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Operation „Frozen Herring“ – Geldwäsche am Donaukanal
4. März 2019 Geldwäsche Lesezeit 8 min
2012 wurde der Wiener Anwalt Erich Rebasso umgebracht – verdächtigt werden zwei Russen. Welche Geschäfte er für fragwürdige Klienten aus dem Osten konkret abgewickelt hatte, blieb im Dunkeln. Nun zeigt ein internationales Rechercheprojekt, dass eine Firma des Anwalts für Geldwäsche im großen Stil benutzt worden war.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Geldwäsche und ist Teil 2 einer 7-teiligen Recherche.
Erich Rebasso || Bild: Ronald Zak | AP

Es ist eine Überweisung, die eine Menge Fragen aufwirft: Ende April 2007 fließen 350.000 US-Dollar von einer Wiener Firma auf ein Konto bei einer Bank in Litauen. Offizieller Zahlungsgrund: eine Rechnung für „frozen herring“, also gefrorenen Hering. Einen Tag später zahlt die Wiener Firma weitere 500.000 US-Dollar – wieder für „frozen herring“. Spannend daran: Der angebliche Fischkäufer aus Wien ist nicht etwa ein international groß vernetzter Lebensmittelhändler. Es ist eine Mini-GmbH mit Sitz am Donaukanal, hinter der ein Wiener Rechtsanwalt steht. Und zwar nicht irgendeiner.

Das tragische Ende vorneweg: Mitte August 2012 findet ein Jäger die Leiche des Wiener Wirtschaftsanwalts Erich Rebasso in einem Wald in Niederösterreich. Der Jurist mit ausgezeichneten Kontakten nach Osteuropa war drei Wochen vorher plötzlich verschwunden. Rasch war von Entführung die Rede. Letztlich stellte sich heraus, dass er umgebracht worden war.

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Gewaltsamer Tod eines Anwalts

Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um zwei russische Ex-Polizisten. Die Verdächtigen wurden aufgrund einer schwierigen rechtlichen Gemengelage zwischen Österreich und Russland nie wegen der Tötung vor Gericht gestellt. Verurteilt wurden sie jedoch wegen Erpressung. Sie hatten – obwohl Rebasso bereits tot war – 435.000 Euro dafür gefordert, dass sie ihn freilassen würden.

Über das mögliche Motiv ist wenig bekannt: Rebasso soll von den Männern mit einem Anlagebetrug in Russland in Verbindung gebracht worden sein, bei dem Kleinanleger Geld verloren hätten. Das mag der Grund für die Tötung gewesen sein. Die tatsächlichen Geschäfte von Erich Rebasso spielten sich jedoch in einer völlig anderen Dimension ab. Dies zeigen Rechercheergebnisse im Rahmen des internationalen Investigativprojekts „Troika Laundromat“.

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Die russische Justiz würde nur wegen Mordes ermitteln, wenn Österreich das Verfahren abtritt. Das tut Österreich allerdings nicht, weil den Verdächtigen in Russland – zumindest auf dem Papier – die Todesstrafe drohen könnte.

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96 Millionen Dollar nach Litauen

Dabei wurden geleakte Bankdaten zu mehr als 1,3 Millionen Überweisungen und andere Dokumente analysiert. Erhalten haben die Daten die Investigativjournalismusplattform OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project), die dänische Zeitung Berlingske und das litauische Onlineportal 15min.lt. Die Dokumente wurden in weiterer Folge 21 Medienpartner auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt. In Österreich werten Addendum und das Nachrichtenmagazin Profil die Daten aus. Dabei stießen sie auf die Sache mit dem Hering – und einiges mehr.

Tatsächlich finden sich von Dezember 2006 bis Februar 2008 insgesamt 150 Zahlungen von einem Konto der Schulhof Investigation GmbH, die Rebasso gehörte und deren Geschäftsführer er war, auf Konten bei der Ukio Bankas in Litauen. Diese Bank wurde 2013 von den Aufsichtsbehörden geschlossen. Über sie sollen Kunden Geldwäsche in großem Stil betrieben haben. Tatsächlich lassen die Überweisungen, die Rebasso dorthin tätigte, den Schluss zu, dass es auch hier um das Durchleiten von schmutzigem Geld ging – und zwar in enormer Höhe. Die 150 einzelnen Transaktionen, die sich in den vorliegenden Datensätzen finden, summieren sich auf knapp 96 Millionen US-Dollar.

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Zahlungen an Offshore-Firmen

Empfänger waren allem Anschein nach in erster Linie Offshore- bzw. Briefkastenfirmen: Einer davon überwies Rebassos GmbH in Wien insgesamt mehr als vier Millionen Dollar – angeblich für Möbel bzw. Elektronikgeräte. Eine andere Empfängerfirma mit Konto in Litauen erhielt im Rahmen von 107 Einzeltransfers insgesamt rund 69 Millionen Dollar – angeblich für Mobiltelefon-Verträge. Im April 2007 zahlte Rebassos GmbH 156.000 Dollar – laut Buchungstext für Baumaterial. Eine andere Firma erhielt rund 446.000 Dollar für Obst- und Gemüsetransport. Und dann waren da natürlich noch die beiden Zahlungen für „gefrorenen Hering“ über insgesamt 850.000 Dollar.

