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Spielsüchtig – schon seit Jahrhunderten
14. Oktober 2017 Glücksspiel Lesezeit 6 min
Dieser Artikel gehört zum Projekt Glücksspiel und ist Teil 15 einer 23-teiligen Recherche.
Bild: Universal Museum Joanneum Gmbh

Der Mensch ist seit jeher ein Spieler. Homo ludens nannte ihn der niederländische Historiker Johan Huizinga und verortete im Spiel den Ursprung allen menschlichen Verhaltens. Das Spiel wurde aber nicht nur als harmlose Unterhaltung betrieben, sondern konnte auch gefährliche Formen annehmen.

Vom Homo ludens zum pathologischen Gambler

Die Chronisten der Antike berichteten ausführlich über die ausgeprägte Spielleidenschaft ihrer Zeitgenossen. Der Satiredichter Juvenal empörte sich über Senatoren, die sich ihre Spielkassen sogar in Sitzungen bringen ließen – wohl um dort dem Würfelspiel zu frönen. Der Historiker Tacitus nannte risikofreudige Germanen, die nach ihrem Hab und Gut auch ihre Freiheit als Einsatz gaben. Und der griechische Feldherr Themistokles sah die Notwendigkeit, allen Beamten das Spiel zu verbieten, da „nicht der Eindruck entstehen solle, als setze die Republik sich selbst aufs Spiel“.

1561 veröffentlichte der flandrische Arzt Pâquier Joostens die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Spielleidenschaft als Krankheit. Selbst an Spielsucht leidend, beschrieb er das Entstehen der Sucht, die Symptome und Ursachen sowie mögliche Heilverfahren.

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Erst 1991 anerkannt

Bis diese Suchtform von namhaften Institutionen anerkannt wurde, verging allerdings noch sehr viel Zeit. Die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft hat das pathologische Glücksspiel seit 1980 als Störung der Impulskontrolle in ihr Klassifikationssystem aufgenommen. Erst 1991 hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pathologisches Spielen als psychische Störung anerkannt. Dabei trachteten die Herrscher schon im alten Rom danach, ihre Bürger vor ruinösem Spiel zu schützen.

Doch die Spielleidenschaft des Menschen ist nicht nur gefährlich, sondern auch sehr lukrativ – vor allem für jene, die Spiele offerieren. Das erkannten private Anbieter ebenso wie Staaten und sogar kirchliche Institutionen. Papst Clemens XII. etwa setzte 1731 auf das Zahlenlotto, um Bauprojekte zu finanzieren. Regierungen versuchen bis heute, ihre Budgets mit Erträgen aus dem Glücksspiel aufzubessern. Und so waren es neben den Verboten vor allem die Ausnahmen davon, die die Entwicklung prägten.

Spielen im Burgtheater

Maria Theresia, der man selbst eine große Spielleidenschaft nachsagte, erlaubte 1759 die Nutzung des damals populären – jedoch illegalen – Pharo-Spiels (auch Faro- oder Pharao-Spiel, ein Kartenspiel; siehe Titelbild – es zeigt ein Faro-Spiel in Schloss Eggenberg/Graz) um sich von einer finanziellen Sorge zu befreien: dem drohenden Bankrott des Hofburgtheaters. Im Spielpatent wurde festgehalten, „daß in keinem anderen Orth, als in dem Theater nächst der k.k. Burg zu tailliren gestattet“ sei. Glücksspiel wurde zeitweise sogar zur bedeutendsten Einnahmequelle für das Theater. Die Verknüpfung von Theater und Spiel zeigte sich auch andernorts wie etwa am Teatro Regio in Turin. Dort sollen in Logen sogar Spiegel angebracht gewesen sein, die es erlaubten, während des Spielens die Aufführung zu verfolgen.

Quer durch die Geschichte zieht sich dieses Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates, seine Bürger zu schützen, und seinem ständig steigenden Bedarf an finanziellen Mitteln.

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Definition der WHO: Die Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung des betroffenen Patienten beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt.

Glücksspiel-Evolution

Würfelspiel

Spätestens seit 3000 v. Chr. verwenden Menschen Wurfgegenstände, um ihr Glück herauszufordern. Die Vorgänger des modernen Würfels waren kantige Knochen aus den Sprunggelenken von Schafen und Ziegen, mit deren Hilfe die Götter befragt wurden. Im antiken Mittelmeerraum verwendete man schon den bis heute gebräuchlichen Würfel, und bereits damals war das Spiel um Geld weit verbreitet, woran auch Verbote kaum etwas änderten. Die Popularität des Würfels – ob als Kinderspielzeug oder im Casino – ist bis heute ungebrochen.

Eine besonders grausame Variante des Spiels erlangte unter dem Titel „Frankenburger Würfelspiele“ traurige Bekanntheit: Im Mai 1625 kam es zum Aufstand von etwa 5.000 Männern der evangelischen Bevölkerung im oberösterreichischen Frankenburg. Ein römisch-katholischer Pfarrer sollte die evangelische Kirchengemeinde übernehmen. Da ihnen vom Statthalter Adam Graf von Herberstorff Gnade versprochen wurde, ergaben sich die Aufständischen schon nach drei Tagen. Die „Gnade“ war ein Würfelspiel der besonderen Art. Paarweise mussten die 36 mutmaßlichen Anführer des Aufstands würfeln: Die Sieger wurden begnadigt, die Verlierer starben durch den Strick.

