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Casino Baden Eröffnung 1934 (Bild: Casinos Austria)
Wo die Kugel seit 1934 rollt
12. Oktober 2017 Glücksspiel Lesezeit 5 min
Dieser Artikel gehört zum Projekt Glücksspiel und ist Teil 11 einer 23-teiligen Recherche.
Eröffnung des Casinos Baden im Jahr 1934 || Bild: Casinos Austria

Seit dem Frühjahr 2015, also seit nunmehr eineinhalb Jahren, wird intensiv um die Vorherrschaft bei den Casinos Austria gepokert. Ein tschechisches Konsortium dürfte nun demnächst – auch offiziell – größter Aktionär werden. Die Tschechen wollen sich damit aber nicht zufriedengeben, sie streben die alleinige Kontrolle im teilstaatlichen Konzern an . Die Casinos-Austria-Gruppe, die auch über die einzige Online-Spiel-Lizenz für Österreich verfügt, ist ein lukratives Unternehmen. 2016 hat sie einen Rekordumsatz von 3,89 Milliarden Euro erzielt. Die Verschiebung in der Eigentümerstruktur führte auch zu Änderungen in der Chefetage. Der langjährige Casino-General Karl Stoss zog sich diesen Sommer zurück, an der Konzernspitze steht nur der Tiroler Alexander Labak.

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Dass mit der rollenden Kugel gute Geschäfte zu machen sind, hat man schon vor mehr als 80 Jahren erkannt. Und wer welche Karten in der Hand hält, das war von Beginn an die Frage.

Es begann am Zauberberg

Die Ursprünge der Casinos Austria AG gehen auf das Jahr 1934 zurück, als die ersten Casinos am Semmering, in Baden und in Kitzbühel eröffnet wurden. Spekuliert wurde damals, woher das eingebrachte Kapital stammt. Klar war, dass der Gründer und ehemalige Postbeamte Konrad Fehringer eine Investorengruppe repräsentierte, der William D. Zimdin angehörte. Auch das Bankhaus Schelhammer & Schattera bzw. dessen Eigentümer Johann Wancura wurden mehrfach genannt.

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Faksimile Eröffnung Alpen-Casino am Semmering

Fehringer wurde von der ersten Hauptversammlung zum Generaldirektor und Wancura zum Präsidenten des Aufsichtsrats gewählt. Der öffentlichkeitsscheue Investor Zimdin war Mehrheitseigentümer des Hotels Panhans am Semmering, wo es das erste Casino Österreichs gab. Er hatte sich bereits seit längerem um eine Spielbankenkonzession bemüht, wohl auch deshalb war es für ihn interessant, hinter einem Strohmann zu agieren.

Kritische Berichterstattung

Die Casino AG war von Anfang an Objekt kritischer Berichterstattung. Von der undurchsichtigen Eigentümerstruktur über die „hunderten Existenzen“, die den Casinos zum Opfer fielen, bis hin zu Generaldirektor Fehringer, der 1937 nach mehreren Skandalen zurücktreten musste. Die Regierung hatte genug von den Skandalen um die Casino AG und wollte „eine gründliche Säuberung“ aller Angelegenheiten. Teil dieses Erneuerungsprozesses war auch die Auflösung des „Österreichischen Cercles“, der aufgrund der Aushöhlung des Inländer-Spielverbotes im Mittelpunkt öffentlicher Kritik stand. Denn spielen konnten neben Ausländern nur Mitglieder des „Cercle“ – oder wer von diesem eine Tageskarte ausgestellt bekam. Voraussetzung für die Aufnahme waren ein hohes Einkommen und ein einwandfreier Leumund.

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Faksimile Cercle-Gründung

„Todesopfer des Spielteufels“

Der öffentliche Ärger entzündete sich an mehreren tragischen Fällen, die offenbarten, wie wirkungslos der Spielerschutz war. Einer davon war der Suizid eines Ehepaares aus Niederösterreich:

Die Beamtin des städtischen E-Werks Klosterneuburg Anna Krottenthaler und ihr Ehemann Fritz verübten am 12. Jänner 1937 Selbstmord. Ein Abschiedsbrief klärte über die Hintergründe auf: Anna Krottenthaler hatte mehr als 60.000 Schilling von ihrem Arbeitgeber veruntreut und im Spielcasino Baden verspielt. Wenig später erhängte sich ihr Vorgesetzter, denn er konnte es nicht über sich bringen, „nach vierzigjähriger verdienstvoller Laufbahn über eine solche Sache zu straucheln“.

