beträgt die Frauenquote, die mit der wirtschaftlichen Leistung von Frauen zu legitimieren wäre.
Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind ein wichtiges Thema im aktuellen Frauenvolksbegehren. Eine der zentralen Forderungen lautet:
„Die verpflichtende Erstellung konkreter Maßnahmenpläne zum Abbau von Einkommensdifferenzen bei gleichwertiger Arbeit durch diejenigen Unternehmen, deren Einkommensberichte geschlechterdiskriminierende Unterschiede aufweisen.“
In der Praxis gibt es noch immer Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen . Das Frauenvolksbegehren 1997 forderte als Gegenmaßnahme einen Mindestlohn von 15.000 Schilling brutto, um die Gehaltsschere zwischen typischen Männer- und Frauenberufen zu verringern.
Das aktuelle Frauenvolksbegehren möchte das Problem an der Wurzel packen, erklärt Lena Jäger, eine der Initiatorinnen des neuen Frauenvolksbegehrens: „Wir müssen ganz klar sagen, dass Branchen neu bewertet werden müssen, weil ganz viele Branchen, in denen vor allem Frauen arbeiten, wesentlich schlechter bezahlt sind als beispielsweise Technik oder Finanzen. Eine Steuerberaterin beispielsweise bekommt zwanzigmal so viel wie eine Pflegerin – pro Stunde. Um dieses Problem anzugreifen, muss die Spanne zwischen Minimal- und Maximallohn thematisiert und neu bewertet werden. Eben diese Neubewertung der Branchen fordern wir – und nicht nur einen Mindestlohn.“
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit wurde bereits im Volksbegehren 1997 gefordert. Auf dem Papier ist die Forderung seit 1979 erfüllt: Damals wurde das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz beschlossen. Was hat sich inzwischen getan, wie sieht die Praxis aus?
„20 Jahre ist es her, dass sich fast 650.000 Menschen mit einer Unterschrift für die Gleichstellung von Frauen* in Österreich stark machten: passiert ist seither wenig bis nichts.“ Sagt Schifteh Hashemi, Sprecherin des Frauenvolksbegehrens 2.0.
Eine Gruppe rund um Maria Stern, Teresa Havlicek und Schifteh Hashemi griff die Idee des Frauenvolksbegehrens wieder auf. Zum Team gehören Journalistinnen wie Havlicek und Hanna Herbst, Hashemi ist Sozialökonomin, Maria Stern war aufgrund ihrer eigenen Erfahrung als Alleinerzieherin schon politisch aktiv, ebenfalls im Team sind Anwälte und Marketingexperten. Anlässlich des 20. Jahrestags des ersten Frauenvolksbegehrens wurde die Crowdfunding-Kampagne auf Startnext ins Leben gerufen, bei der Pressekonferenz zum Jubiläum wurden die Forderungen des Frauenvolksbegehrens 2.0 erstmals vorgestellt. Im Laufe des Jahres wurden viele – großteils öffentliche – Diskussionen geführt, die ursprünglich 15 Forderungen wurden auf neun reduziert, mit insgesamt 34 Unterpunkten.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) verpflichtet sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligungen von Frauen.
Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche Maßnahmen herzustellen:
Das erste Frauenvolksbegehren beinhaltete Forderungen nach Quoten, Pensionsansprüchen, Kinderbetreuungsplätzen, Karenzgeld, Kündigungsschutz nach der Karenz und Regelungen zur Teilzeitarbeit. Es bekam 644.977 Unterschriften, wesentlich mehr als nötig, um im Parlament behandelt zu werden, und wurde von zahlreichen Prominenten unterstützt. Neben den Frauenorganisationen von SPÖ und ÖVP, den Grünen und dem vollständigen Wiener Gemeinderat, unterstützten die ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal, die damalige Frauenministerin Barbara Prammer, Heinz Fischer, Alexander Van der Bellen, der Kabarettist Thomas Maurer, der damalige Bischof Bernhard Heitz und die Schriftstellerin Elisabeth Amann das Frauenvolksbegehren.
„Die Punkte von damals können heute eins zu eins übernommen werden. Einzelne sind zwar immer wieder aufgegriffen worden, aber bei manchen sind wir noch weit entfernt von einer Umsetzung. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist da ein ganz starkes Beispiel“, sagt Christa Pölzlbauer, ehemalige Vorsitzende des österreichischen Frauenrings. Pölzlbauer gehörte mit der Autorin Eva Rossmann und der Journalistin Elfriede Hammerl zur Gruppe der Initiatorinnen des ersten Frauenvolksbegehrens.
Obwohl die Frauenpolitik für viele nach Stillstand aussieht, wurden mittlerweile einige Forderungen des Frauenvolksbegehrens 1997 erfüllt.
beträgt die Frauenquote, die mit der wirtschaftlichen Leistung von Frauen zu legitimieren wäre.
Nach wie vor ist die Arbeitswelt einer der Bereiche mit den meisten Unterschieden. Das liegt unter anderem auch am hohen Anteil von Frauen in Teilzeitanstellungen . Arbeit wird nach wie vor ungleich verteilt.
