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Auf der Payroll des Glücksspiels
13. Oktober 2017 Glücksspiel Lesezeit 8 min
Dieser Artikel gehört zum Projekt Glücksspiel und ist Teil 13 einer 23-teiligen Recherche.
Bild: Lilly Panholzer | Addendum

Gerald Grosz, Spitzenkandidat des BZÖ Steiermark, verfasste an einem Septembertag des Jahres 2010 ein interessantes Mail mit mehreren Auffälligkeiten. Im Anhang befand sich eine 60.000-Euro-Rechnung der Hallo Graz Medien GmbH, ein sogenannter Druckkostenbeitrag für die BZÖ-Publikation Hallo Graz. In der Signatur stand: „Am 26. September. Liste Grosz.“ Sowohl Firmenname als auch Firmenadresse waren fehlerhaft geschrieben.

Ziemlich genau sechs Jahre später interessiert besagtes E-Mail des letzten Chefs einer mittlerweile von der politischen Landkarte verschwundenen Partei die Ermittler des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK). Warum schreibt ein oranger Politiker ein Mail für eine Gesellschaft, in der er laut Firmenbuch keine offizielle Funktion innehat? Weshalb legt ein Spitzenkandidat eine 60.000-Euro-Rechnung für eine Publikation, in der ganzseitige Inserate lediglich einen Bruchteil davon kosten? Aus welchem Grund sollte ein Wiener Gastronom, dessen Geschäfte als Partner des Glücksspielkonzerns Novomatic ausnahmslos in Wien abgewickelt werden, den Druck einer regionalen Grazer Partei-Publikation finanziell in einer derartigen Höhe unterstützen?

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Es begann mit einer Aussage

Als der Sachverhalt Ende September 2016 durch die Aussage eines langjährigen Geschäftspartners der Novomatic-Gruppe vor Korruptionsermittlern bekannt wird, liefert Grosz eigenwillige Erklärungsversuche: Er habe kein Inserat aus Wien erhalten und deshalb einen Druckkostenbeitrag in Rechnung gestellt; niemals habe er den leisesten Verdacht gehegt, da könne womöglich ein Unternehmen mit gewissen Absichten in politischer Landschaftspflege dahinterstecken; nein, sollte das Geld von einem Glücksspielkonzern stammen, dann hätte man ihm – einen Einzug in den steirischen Landtag vorausgesetzt – womöglich ein Kuckucksei ins Nest legen wollen, um ihn später einmal darauf hinzuweisen. Aber für so etwas würde er sich ohnehin nie hergeben.

Auch heute bleibt Grosz dabei: Alles bestens, alles rechtens, die Firma im Eigentum des steirischen BZÖ habe eben einem Wiener Geschäftsmann einen „Druckkostenbeitrag“ für eine Ausgabe verrechnet.

Dieser Wiener Geschäftsmann, Gastronom und Geschäftspartner der Unternehmensgruppe Novomatic, bestreitet dies allerdings vehement. Er behauptet in mehreren Einvernahmen vor Ermittlern, er habe das Konto seiner Beratungsfirma für eine Zuwendung an das steirische BZÖ zur Verfügung gestellt. Die Sache sei in einem Gespräch zwischen ihm, Ex-Novomatic-Generaldirektor Franz Wohlfahrt und dem damaligen BZÖ-Bundesobmann Peter Westenthaler bei einem Meeting im Novomatic-Forum vereinbart worden, weil das steirische BZÖ laut Umfragen auf sechs, sieben Prozent taxiert wurde, somit den Einzug in den Landtag vor Augen hatte, und man auch die Kleinpartei womöglich brauchen könnte, angesichts einer in der Steiermark stets stark und Glücksspiel-unfreundlich agierenden KPÖ. Also habe er als Geschäftsmann zwei Scheinrechnungen an eine Novomatic-Tochter gestellt und nach dem Eingang des Geldes, noch am selben Tag, die 60.000 Euro auf ein Konto der steirischen BZÖ-Tochterfirma weitergeleitet. Die Novomatic-Gruppe, Franz Wohlfahrt und Peter Westenthaler bestreiten diese Darstellung und den Verdacht der Parteienfinanzierung vehement; für alle gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

In der Tat erscheint es fragwürdig, warum ein Wiener Gastronom in der Steiermark, in der er keine geschäftlichen Aktivitäten verfolgt, werbliche Maßnahmen für 60.000 Euro setzen sollte, oder überhaupt, ohne Werbung, eine ganze Publikation bezahlen hätte wollen.

