus dem Arbeitsmarkt aus, während schlecht bezahlte Männer weiterarbeiten. Dadurch wird die Schere zwischen den Geschlechtern in dieser Altersgruppe kleiner.
Selbst nach dieser Aufschlüsselung nach Gemeinden, Alter und Branchen gibt es noch unberücksichtigte Faktoren, die das Einkommen beeinflussen, ohne dass notwendigerweise Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt. Mehr zu diesem Thema lesen Sie hier .
Diskriminierung im rechtlichen Sinn liegt dann vor, wenn Gleiches ungleich behandelt wird. Wird beispielsweise eine ansonsten gleich qualifizierte weibliche Führungskraft nur aufgrund ihres Geschlechts weniger gut bezahlt als ihr männlicher Counterpart, herrscht Lohndiskriminierung vor.