Für das neue Frauenvolksbegehren entsteht dort ein Ansatzpunkt für eine ausgeglichenere Verteilung der Arbeit zwischen Frauen und Männern, wie Jäger erklärt: „Momentan haben wir von den Arbeitsstunden her ein Verhältnis von 40:20. Das können wir auch 30:30 aufteilen, das ist eigentlich die einzig logische Antwort.“ Das würde eine 30-Stunden-Woche für alle bedeuten – bei vollem Lohnausgleich, so die Forderung.
Das sorgt nicht nur bei Ökonomen für Kritik. „Ein Programm zur Arbeitsplatzvernichtung“ oder „zwischen unrealistisch und weltfremd“ wird das von einigen genannt. Durch die hohen Kosten, die sie verursache, könne die 30-Stunden-Woche außerdem Jobs gefährden.
Claudia Gamon, Frauensprecherin der NEOS, spricht von „sozialistischer Symptombekämpfung“. Stattdessen solle der Fokus auf Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts oder auf geschlechterspezifischen Rollenbildern liegen. Es sollten lieber geeignete Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen werden, um echte Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Auch die Frage der Quote, die den Arbeitsmarkt beeinflussen würde, spaltet die Frauenpolitik. Die einen lehnen diese in der Privatwirtschaft ab, andere sind der Überzeugung, dass es ohne einfach nicht geht.
Claudia Gamon, Frauensprecherin der NEOS: „Ich bin sehr wohl für Quoten in öffentlichen Institutionen, Ministerien und Universitäten. Einerseits weil das die Republik als Eigentümer selber entscheiden darf, aber auch weil es zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen sollte, wenn Steuergeld verwendet wird. In der Privatwirtschaft ist es für mich aber etwas komplett anderes, wo es mir aus Prinzip ein zu starker Eingriff in die Privatautonomie ist, der nicht zu rechtfertigen ist. Natürlich hätte ich gerne, dass Frauen zu 50 Prozent in Führungspositionen repräsentiert sein sollten, allerdings muss man da die strukturellen Unterschiede am Arbeitsmarkt angehen.“
Die ehemalige ÖVP-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat: „Ich bin eine glühende Verfechterin der Quote, weil sie das einzige ist, was wirkt. Überall dort, wo die Quote eingesetzt wurde, hat sie in überschaubarem Zeitraum Wirkung gezeigt. Besonders wenn Unternehmen auch fair sind und schon Berufsanfängerinnen unterstützen und fördern und diesen Aufstieg in Aussicht stellen, ohne dass man auf Familienplanung verzichten muss, dann ist die Quote keine Kosmetik, sondern wirklich eine unterstützende Maßnahme.“
Maria Fekter: „Ich habe in 27 Jahren Politik einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es funktioniert halt nicht ohne Quote, auch wenn mir persönlich die Quote unsympathisch ist.“
Schon das Frauenvolksbegehren 1997 forderte Quoten, allerdings nur als Anreizsystem. Stattdessen sollten Förderungen und öffentliche Aufträge nur an Betriebe vergeben werden, in denen „Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung“ vertreten sind. Für Christa Pölzlbauer ist trotzdem die Qualität entscheidend. Eine Quote um jeden Preis, die Frauen nur ob des Geschlechts bevorzugt, würde den Sinn nicht ausreichend erfüllen.
Das Frauenvolksbegehren 2.0 hat die damalige Forderung zwar übernommen, fordert aber auch die Hälfte aller Plätze auf Wahllisten und in Vertretungskörpern, in Interessenvertretungen, in der Sozialpartnerschaft, in Vorständen und Aufsichtsräten. Außerdem: wirtschaftliche Sanktionen bei Nichterfüllung.
In einigen Bereichen existieren inzwischen Quotenregelungen. Seit 1.1.2018 gibt es auch in Österreich eine verpflichtende Quote von 30 Prozent für Aufsichtsräte von börsenotierten Unternehmen oder solche mit permanent mehr als 1.000 Mitarbeitern. Im Dezember 2017 waren 21,1 Prozent der Aufsichtsräte in den betroffenen Unternehmen weiblich. Sanktionen bei Nichteinhaltung sind allerdings nicht vorgesehen.
Für staatsnahe Betriebe und den öffentlichen Dienst hat sich Österreich schon 2011 eine Frauenquote für Aufsichtsräte auferlegt. In den staatsnahen Betrieben zeigt sie langsam Wirkung, der Frauenanteil stieg von 2015 auf 2016 um 2,3 Prozent auf 40,3 Prozent. Innerhalb der Universitäten ist die Veränderung stärker zu bemerken, deren Gremien sollen schon seit 2010 zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein. 2013 lag der Anteil bei 45 Prozent, bei den Neuberufungen lag sie auch 2015 noch bei 33 Prozent.