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Kartenspiel

Im 14. Jahrhundert traten Spielkarten ihren Siegeszug über ganz Europa an. Arm und Reich gaben sich gleichermaßen gerne dem neuen Spiel hin. Es folgten Verbote, die meist nur für einfache Bürger galten. Der Adel, der im Spiel längst ein Statussymbol sah, blieb davon weitestgehend unbehelligt.

Das blieb auch über lange Zeit hinweg so, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1811 zeigt: Aloys Graf von Geniceo lud damals regelmäßig prominente Gäste zum verbotenen Kartenspiel um Geld in seine Wohnung am Wiener Stephansplatz ein. Spitzel in der Dienerschaft des Grafen lieferten Informationen an die Polizeioberdirektion, woraufhin Kommissäre der Polizei am Abend des 5. Jänner 1811 die Spielgesellschaft in flagranti überraschten. Zwei Gästen gelang es dabei, durch eine Tapetentüre ins Schlafzimmer des Hausherrn zu verschwinden und sich unter dessen Bett zu verstecken. Letztlich wurden sie jedoch entdeckt und so wie die restlichen Anwesenden von den Beamten vermerkt und vernommen. Trotz anfänglichen Leugnens waren binnen 14 Tagen fast alle Herren geständig. Größere Konsequenzen blieben aber aus, so dass bereits im Mai wieder von Spielen in der Wohnung des Grafen berichtet wurde. Ein hoher Beamter notierte, dass dieser „Überfall“ zwar „einiger Massen Schrecken“ verbreitet hätte, jedoch die betroffenen nun „den Unfug desto ungestörter neu treiben“ würden.

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Lotto

Das Lotteriespiel entwickelte sich im 15. Jahrhundert in Holland und Italien. Dauerhaft setzte sich die Variante des „Lotto di Genova“ durch. Gewettet wurde ursprünglich auf den Ausgang der Senatswahlen in Genua. Aus 90 Bewerbern wurden per Los zwei Senatoren nominiert, und wer auf die richtigen Kandidaten tippte, bekam einen Gewinn ausgezahlt. Schon bald wurde statt auf Senatskandidaten auf Zahlen gewettet, und das Konzept des Zahlenlottos war geboren.

Lotterien wurden häufig eingerichtet, um die Finanzierung einzelner Projekte sicherzustellen. In Hamburg etwa beteiligten sich mittels einer Lotterie 20.000 Spieler am Bau eines „Werck- und Zuchthauses“ (also eines Gefängnisses). In Wien wurde ein „Glückshafen“ (eine Art Tombola) veranstaltet, um ein Soldatenspital errichten zu können. Die Teilnehmer dieser speziellen Glücksspiele hatten meist die Chance auf Sach- oder Geldpreise.

In Österreich begann die Ära des Lottos unter Maria Theresia, die damit die finanziellen Folgen der Erbfolgekriege auszugleichen suchte. Die zuerst an einen privaten Betreiber verpachtete Lottokonzession wurde bald in staatliche Hände übernommen. Da ist sie – zumindest teilweise – bis heute. Dennoch hat der EuGH im Herbst 2010 entschieden, dass Glücksspiel-Lizenzen EU-weit auszuschreiben sind. Die Österreichischen Lotterien nahmen an der Ausschreibung für die Lotto-Lizenz teil und erhielten sie für weitere 15 Jahre.

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Roulette

Roulette ist – ähnlich wie das Würfel- und Automatenspiel – aufgrund seiner einfachen Regeln und Schnelligkeit besonders beliebt und repräsentiert das Casino wie kein anderes Spiel. Es wurde zum ersten Mal im 17. Jahrhundert gespielt. Wer dieses Spiel erfand, ist bis heute umstritten. Oft wird es dem französischen Mathematiker Blaise Pascal zugeschrieben. Sicher ist, dass dieser – vom Glücksspiel inspiriert – große Fortschritte in der Wahrscheinlichkeitsrechnung machte. In den deutschen Sprachraum gelangte das Roulette, nachdem im Jahr 1837 die großen französischen Spielbanken wegen des Glücksspielverbots schließen mussten und deren ehemalige Betreiber in deutschen Badeorten neue Niederlassungen eröffneten.

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Automatenspiel

Im Glücksspielsektor gehören die Automaten zu den vergleichsweise jungen Spielgeräten. Im 19. Jahrhundert kamen die ersten Würfelmaschinen auf. Die Gewinne wurden vom Betreiber ausgezahlt, da die Geräte dazu technisch noch nicht in der Lage waren.

Der charakteristischste Vertreter der Glücksspielautomaten ist der sogenannte „einarmige Bandit“. Der Spieler zieht am „Arm“ des Automaten und hofft, dass drei gleiche Symbole erscheinen. Erfunden und zuerst aufgestellt wurden diese Spielapparate in den USA, wo sie 1910 nach nur einem Jahrzehnt wieder verboten wurden. Später erweiterte man die Automaten um neue Bedienelemente, sodass nicht nur Glück, sondern – zumindest scheinbar – auch das Geschick des Spielers über Gewinn und Verlust entschieden. Die Einstufung als „Geschicklichkeitsautomat“ bedeutete, dass das Gerät damals nicht unter das Glücksspielverbot fiel. Die sogenannte „Ausspielungsverordnung“ regelte 1932 erstmals den Betrieb von Glücksspielautomaten in Österreich. 

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