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Wende in den Ermittlungen: Quasi eine „Kulanzzahlung“

Seit der Wiener Gastronom Peter Barthold, 63, ehemaliger Profifußballer des SK Rapid Wien, später Fußballtrainer bei Vienna und Wiener Sportklub, per Selbstanzeigen den geschilderten Vorwurf der Parteienfinanzierung kundtat, sind mehrere Monate vergangen. Nach anfänglichen Dementis der Beschuldigten hat sich Franz Wohlfahrt, von 2004 bis 2014 Vorstandsvorsitzender des Glücksspielkonzerns, per schriftlicher Stellungnahme an die Korruptionsermittler gewandt. Darin offenbart der langjährige Konzernlenker, dass er sehr wohl gewusst habe, dass es eine Zahlung an das steirische BZÖ geben sollte, er bzw. Novomatic damit aber keine politischen Absichten verfolgten.

Tatsächlich“, heißt es in Wohlfahrts Schreiben, „hat sich Peter Barthold – zumal ich mit ihm auf Basis des Konsulentenvertrages immer wieder in Kontakt stand – im Sommer 2010 telefonisch an mich gewandt und mir mitgeteilt, dass er seinem Freund Peter Westenthaler versprochen habe, im Zuge des steirischen Wahlkampfes in einem der BZÖ Steiermark nahestehenden Printmedium zu inserieren. Er bat dringend darum, ihn hierbei mit einem Betrag von EUR 50.000,– zu unterstützen, weil er gerade in Liquiditätsschwierigkeiten sei. Dies wurde ihm von mir quasi als Kulanzzahlung auch gewährt. Wir haben dadurch Peter Barthold geholfen, nicht jedoch das BZÖ Steiermark unterstützt. Einen Wunsch der Novomatic, hier dem BZÖ Steiermark irgendwelche Zahlungen zukommen zu lassen, gab es nicht, zumal das BZÖ für die Automaten- und Wettbranche, und damit auch für Novomatic, keine Relevanz hatte (dies auch für den unwahrscheinlichen Fall ihres Einzugs in den Landtag).“

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Peter Barthold (Bild: Philipp Horak) Peter Barthold (Bild: Philipp Horak)
Peter Barthold

Konter

Barthold kontert dieser Darstellung in einer Vernehmung vom 5. Juli 2017 entschieden: „Ich habe Peter Westenthaler niemals versprochen, ein Inserat in einem dem BZÖ Steiermark nahestehenden Printmedium zu inserieren. Hierzu gebe ich an, dass ich erst als ich eine Rechnung von dieser Hallo Graz übermittelt bekommen habe, davon erfuhr, wer hier mein ,Gegenüber‘ ist. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wer hier in Person aus Graz an dieser Sache beteiligt sein sollte, nachdem ich mit Wohlfahrt und Westenthaler im Novomatic Forum diese Besprechung hatte. Dieser zufolge sollte ich eine Rechnung übermittelt bekommen und mit der Bezahlung derselben durch mich sollte das BZÖ Steiermark unterstützt werden.“

Barthold gibt weiter zu Protokoll: „Hintergrund dieser Rechnung bzw. Bezahlung sollte die Unterstützung des BZÖ Steiermark bei den Landtagswahlen sein, da es in der Steiermark betreffend das Glücksspiel große Widerstände gab und das BZÖ für die Novomatic so eintreten hätte können.“ Auch der Darstellung, er sei in Liquiditätsschwierigkeiten gewesen und habe sich die 50.000 Euro plus Umsatzsteuer für das BZÖ vom Novomatic-Konzern quasi borgen müssen, widerspricht der einstige Novomatic-Partner vehement: Dazu gebe er an, „dass im Sommer 2010 meine Geschäfte sehr gut liefen und ich überhaupt keine Liquiditätsschwierigkeiten hatte. Dies ist jederzeit in den Bilanzen ersichtlich.“

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„Seltsame Gestalten“ in der Säulenhalle

Der Oppositionspolitiker Peter Pilz hat sich in der letzten Dekade in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen immer wieder kritisch mit Vorgängen in Rüstungs- und der Glücksspielindustrie auseinandergesetzt. Zu Letzterer erklärt er generell: „Immer, wenn im Finanzausschuss glücksspielrelevante Gesetze zur Verhandlung angestanden sind, war plötzlich die Säulenhalle des Parlaments voll von seltsamen Gestalten, die sich sonst normalerweise in den Chefetagen von Casinos tummeln. Ja, da gibt es ein Lobbying, das ist nur mit der Rüstungsindustrie vergleichbar.“

Ist dem so?

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Von Stickler bis Wallner

Der ehemalige Lotterien-Chef Friedrich Stickler, seit Sommer 2016 mit einem Beratervertrag der Novomatic ausgestattet, gab bereits vor Jahren unumwunden zu, dass er einst eine Dienstreise auf dem Flughafen abgebrochen hatte, um bei Politikern zugunsten der Casinos Austria und seiner Lotterien zu intervenieren. Peter Westenthaler hatte sich bereits wegen einer von einem Mitarbeiter via simpler Google-Suche zusammengeschusterten, letztlich 300.000-Euro teuren „Studie“ zum Thema „Responsible Gaming“, die von einer BZÖ-Werbeagentur an die Lotterien verkauft wurde, zu verantworten. Und der mittlerweile verstorbene Leo Wallner, vier Jahrzehnte lang an der Spitze des Casinos-Konzerns, machte erst gar kein Hehl daraus, dass er unter anderem mit Inseraten in Parteipublikationen – von den Grünen einmal abgesehen – querbeet die politische Landschaft pflegte, mitunter pflügte, wohl auch beackerte.

