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Die mysteriöse 300-Millionen-Dollar-Firma
10. März 2019 Geldwäsche Lesezeit 7 min
Laut einer aufsehenerregenden Anzeige flossen 967 Millionen Dollar in Zusammenhang mit einem internationalen Geldwäscheskandal nach Österreich. Knapp 300 Millionen davon gingen an eine einzelne Firma. Sie sitzt in den Niederlanden, erhielt das Geld vom litauischen Konto eines neuseeländischen Briefkastens und war Kundin von Raiffeisen in Wien.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Geldwäsche und ist Teil 6 einer 7-teiligen Recherche.
Bild: Lilly Panholzer | Addendum

Die Enthüllungen der vergangenen Tage haben international für Aufsehen gesorgt. Zunächst wurde bekannt, dass österreichische Banken – allen voran aus der Raiffeisen Gruppe – prominent in geleakten Daten auftauchen, die tiefe Einblicke in die Geschäftstätigkeit der litauischen Ukio Bankas geben. Diese Bank hatte ein veritables Geldwäsche-Problem und wurde mittlerweile von der Aufsicht geschlossen.

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Addendum berichtete zudem über eine Anzeige der britischen Fondsfirma Hermitage Capital bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien in Zusammenhang mit einem internationalen Geldwäscheskandal. Dabei geht es um – umgerechnet – 967 Millionen Dollar, die über Ukio und die ebenfalls mit Geldwäscheverdachtsfällen konfrontierten Danske Bank auf Konten in Österreich flossen. Laut Hermitage stehen die Zahlungen in Zusammenhang mit einem 230-Millionen-Dollar-Betrugsfall Ende 2007 in Russland bzw. mit anderen Straftaten. Der Addendum-Bericht wurde weltweit zitiert – von der New York Times über den britischen Guardian bis hin zum russischen Kommersant.

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Haben die Banken weggeschaut?

Eine zentrale Frage ist dabei: Hätten die österreichischen Banken, zu denen das Geld floss, Verdacht schöpfen müssen? Waren die Zahlungen besonders auffällig? Ein – in der Anzeige genanntes – Beispiel bezieht sich auf eine unscheinbare Firma mit offiziellem Sitz in den Niederlanden und Konten bei der Raiffeisen Zentralbank (RZB). Sie heißt Kaft BV und erhielt fast 300 Millionen Dollar – beinahe die Hälfte der bei der RZB gelandeten Gesamtsumme von 634 Millionen Dollar. Die Kaft BV war mit Abstand größte Empfängerin der erwähnten Zahlungen aus Litauen nach Österreich.

Informationen zur niederländischen Firma finden sich nicht nur in der Hermitage-Anzeige, sondern auch in den sogenannten „Ukio Leaks“-Daten: Daten zu mehr als 1,3 Millionen Banktransaktionen und andere Dokumente wurden im Rahmen eines internationalen Rechercheprojekts unter dem Titel „Troika Laundromat” bzw. „Ukio-Leaks“ aufgearbeitet. Die Daten hatten das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), die dänische Zeitung Berlingske und die litauische Online-Plattform 15min.lt erhalten und mit 21 Medienpartnern auf der ganzen Welt analysiert. In Österreich sind Addendum und Profil beteiligt. Dabei zeigte sich eine ganze Reihe von fragwürdigen Punkten.

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Neuseeland, Litauen, Niederlande

Das Geld für die Kaft kam von einem einzigen Konto bei Ukio – jenem einer Briefkastenfirma namens Impala Trans Limited. Die Impala wurde mittlerweile aufgelöst, hatte ihren Sitz jedoch in Neuseeland – und dennoch ein Bankkonto in Litauen. Laut Anzeige war eingetragene Geschäftsführerin der Impala Trans eine Frau namens Stella P. auf den Seychellen: Sie sei in Medienberichten als Geschäftsführerin von dutzenden von Unternehmen, die in illegale Geschäfte verwickelt gewesen wären, genannt worden. In der Anzeige wird auf einen Artikel des OCCRP verwiesen, dem zufolge im Jahr 2007 vier neuseeländische Firmen, deren Direktorin Stella P. war, beschuldigt worden wären, 40 Millionen US-Dollar für das Drogenkartell von Sinaloa gewaschen zu haben.

Bei der Kaft BV handelt es sich gemäß Hermitage-Anzeige wiederum um eine in den Niederlanden für ehemalige UdSSR-Bürger – „wahrscheinlich ukrainische Staatsangehörige“ – registrierte Gesellschaft. Zur Geschäftsverbindung zwischen Kaft und Impala heißt es in der Anzeige, dass „angebliche Verträge“ zwischen den Firmen aufseiten der Impala von einer Frau mit ukrainischem Reisepass unterzeichnet worden seien:

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Die Verträge deuten offensichtlich die Absicht derjenigen, die IMPALA TRANS Ltd. kontrollieren, an, ihre Identität zu verbergen und stattdessen die Identität von KAFT BV für den Kauf von „elektronischen Geräten“ und den Verkauf in die Ukraine zu verwenden, (…).

