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Projekt Gemeindefusionen: In eigener Sache
30. Januar 2019 Gemeindefusionen Lesezeit 3 min
Die Verwaltungskosten pro Kopf sind in den steirischen Gemeinden also von 2015 bis 2018 deutlich weniger stark gewachsen, als von uns ausgewiesen. Die Grundaussage unserer Datenauswertung, dass die Fusionierung bisher noch keine positiven Auswirkungen auf finanzieller Ebene hatte, verändert sich damit zwar nicht, aber ein Berechnungsfehler in der Höhe von 36 Millionen Euro tut natürlich weh. Nicht nur dem Land Steiermark, das damit den Erfolg seiner Gemeindefusion mutwillig in Zweifel gezogen sieht, sondern vor allem uns: Niemand macht gern Fehler, wir schon gar nicht.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Gemeindefusionen und ist Teil 5 einer 5-teiligen Recherche.
Bild: Addendum

In der Darstellung der finanziellen Effekte, welche die mit 1. Jänner 2015 wirksam gewordene Gemeindefusion in der Steiermark über den Zeitraum der ersten drei Jahre hatte, ist Addendum bedauerlicherweise ein Fehler unterlaufen: Den von uns ausgewiesenen Ausgaben-Peak im Jahr 2015 gab es nicht. Die Verwaltungskosten pro Kopf sind in den steirischen Gemeinden also von 2015 bis 2018 deutlich weniger stark gewachsen, als von uns ausgewiesen. Die Grundaussage unserer Datenauswertung, dass die Fusionierung bisher noch keine positiven Auswirkungen auf finanzieller Ebene hatte, verändert sich damit zwar nicht, aber ein Berechnungsfehler in der Höhe von 36 Millionen Euro tut natürlich weh. Nicht nur dem Land Steiermark, das damit den Erfolg seiner Gemeindefusion mutwillig in Zweifel gezogen sieht, sondern vor allem uns: Niemand macht gern Fehler, wir schon gar nicht.

Wie kam er also zustande? Jene steirischen Gemeinden, die im Zuge der Fusionierung neu entstanden, haben Verbindlichkeiten und Forderungen, die sie von ihren Vorgängergemeinden übernehmen mussten, auf eigenen Kostenstellen geparkt. Das heißt, die Kosten für eine ausständige Zahlung waren im Haushaltsabschluss 2014 bereits enthalten, wurden aber auf einer eigenen Kostenstelle auch ins Budget 2015 genommen. Bei Bezahlung der Verbindlichkeit oder Eingang der offenen Forderung wurde der Posten gegen die Buchung im Jahr 2014 auf null gestellt. In unserer Berechnung wurde das nicht berücksichtigt, es kam also zu einer Doppelbuchung.

Warum? Hätte man das nicht sehen müssen? Ja und nein. Dass unsere Experten die Doppelbuchung übersehen haben, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens ist es ziemlich ungewöhnlich, solche Dinge im operativen Haushalt abzubilden (es war allerdings, wie wir jetzt wissen, mit dem Rechnungshof abgestimmt und also in Ordnung), und zweitens erschien der Ausgaben-„Buckel“ einem wohlwollend-neutralen Betrachter vollkommen plausibel: Im ersten Jahr einer Restrukturierung fallen in der Regel Kosten an, die man als Investition in spätere Einsparungen verstehen kann. Das größte Risiko auch für den sorgfältigsten Datenanalysten liegt genau hier: in einer Abweichung, die im Gesamtkontext so plausibel wirkt, dass sie nicht ausreichend überprüft und hinterfragt wird.

Wie bereits erwähnt, denken wir, dass sich an unserer Grundaussage, wonach die steirische Gemeindefusion noch keine positiven finanziellen Auswirkungen hatte, nichts ändert. Muss sie das denn? Nein, muss sie nicht. Es könnte sein, dass in der Zwischenzeit tatsächlich in der Verwaltung eingespart wurde und dieses Geld in bessere Kinderbetreuung, mehr Sportplätze, Musikinstrumente oder Feuerwehrautos investiert wurde. Das herauszufinden, ist der Ansporn für weitere Recherchen, wir denken, dass die Abteilung 7/Gemeindereferat im Land Steiermark ein guter Partner für die Weiterentwicklung unserer Bemühung um Transparenz in den öffentlichen Finanzen ist.

Und natürlich kann man, wie das Land Steiermark, der Meinung sein, dass die finanziellen Auswirkungen gar nicht entscheidend sind (wozu hätte man dann aber eine Studie beauftragt, die ein Einsparungspotenzial von 40,9 Millionen Euro jährlich nahelegt?). Vor allem aber kann man – das sind wir auch – der Meinung sein, dass sich nachhaltige finanzielle Auswirkungen von Strukturreformen nicht sehr schnell zeigen und im Fall der Gemeindefusionen eine einschlägige Evaluierung erst nach acht Jahren oder noch besser zwei Legislaturperioden sinnvoll ist. Zwischenergebnisse können aber doch auch aufschlussreich sein. Vor diesem Hintergrund ist es fast schade, dass der Ausgaben-Peak 2015 ein Berechnungsirrtum ist: Hätte es ihn gegeben, würde das zeigen, dass sehr schnell in Umstrukturierungen investiert wurde, die dann auch rascher zu nachhaltigen Einsparungen führen.

Aber das ist eine andere Geschichte. Aus dieser Geschichte haben wir jedenfalls viel gelernt, vor allem aber eines: Misstraue allem, was zu plausibel erscheint. 

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