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Von Schlögl bis Gusenbauer

Neben den Casinos hat offenkundig auch die Novomatic-Gruppe rasch erkannt, dass politische Kontakte dem Expansionsgedanken dienlich sein können. Auffällig oft hievten die Gumpoldskirchner Glücksspieler aktuelle oder ehemalige Politiker in wichtige Organfunktionen: Johannes Hahn (ÖVP) saß bis 2004 nicht nur an der Spitze des Managements, er war auch Chef der Wiener Volkspartei, später Wissenschaftsminister, dann EU-Kommissar. Karl Schlögl (SPÖ) bekleidete nach seiner Zeit als Innenminister ein Aufsichtsratsmandat, auch Altkanzler Alfred Gusenbauer sollte sich nach seiner politischen Laufbahn für den Konzern verdient machen, unter anderem in Deutschland, als Aufseher der Löwen-Entertainment, und als Netzwerker in Südamerika. Wie auch der in Brüssel exzellent vernetzte Ex-Kommissar Günter Verheugen. Oder Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer, der Agenturen, die immer wieder im Interesse der Novomatic agieren, hohe Rechnungen stellt. Im Burgenland wiederum fällt auf, dass just der viertklassige Fußballklub des ehemaligen Kleines-Glücksspiel-Chefverhandlers und Niessl-Vertrauten Christian Illedits (SPÖ) mit Werbebanden aus dem Umfeld des Novomatic-Konzerns („Admiral“) bedacht wird. Zufall oder Kalkül?

Zufall, erklärt Novomatic: „Sponsorings werden bei uns ausschließlich aufgrund sachlicher Kriterien vergeben. Dabei kommt es oft vor, dass wir auch kleinere Vereine unterstützen, weil wir das als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung als österreichischer Leitbetrieb sehen.“

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Harald Neumann, der aktuelle Chief Executive Officer der Novomatic Group of Companies wiederum kommt aus dem Bundesrechenzentrum, an das längst alle Glücksspielautomaten des Landes angeschlossen sein sollten. Er galt schon vor seiner Glücksspielzeit als hervorragender politischer Kontakter, sein Netzwerk soll von Peter Hochegger bis zu Karl-Heinz Grasser gereicht haben. Dies freilich zu einer Zeit, da von möglichen Malversationen im Einflussbereich dieser Herren noch keine öffentliche Rede war.

Bei näherer Betrachtung der Glücksspielindustrie hierzulande sticht ins Auge, dass kaum wissenschaftliche Publikationen existieren, die nicht von den Casinos oder der Novomatic-Gruppe unterstützt würden. Gerhard Strejcek etwa verfasste als Leiter des Zentrums für Glücksspielforschung an der Universität Wien einen Kommentar, seine Einrichtung lukriert 210.000 Euro pro Jahr von der Casinos Austria AG. Kurosch Yazdi, ein anerkannter Suchtforscher an der Linzer Wagner-Jauregg-Klinik, wird in Sachen Spielsuchtforschung wiederum von der Novomatic-Gruppe gefördert. Aber das soll so sein, meint dazu der Suchtexperte Reinhard Haller . Jene, die daran verdienen, mögen die Behandlung von Suchtkranken finanzieren.

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Der Chef als Kommentator

Besonders bemerkenswert erscheint der Umstand, dass der einstige Novomatic-Vorstandsvorsitzende Franz Wohlfahrt noch im Jahr 2006, als er bereits im Sold und an der Spitze des Konzerns stand, mit einem Kollegen, einem Novomatic-Anwalt, den wichtigsten Kommentar zur Novelle des Glücksspielgesetzes verfasste. Auf ebendiesen Kommentar berief sich laut Falter die Staatsanwaltschaft St. Pölten, als sie 2012 ein großes Verfahren gegen Novomatic einstellte. Stadtpolizeikommandos, Landeskriminalamt, Finanzämter, Staatsanwaltschaften und Spieler hatten wegen möglicher Umgehung des kleinen Glücksspiels rund 300 Anzeigen erstattet. Novomatic hatte in dem Verfahren offenbar angegeben, sich beim Automatenbetrieb auf Gutachten verlassen zu haben. Selbst wenn Novomatic-Manager rechtswidrig gehandelt hätten, sei das nicht strafbar, weil ein „allfälliger Rechtsirrtum nicht vorwerfbar ist“, hieß es seitens der Behörde. 

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