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Spezielle Services

Was ist damit gemeint? Addendum liegt ein sogenanntes „Service Agreement“ zwischen Kaft und Impala vor, das mit 1. Jänner 2008 in Kraft getreten sein soll. Darin steht, dass Impala – unter anderem – Elektrogeräte, Mobiltelefone, Autos, Fahrräder, Autoteile „etc. etc.“ kaufen und – unter anderem – in der Ukraine verkaufen möchte. Konkret heißt es im Vertrag „an“ die Ukraine – das ist aber wohl ein Missverständnis.

Kein Missverständnis gibt es im Vertrag, was die Rolle der Kaft anbelangt: Impala wollte demnach das Geschäft über niederländische Banken finanzieren. In diesem Fall wäre der Einkauf durch eine niederländische Firma vorzuziehen – „mit Blick auf die notwendigen Bank-Dokumente“. Mit anderen Worten: Impala wollte offenbar eine andere Firma vorschieben, weil es für sie selbst schwieriger gewesen wäre, von den Banken einen Kredit zu bekommen.

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Im Namen der Kaft

Kaft war – laut Vertrag – bereit, dieses Spiel mitzuspielen. Im Dokument ist festgehalten, dass die niederländische Firma „gewillt und fähig“ sei, die notwendigen Dienstleistungen für Impala zu erbringen – „auch den Einkauf von Waren in ihrem eigenen Namen, aber auf Kosten und Risiko von Impala”.

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Verbindung zu Ex-Politiker

Extra festgehalten wurde übrigens auch, dass die zu kaufenden Waren nicht in die Niederlande gebracht würden. Mit anderen Worten: Die Kaft sollte nichts weiter als ein Finanzierungs- bzw. Zahlungsvehikel sein – und möglicherweise auch den Transport von Waren arrangieren. Spannend ist, wer laut Vertrag zunächst aufseiten der Kaft für die Durchführung der Aktivitäten zuständig sein sollte: ein gewisser „Mr. V. Shulmeister”.

Dazu muss man wissen, dass die Kaft BV ursprünglich unter dem Namen Shulmeister BV gegründet worden war. Geschäftsführer war – offiziell nur bis April 2006 – ein gewisser Vladimir Shulmeister. Einem in den Niederlanden erschienenen Bericht zum „Troika Laundromat“ zufolge wurde Shulmeister im Jahr 2014 Vize-Transportminister der Ukraine. Diese Position hatte er bis 2015 inne.

Die Ukraine-Connection

Es ist denkbar, dass hinter den Millionen-Konten der Kaft BV bei Raiffeisen letztlich also hochkarätige ukrainische Klientel stand. Gemäß den „Ukio Leaks“-Daten wurde die Gesamtsumme von umgerechnet knapp 300 Millionen Dollar in mehr als 1.300 Einzelüberweisungen von September 2007 bis Juni 2010 auf die RZB-Konten der Kaft bezahlt. Ein Teil der Zahlungen erfolgte auch in Euro. Die Überweisungstexte deuten nicht auf das oben erwähnte „Service Agreement“ von 2008 hin, sondern auf frühere Vereinbarungen aus dem Jahr 2006. Auch hier ging es offenbar – unter anderem – um Elektronikgeräte, Mobiltelefone und Ersatzteile. Es liegt auf der Hand, dass bereits damals die Kaft Einkäufe für die Impala durchgeführt haben dürfte.

Addendum liegen mehrere Rechnungen der Kaft an die Impala vor, zum Beispiel eine über angeblich 3.402 Fotokameras um – inklusive Transportkosten – 1.258.614,72 Dollar. Fälligkeitsdatum war der 9. Juni 2008.

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Faksimile der Rechnung an Impala von über 3400 Kameras Faksimile der Rechnung an Impala von über 3400 Kameras

Tatsächlich findet sich in den „Ukio Leaks“-Daten eine Zahlung in genau dieser Höhe vom 28. August 2008 mit dem Vermerk „für Digitalkameras”. Auf Basis dieser Rechnung erfolgte also wirklich eine Zahlung von mehr als 1,2 Millionen Dollar.

Addendum liegt die Rechnung in elektronischer Form vor. Auffallend ist, dass es sich bei Firmenstempel und Unterschrift der Kaft-Direktorin um einen verschiebbaren Bild-Baustein handelt. Laut Firmenbuch war die Frau bereits am 6. Mai 2008 als Direktorin ausgeschieden. Als Erstellungsdatum findet sich in den Eigenschaften der Rechnungsdatei jedoch der 17. Juni 2008. Außerdem findet sich dort ein Titel in kyrillischer Schrift, der übersetzt so viel bedeutet wie „Vertrag für einen zinsfreien Kredit“. Und als Firma ist in den Dateieigenschaften ein großer russischer Ölkonzern genannt. Diese Auffälligkeiten zeigen sich auch bei mehreren anderen, ähnlichen Rechnungen.