Dies alles deutet stark auf Geldwäsche hin. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Anwalt Rebasso tatsächlich die erwähnten Güter ankaufte. Das ergibt sich nicht zuletzt aus seinen eigenen Angaben. Angaben, die er bereits im Dezember 2008 im Rahmen einer Sachverhaltsdarstellung beim Bundeskriminalamt gemacht hat. Addendum und Profil liegt das Papier vor.

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Anweisungen kamen per Gmail

Daraus geht hervor, dass die einzige Geschäftstätigkeit von Rebassos Schulhof GmbH – später Sostegno GmbH – im relevanten Zeitraum lediglich das Weiterleiten von Geld war. Auftraggeber seien zunächst drei angebliche Versicherungsunternehmen aus Russland gewesen. Diese hätten erklärt, in Russland ansässigen Personen auch bei der Durchführung von Auslandsüberweisungen behilflich zu sein, „indem zu überweisende Beträge übernommen, gesammelt an einen Treuhänder im Ausland weitergegeben und von diesem dann entsprechend der erteilten Aufträge an die jeweiligen Zahlungsempfänger weiterüberwiesen werden“. Der erwähnte Treuhänder sollte in diesem Fall offenbar Rebasso sein.

Der Anwalt ließ sich darauf ein und eröffnete ein US-Dollar-Konto. Genau von diesem Konto erfolgten die Zahlungen von insgesamt rund 96 Millionen Dollar zur Ukio Bankas nach Litauen. Da seine Firma laut Schreiben an das Bundeskriminalamt sonst keine Geschäftstätigkeit ausübte, ist klar, dass Rebasso den gefrorenen Hering, die Möbel, das Baumaterial und die Elektrogeräte nie zu Gesicht bekommen hat. Es ging lediglich um das Durchschleusen von Millionenbeträgen. Die konkreten Überweisungsaufträge kamen per E-Mail – und zwar von einer wenig offiziell wirkenden Gmail-Adresse.

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„Kontrollmöglichkeiten überfordert“

Die Recherchen haben ergeben, dass die russischen Kunden nicht nur Geld auf Konten bei der Ukio Bankas transferierten, sondern auch zu anderen Banken. Klar ist somit, dass die gesamten „treuhändischen Überweisungsaufträge“ weit mehr als die erwähnten 96 Millionen US-Dollar ausgemacht haben. Rebasso schrieb ans Bundeskriminalamt: „Die Transaktionen wurden im November 2006 begonnen und nahmen relativ bald einen größeren Umfang an, als ich erwartet hatte.“

Nachdem er im September 2007 noch einen weiteren Kontenkreis für derartige Finanztransaktionen eröffnet und darüber „erhebliche Umsätze transferiert“ hatte, zog der Anwalt Ende Februar 2008 die Reißleine. Offenbar war ihm das Risiko bewusst geworden. Er teilte dem Bundeskriminalamt mit: „Beendet habe ich diese Tätigkeit dann, wie erwähnt, Ende Februar 2008, neben anderen Gründen in erster Linie deshalb, weil der Umfang meine Kontrollmöglichkeiten überfordert hat, und ich diesen Zustand nicht weiter aufrecht erhalten wollte.“

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Geld aus Treibstoff-Betrug

Damit gab Rebasso vorsichtig zu erkennen, dass er offenbar den Hintergrund der Millionentransaktionen nicht ausreichend überprüfen konnte. Das wäre aber dringend nötig gewesen. Die Rechercheergebnisse im Rahmen des Projekts „Ukio-Leaks“ lassen wenig Zweifel daran, dass zumindest weite Teile der durchgeschleusten Gelder ursprünglich aus organisierter Kriminalität stammten – nämlich aus einem großangelegten Betrug mit überhöhten Treibstoffabrechnungen am Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Die Moskauer Finanzbehörde stellte später in Bezug auf dieses Verbrechen fest, dass ein Teil der Beute bei zwei „Versicherungsunternehmen“ gelandet war. Sie gehörten zu den erwähnten Überweisungs-Klienten von Anwalt Rebasso. Das Geld, das er für sie weiterleitete, stammte also offensichtlich aus einem Verbrechen.