Auch einige Parteien haben für ihre Wahllisten freiwillig Quoten eingeführt. In der ÖVP gingen in der letzten Legislaturperiode trotz Reißverschlusssystem nur 15 von 57 Mandaten an Frauen, auch jetzt sind nur 20 von 62 ÖVP-Mandataren Frauen. In der letzten Regierung waren doppelt so viele Wolfgangs wie Frauen vertreten. Sebastian Kurz hatte sich das Ziel gesetzt, gleich viele Frauen wie Männer in die Regierung zu berufen, soll aber Schwierigkeiten gehabt haben, das umzusetzen.
In Österreich gibt es seit dem letzten Jahreswechsel die erste Quote für die Privatwirtschaft. In Norwegen, Spanien, Island und Frankreich gibt es die verpflichtende Quote für Aufsichtsräte von börsenotierten Unternehmen schon seit Jahren. Darüber, wie sich das wirtschaftlich auswirkt, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Da es weltweit erst verhältnismäßig wenige Länder mit verpflichtenden Quoten gibt und diese Regeln oft noch sehr jung sind (Norwegen war 2008 das erste Land mit einer 40-Prozent-Quote in Aufsichtsräten), sind die ökonomischen Langzeitwirkungen noch kaum erforscht. Für Margit Schratzenstaller vom österreichischen Institut für Wirkungsforschung ist in den bisherigen Studien aber ein volkswirtschaftlicher Nutzen erkennbar.
Die Quote in Norwegen hat mit 40 Prozent einen Wert, der auch für Österreich darstellbar wäre. Das Frauenvolksbegehren 1997 forderte eine Repräsentation gemäß der Bevölkerungsanteile, was momentan knapp 51 Prozent entsprechen würde. Zieht man in Betracht, dass im Jahr 2016 Frauen gemäß Mikrozensus 2,7 Milliarden Arbeitsstunden geleistet haben, Männer hingegen insgesamt 4,1 Milliarden Stunden, wäre es naheliegend, nicht eine Frauenquote von 50 Prozent für angemessen zu halten, sondern eine von 40 Prozent – wie in Norwegen eben.
Wie von Margit Schratzenstaller angesprochen, wäre die Einführung einer Quote nur ein Aspekt, der mit weiteren Maßnahmen zur Veränderung von Rahmenbedingungen zusammenwirken müsste. Würde die Quote nur als einzelnes Instrument eingeführt, würde der Anteil von Frauen in Führungspositionen zwar höher, allerdings nur sehr langsam. Erst im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen könnten Frauen berufliche Aufstiegschancen uneingeschränkt wahrnehmen: Kinderbetreuung, Einkommensfairness und ein familienfreundliches Umfeld. Maßnahmen also, über deren Sinnhaftigkeit sich Befürworter und Kritiker von Quoten und Volksbegehren einig sind.
Während das erste Frauenvolksbegehren breite Unterstützung in der Öffentlichkeit erfuhr, gerät das aktuelle vor allem wegen einzelner umstrittener Forderungen in die Schlagzeilen. Die Forderung nach Abtreibung auf Krankenkassenkosten geht nicht nur der Erzdiözese Wien zu weit, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich halten nicht nur Ökonomen für unrealistisch.
Etliche Forderungen betreffen weniger Frauen- als allgemeine soziale Fragen: Geflüchteten soll verbesserter Schutz ermöglicht werden, Familienzusammenführung garantiert und ein vom Ehepartner getrennter Aufenthaltsstatus für geflohene Frauen ermöglicht werden. Gefordert wird außerdem ein Verbot von sexistischer Werbung und indirekt eine Reform der Presseförderung. In einigen Bereichen wird seit Jahren an Reformen gearbeitet, manche reichen einfach über Frauenpolitik hinaus. Deshalb gibt es Stimmen, die das Frauenvolksbegehren zwar für gut und wichtig halten, die gleichzeitig sagen, dass es wegen seiner extremen Themenbreite nicht unterstützt werden kann.
Zunächst einmal muss das Frauenvolksbegehren 2.0 im Frühling genügend Unterschriften sammeln. Aber auch die parlamentarische Behandlung garantiert noch keinen inhaltlichen Erfolg. Die Bilanz des erfolgreichen Frauenvolksbegehrens 1997 fiel nach einem Jahr der parlamentarischen Behandlung im Plenum und in Ausschüssen eher enttäuschend aus. Es wurden kaum Forderungen direkt umgesetzt. Immerhin kamen Themen auf die Agenda – im Parlament und in der Öffentlichkeit. In den Jahren danach wurden einige Unterpunkte umgesetzt. Ob es sich dabei um große oder zu kleine Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung handelte, bleibt Ansichtssache.
Ob das Frauenvolksbegehren 2.0 zum Erfolg wird, wird sich wohl ebenfalls nicht nur an der Anzahl der geleisteten Unterschriften ablesen lassen. Für Lena Jäger vom Frauenvolksbegehren 2.0 ist das aber auch gar nicht das Ziel: „Ich glaube, den politische Diskurs im Parlament wird es kaum geben. Aber der politische Diskurs wird draußen stattfinden, und seit der Wahl hat er sich auch schon verstärkt. Auch #metoo hat uns viel Aufschwung gegeben. Letztendlich geht es nur darum, dass Frauen aufhören zu schweigen – und das müssen wir damit erreichen.“