Zypern-Firma mit Raiffeisen-Konto

Was steckt wirklich hinter den Zahlungen der Impala an die Kaft, die auf einem Konto bei Raiffeisen landeten? Addendum fragte bei der niederländischen Firma an, erhielt jedoch bis Redaktionsschluss keine Antwort. Impala wiederum wurde vor Jahren aufgelöst. In der Geldwäsche-Anzeige wird übrigens darauf verwiesen, dass eine Einzelhandelskette in Kiew der Compliance-Abteilung der Ukio Bankas Informationen über die Impala Trans zur Verfügung gestellt habe. Shulmeister war – einige Jahre, bevor er Vizeminister wurde – Chef dieses Einzelhandelsunternehmens.

Impala leistete nicht nur hohe Zahlungen an die Kaft BV. Auch an eine Firma namens Highton Construction Limited mit Sitz auf Zypern flossen laut vorliegenden Daten sage und schreibe rund 108 Millionen Dollar von der neuseeländischen Firma. Und zwar ebenfalls auf Konten bei Raiffeisen.

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Schwere Vorwürfe gegen Banken

Hermitage Capital erhebt in der Anzeige schwere Vorwürfe gegen Raiffeisen und gegen andere Banken, bei denen ebenfalls Zahlungen von Impala landeten – wenn auch in geringerem Ausmaß. In der Anzeige heißt es:

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Die oben genannten Umstände lassen auf eine Beitragstäterschaft der RAIFFEISEN Bank und anderer österreichischer Banken schließen, da in Anbetracht der kumuliert vorliegenden, verdächtigen Umstände, insofern, dass große Beträge von einer angeblich in Neuseeland registrierten Briefkastenfirma mit einer angegebenen physischen Adresse im Vereinigten Königreich, wo sie nicht ansässig war, mit einer angeblichen Geschäftsführerin auf den Seychellen und mit einem Konto in Litauen, wo sie nicht vertreten war, überwiesen wurden, davon auszugehen ist, dass die Mitarbeiter der RZB es zumindest für möglich hielten und sich damit abfanden, dass die überwiesenen Gelder aus einer Vortat im Sinne des § 165 StGB (Geldwäscherei, Anm.) stammten.

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Seitens der Raiffeisen Bank International (RBI), mit der die RZB in der Zwischenzeit fusioniert wurde, verweist man auch auf neuerliche Anfrage auf das Bankgeheimnis. Deshalb könne man dazu nichts sagen. In einer ersten Stellungnahme vor einigen Tagen verwies die RBI darauf, dass ein Teil der Vorwürfe schon Gegenstand intensiver behördlicher Untersuchungen gewesen sei, die bestätigt hätten, dass die Vorwürfe unbegründet seien. Damit spielte die RBI auf frühere Anzeigen von Hermitage Capital in Österreich an, die keinen Erfolg hatten, allerdings – soweit bekannt – durchaus anders gelagert waren.

Rebasso-Zahlungen Teil der 967 Millionen

In den Transaktionen, die Teil der 967 Millionen Dollar aus der Hermitage-Anzeige sind, findet sich übrigens auch ein bekannter Name aus Österreich – und zwar auf der Empfängerseite. Im März bzw. Dezember 2006 flossen insgesamt drei Zahlungen auf verschiedene Konten der Schulhof Investigation GmbH in Wien. Das war die Firma des 2012 umgebrachten Rechtsanwalts Erich Rebasso, über die Geldwäsche in großem Stil abgewickelt worden war.

Normalerweise transferierte die Schulhof GmbH ihrerseits Geld auf Konten in Litauen. In diesen Fällen war es umgekehrt: Eine Nixford Capital Corp überwies insgesamt mehr als 370.000 Dollar „for services“ – also „für Dienstleistungen“. Und eine Weenlix Trading Inc. zahlte 110.000 Dollar, und zwar „für Porzellan und Geschenkartikel“. Schwer vorstellbar, dass Anwalt Rebasso tatsächlich entsprechende Waren geliefert hat.

Die Weenlix ist in der Hermitage-Anzeige übrigens als zwölftgrößter Zahlungsabsender von Geldern nach Österreich im Zusammenhang mit dem 230-Millionen-Dollar-Betrug von Ende 2007 genannt. Das Geld an Rebasso muss jedoch einen anderen Hintergrund gehabt haben, da es bereits 2006 floss. Hermitage-Chef William Browder hat im Gespräch mit Addendum darauf verwiesen, dass die 967 Millionen Dollar, die nach Österreich gingen, aus verschiedenen kriminellen Handlungen stammen würden. Rebasso hat sein Geldverschiebe-System im Jahr 2008 selbst beendet und eine Sachverhaltsdarstellung an das Bundeskriminalamt geschickt. Die Justiz stellte die Ermittlungen später ein.  

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