Darüber hinaus wanderte weiteres Geld mit krimineller Herkunft über eines der Rebasso-Konten: Geld, das russischen Kleinanlegern mit gefälschten Verträgen abgenommen worden war, wie der Anwalt in seiner Sachverhaltsdarstellung an das Bundeskriminalamt darlegte. Es ist jener Anlegerbetrug, der ihn Jahre später das Leben kosten sollte. Sein Schreiben an die Ermittler schloss Rebasso mit folgenden Worten: „Ich bedaure es außerordentlich, offenbar für kriminelle Ziele instrumentalisiert worden zu sein und stelle anheim, die Angelegenheit der gebotenen strafrechtlichen Überprüfung zuzuführen oder gegebenenfalls an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Russischen Föderation via Interpol weiterzuleiten.“

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„Getäuscht und instrumentalisiert“

Addendum und Profil haben beim Bruder von Erich Rebasso, Michael Rebasso, nachgefragt. Michael Rebasso, seines Zeichens ebenfalls Anwalt, war nach dem Tod seines Bruders bei der Sostegno GmbH zunächst als Notgeschäftsführer eingesetzt worden. Er teilt mit: „Dass mein verstorbener Bruder Erich Rebasso Ende 2006 von – wie wir heute wissen – kriminellen russischen Klienten getäuscht, solcherart instrumentalisiert und als Treuhänder – dies zweifellos ohne sein Wissen – in Geldwäsche-Handlungen verstrickt wurde, ist eine in höchstem Maße betrübliche
Tatsache, die mir kurz nach seinem Tod im Sommer 2012 zur Kenntnis gelangte.“ Da war das System bereits seit gut vier Jahren beendet.

Michael Rebasso schreibt, dass ihm als Notgeschäftsfüher und späterer Liquidator der Sostegno GmbH keine Umstände bekannt geworden seien, „die darauf hindeuten, dass verdächtige Geldmittel oder sonstige Werte zweifelhafter Herkunft im Vermögen dieser Gesellschaft verblieben wären; diese Gesellschaft hat dezidiert fremde Gelder in Empfang genommen und nach Weisung der Auftraggeber weitergeleitet – all dies mehr als vier Jahre, bevor ich in die Verantwortung als Notgeschäftsführer berufen wurde.“ So habe auch die Staatsanwaltschaft Wien die Sache im Rahmen ihrer Ermittlungen von 2008 bis 2010 beurteilt.

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Michael Rebasso erklärt: „Es ist mir wichtig hervorzuheben, dass mein Bruder – bereits Ende 2008 – der Erste war, der im Wege einer umfassenden Sachverhaltsdarstellung an das Bundeskriminalamt um eine Aufarbeitung der Vorgänge durch die Justiz bemüht war, nachdem er erkannt hatte, dass er und seine Gesellschaft für kriminelle Ziele missbraucht worden waren. Die Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft Wien haben den Sachverhalt etwa zwei Jahre lang geprüft und die Ermittlungen Anfang 2011 eingestellt.“

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Staatsanwaltschaft „nicht zuständig“

Tatsächlich stellte die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen nicht nur gegen Rebasso ein, sondern auch gegen die von ihm in der erwähnten Sachverhaltsdarstellung angezeigten Russen. Die Ermittler schrieben lapidar: „Einstellung mangels österreichischer Zuständigkeit zur Strafverfolgung; Auslandstaten von Ausländern.“

Das wirft die Frage auf, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt versucht hat, die von Rebasso selbst aufgezeigten Hintergründe tiefergehend auszuleuchten. Eine diesbezügliche Anfrage an die Staatsanwaltschaft Wien blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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Raiffeisen: „Verpflichtungen erfüllt“

Wortkarg gab man sich auf Anfrage auch ein paar hundert Meter vom ehemaligen Sitz von Rebassos GmbH entfernt auf der anderen Seite des Donaukanals. Dort steht die Zentrale der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien – jener Bank, bei der das Konto eingerichtet war, über das die riesigen Geldtransfers liefen. Eine Sprecherin teilte schriftlich mit: „Aus rechtlichen Gründen (Bankgeheimnis gemäß § 38 Bankwesengesetz) ist es der RLB NÖ-Wien untersagt, auf Daten einer Geschäftsbeziehung mit Kunden einzugehen (oder ob jemand Kunde ist). Das Bankgeheimnis gilt zeitlich unbefristet. Die RLB NÖ-Wien schützt sich jedoch wie andere Banken auch vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch ein Bündel ineinandergreifender Maßnahmen mit dem Ziel, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung innerhalb ihrer Organisation vorzubeugen. Die RLB NÖ-Wien hat im von Ihnen genannten Zeitraum die jeweils geltenden gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfüllt und tut das auch heute.“

Tatsächlich dürfte auch die Bank eine gewisse Rolle dabei gespielt haben, dass Rebasso im Februar 2008 das Weiterleiten von Geldern stoppte. Offenbar war es Raiffeisen angesichts der transferierten Beträge zu viel geworden, und man machte Rebasso klar, dass er für diese Tätigkeit eigentlich eine Banklizenz benötigen würde. Zu diesem Zeitpunkt war freilich bereits ein dreistelliger Millionenbetrag über das Konto geflossen. Unter anderem für gefrorenen Phantom-Hering. 

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