Österreich mag ein kleines Land sein, dennoch verfügt es über eine international bestens vernetzte Finanzbranche. Die heimischen Großbanken sind in zahlreichen Staaten vertreten – nicht zuletzt in Osteuropa. Dies hat einigen Kreditinstituten über die Jahrzehnte gute Gewinne beschert. Wie sich nun offenbart, zählt Österreich jedoch auch bei den Schattenseiten des Geldgeschäftes international zu den großen Playern.
Tiefe Einblicke in das Innenleben einer Bank mit Geldwäsche-Problemen gibt ein internationales Rechercheprojekt unter dem Titel „Troika Laundromat“ bzw. „Ukio-Leaks“. Die Ukio Bankas – eine mittlerweile von den Aufsichtsbehörden geschlossene Bank in Litauen – war nicht nur Drehscheibe für Milliardensummen mit Offshore- bzw. Osteuropabezug. Sie stand auch in Geschäftsbeziehung zu Raiffeisen in Österreich. Im Rahmen des Investigativprojekts wurden geleakte Daten von mehr als 1,3 Millionen Banktransaktionen und andere Dokumente augewertet. Die Daten hatten das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), die dänische Zeitung Berlingske und die litauische Online-Plattform 15min.lt erhalten. Sie wurden 21 Medienpartnern auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt. In Österreich arbeiten Addendum und das Nachrichtenmagazin Profil die Daten gemeinsam auf.
Die Recherchen zum Projekt „Ukio-Leaks“ führten zu einem bekannten Namen: Erich Rebasso. Der Rechtsanwalt mit besten Kontakten in den Osten wurde 2012 unter mysteriösen Umständen umgebracht. Damals war lediglich von einem angeblichen Anlegerbetrug die Rede, in den er ohne sein Wissen involviert worden war. Nunmehr zeigt sich, dass Rebasso für dubiose Kunden Gelder in dreistelliger Millionenhöhe durch Wiener Bankkonten geschleust hat – Konten, die auch beim erwähnten Anlegerbetrug eine Rolle spielten, der ihn das Leben kosten sollte.
Für große Aufregung sorgte bereits im Vorfeld der Berichterstattung eine Anzeige der in London ansässigen Fondsfirma Hermitage Capital Management, die Addendum vorliegt. Laut dieser Anzeige floss schmutziges Geld im Milliardenausmaß auf Konten bei österreichischen Banken. Besonders im Fokus steht die im Osten stark engagierte Raiffeisen-Gruppe. Die große Frage: Wie wird die österreichische Justiz mit diesem Fall umgehen?
Hermitage war zu Beginn der 2000er Jahre der größte ausländische Investor in Russland, bevor der Fonds bei der Regierung von Wladimir Putin in Ungnade fiel und letztlich geschlossen werden musste. Nun setzt die Firma seit zehn Jahren ihre Expertise dazu ein, Geldflüsse aus einem 230 Millionen Dollar schweren Kriminalfall in Russland nachzuverfolgen, bei dem Betrüger eine unberechtigte Steuerrückzahlung in dieser Höhe ergaunerten. Durch die Nachforschungen von Hermitage wurde ein global agierendes Geldwäschenetzwerk offengelegt.
Österreich spielt in diesem Netzwerk eine Doppelrolle: Einerseits werden heimische Banken genutzt, um hohe Beträge weiterzuleiten. Andererseits wird Geld aus dunklen Kanälen hierzulande wieder in den normalen Wirtschaftskreislauf eingespeist – etwa durch den Kauf von Luxusgütern oder Immobilien. Addendum-Recherchen zeigen, wie Zahlungen von einem Konto aus dem erwähnten Geldwäsche-Netzwerk an einen russischen Staatsbürger flossen, der praktisch gleichzeitig über eine Firma ein mehr als drei Millionen Euro teures Apartment in der Wiener Innenstadt kaufte. Wohnen soll er dort nun gemeinsam mit der früheren Generaldirektorin einer Staatsfirma, die hauptverantwortlich für den Immobilienmarkt in Moskau ist.
Durch die Anzeige von Hermitage rückt Österreich erstmals ins Zentrum der sogenannten Magnitsky-Affäre. Sergej Magnitsky war Mitarbeiter in der Moskauer Anwaltskanzlei, die für Hermitage tätig war. Er hat maßgeblich an der Aufdeckung des erwähnten Betrugsfalls mitgewirkt, in den auch hochrangige russische Beamte verwickelt gewesen sein sollen. Magnitsky wurde daraufhin seinerseits in Untersuchungshaft genommen, wo er nach einem Jahr verstarb. Hermitage-Chef William Browder geht davon aus, dass seine Gegner Magnitsky ermorden ließen. Browder konnte 2012 den US-Kongress davon überzeugen, ein eigenes Gesetz samt Sanktionsliste gegen zahlreiche involvierte Personen zu verabschieden. Addendum hat Browder vor die Kamera gebeten und mit ihm über die Rolle Österreichs im Rahmen des Geldwäsche-Netzwerks gesprochen.