Die Reichspost schrieb über den „Fall Krottenthaler“: „Das Badner Spielkasino verzeichnet in der Liste seiner Todesopfer des Spielteufels zwei neue, die einen völlig unschuldigen Mann mit sich in den Tod gerissen haben. Die Verheerungen, die der Spielbetrieb in Baden, wie er heute gehandhabt wird, verbreitet, fordern die strengste Prüfung der Umstände heraus, aus denen das Unheil wuchert. […] Hier ist eine Eiterbeule in Bildung, die aufgestochen werden muß. Die Behörden werden sich der Aufgabe unterziehen müssen, in Leitung und Betriebsführung des Badner Kasinos Ordnung zu machen. Das Gewissen verbietet es, länger schweigend zuzusehen.“

Die „wahren Schuldigen“

Auch ein Wiener Prokurist sah 1937 nur noch Selbstmord als Ausweg. Zwar erkannten Angehörige und Vorgesetzte die Spielsucht des Mannes rechtzeitig und ließen ihn von der Leitung der Spielbank Baden sperren, doch es gelang dem Familienvater, weiterhin dort zu spielen. Seine Witwe klagte die Casino AG auf eine Rente, denn ihr Mann hinterließ nichts als Schulden. Wie das Verfahren vor dem Wiener Zivillandesgericht endete, ist nicht überliefert.

Als „die wahren Schuldigen“ dieser Fälle erkannte die „Neue Klosterneuburger Zeitung“ das Badener Spielcasino und seine Kooperationspartner, denn rund um den Casinobetrieb hatten sich auch Reiseveranstalter ein lukratives Geschäft aufgebaut. In Zusammenarbeit mit dem „Cercle“ wurden Busfahrten zu Spielcasinos organisiert, im Ticketpreis inkludiert: eine Casino-Tageskarte.

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Casino-Besuch in der Nazizeit nur in Baden

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Spielbetrieb zwar eingeschränkt, das berüchtigte Badener Casino blieb allerdings während des Krieges geöffnet. Denn das 1938 eingeführte deutsche Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken ermächtigte die Reichsregierung, Spielbanken in Kur- und Badeorten zu betreiben, die mindestens 70.000 Besucher jährlich mit einem Ausländeranteil von mindestens 15 Prozent aufwiesen.
Die Spielbankenkonzession, die der Casino AG nach Kriegsende restituiert wurde, musste im Jahr 1966 neu vergeben werden. Für den damaligen Finanzminister Wolfgang Schmitz und Bundeskanzler Josef Klaus eine gute Gelegenheit, den Glücksspielsektor zu reformieren. Klaus beauftragte seinen Kabinettsmitarbeiter und Wirtschaftsberater Leo Wallner, ein Konzept für die Zukunft des Glücksspiels in Österreich auszuarbeiten. Mittlerweile war die Casino AG zu 90 Prozent im Eigentum einer nordamerikanischen Investorengruppe, die ihre Anteile – Gerüchten zufolge – international weiterverkaufen wollte.

Im Jahr 1967 wurde die Österreichische Spielbanken AG gegründet und erhielt die Spielbankenkonzession. Wallner wurde auf Vermittlung des Bundeskanzlers zum Generaldirektor bestellt. Haupteigentümer waren die österreichischen Verkehrsbüros und das Bankhaus Schelhammer & Schattera.

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Merkwürdige Vorgänge

Die Konzessionsvergabe war von merkwürdigen Vorgängen begleitet, wie der Spiegel zehn Jahre später berichtete: „Kurz vor der fälligen Konzessionsverlängerung für die Alt-Gesellschafter  (der Österreichischen Casino AG, Anm.) wurde deren Generaldirektor Max Reithoffer bei Nacht und Nebel verhaftet; Grund: eine Serie anonymer Anzeigen wegen angeblichen organisierten Spielbetrugs. Obwohl der Direktor wenig später wieder auf freien Fuß kam, wurde die Konzession alsbald der neugegründeten Spielbanken AG übertragen. Das Verfahren gegen Reithoffer wurde ohne Anklage eingestellt.“

1968 öffnete die neue Konzessionärin ihre ersten Casinos. Mitte der 1980er Jahre änderte sie ihren Namen auf Casinos Austria AG. Das Glücksspielunternehmen und seine Tochterfirmen bieten auch verschiedene Arten des Lottos (z.B. „6 aus 45”), Sportwetten, Online-Glücksspiel und Video Lottery Terminals an. 2016 betrieb der Konzern 45 Casinos (inkl. fünf Schiffscasinos) in 14 Ländern, 12 davon in Österreich – und beschäftigte 4.233 Mitarbeiter weltweit. Das Inventar umfasste 569 Spieltische, 6.402 Spielautomaten und 1.666 Video Lottery Terminals. Allein in den zwölf österreichischen Casinos wurden laut Geschäftsbericht mehr als drei Millionen Besucher gezählt – ein Plus von zehn Prozent, nur in den ausländischen Spielbanken wurden ein leichtes Minus verzeichnet. Das vergangene Jahr gehört insgesamt zu den erfolgreichsten in der Unternehmensgeschichte. 

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