Bundesvorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ)
Es war Anfang Februar 2018, als den ehemaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer eine kurze Anfrage zu seinen Geschäften in Rumänien erreichte. Wir waren am Ende einer umfangreichen Aufarbeitung des Dirty-Campaigning-Wahlkampfs der SPÖ 2017 – Stichwort: Tal Silberstein & Co. – auf eine offizielle Unterlage gestoßen, die Alfred G., als Geschäftsführer einer Firma mit Sitz in Bukarest auswies. Allein der Name klang interessant: Novotalica. Gusenbauers spontane Reaktion ebenfalls: Er rief uns umgehend zurück und sagte, er sei jetzt länger auf Urlaub.
Mehr als ein halbes Jahr später und nach intensiven Recherchen offenbaren sich neue Einblicke in eine Offshore-Welt, deren Komplexität Staunen hervorruft. Es geht um Firmenvehikel in den Niederlanden, um eine Holding in der Karibik, einen Glücksspielfonds auf Malta und zwischengeschaltete Gesellschaften auf Zypern. Es geht um die Spur des Geldes, die in diesem Fall überhaupt nur nachvollzogen werden kann, weil internationale Recherchekooperationen wie die für die Panama Papers von der Süddeutschen Zeitung und dem ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) Daten analysieren und Erkenntnisse untereinander austauschen.
Letztlich geht es aber um die Frage, die am Anfang jeder Recherche steht: Cui bono? – Wem nützt es? Wer zieht einen Nutzen daraus, dass derart komplexe Konstruktionen aufgesetzt werden? Was passiert, wenn man in diesen Kreislauf Geld einspeist? Und warum taucht immer wieder der Name Alfred Gusenbauer auf?
Bundesvorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ)
Abgeordneter zum Nationalrat
Bundesparteivorsitzender der SPÖ
Klubvorsitzender der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion
Bundeskanzler
Referatsleiter für Europa-Fragen, Arbeiterkammer NÖ
Aufsichtsrat ALPINE Holding AG
Aufsichtsrat SIGNA-RECAP Holding GmbH
Aufsichtsratschef STRABAG SE
Vorstandschef Haselsteiner Familien-Privatstiftung
Beratung für Kasachstan
Board of Directors Gabriel Resources Ltd.
Gesellschafter Cudos Advisors GmbH
Beginn der Lobbying-Aktivitäten zugunsten der ukrainischen Regierung
Aufsichtsrat RHI AG
Aufsichtsrat LÖWEN Entertainment GmbH
Gusenbauer empfiehlt Kern Zusammenarbeit mit Silberstein
Auf Anfrage von Addendum sagte der ehemalige Bundeskanzler und Parteiobmann der SPÖ, es habe sich ausschließlich um Freundschaftsdienste gehandelt. Gusenbauer als Starthelfer für seinen Freund Tal Silberstein für Geschäfte aller Art?
Tal Silberstein ist jener international tätige Politstratege, der auf Empfehlung von Gusenbauer im Nationalratswahlkampf 2017 für den Noch-SPÖ-Chef Christian Kern die Wahlkampfstrategie ausarbeitete, und dessen Dirty-Campaigning-Aktivitäten aufflogen, weil er in seiner Heimat Israel kurzfristig verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden ist. Ein Bild, das letztlich den Wahlkampf prägen sollte und die SPÖ wahrscheinlich auch den Kanzler gekostet hat.
Tal Silberstein hatte schon zuvor Probleme mit der Justiz. Auch in Rumänien, wo er gemeinsam mit dem israelischen Diamantenhändlers Beny Steinmetz angeklagt ist. Beide bestreiten sämtliche Vorwürfe. Die Beny-Steinmetz-Gruppe (BSG) wiederum hält Anteile an einem kanadischen Bergbau-Konzern, der ein höchst umstrittenes Goldminenprojekt in Rumänien vorantreiben will. Einer der „Directors“ des kanadischen Bergbau-Konzerns ist Alfred Gusenbauer.
Die 691 Tage Kanzlerschaft von Alfred Gusenbauer reichten offenbar aus, um sich ein feines weltweites Netz an nützlichen Kontakten zu spinnen. Zehn Jahre später lässt sich durchaus konstatieren, dass der heute 58-Jährige seine Adressen zu monetarisieren vermochte. Als Alfred Gusenbauer einst gefragt wurde, warum er der Hypo Alpe Adria für einen Vortrag im April 2009 gut 18.000 Euro in Rechnung gestellt habe, erklärte er: „Das Honorar entspricht den europäischen Standards für Vorträge in der Privatwirtschaft von ehemaligen Regierungschefs.“ Nachsatz: Ausnahmen seien etwa der frühere britische Premier Tony Blair oder der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder, die bedeutend höhere Tarife erzielen würden.
Kurioses Detail am Rande: 2011 stieg Schröder aus einem von Gusenbauer angeführten Beratergremium von Kasachstan aus. Er hatte mitbekommen, dass Gusenbauers segensreiches Wirken für das Nasarbajew-Regime mit 400.000 Euro pro Jahr dotiert war. Er aber sollte nur 300.000 Euro bekommen.
Reisediplomatie war schon immer seine Sache, auch als Bundeskanzler, als er offiziell Rumänien oder die Ukraine besuchte. Kiew sollte für ihn später auch finanziell eine Reise wert sein: als Chef der lange Zeit im Verborgenen operierenden Lobbying-Gruppe namens Hapsburg . Das geht zumindest aus Aufzeichnung des ehemaligen Trump-Wahlkampfberaters Paul Manafort hervor, die in den USA mittlerweile bei Gericht aufliegen. Und Alfred Gusenbauer ein weltweites Medienecho beschert haben.
Unsere Rechercheteam hat sich nicht nur durch das Dickicht aus Briefkastenfirmen gegraben und das Offshore-Firmenkonstrukt skizziert, es hat sich für einen Web-TV-Beitrag auch in jenen Ländern umgesehen, in denen Gusenbauer seine geschäftlichen Spuren hinterlassen hat. Eines wird bei dieser Tour d’Europe rasch klar: In seinem ganz speziellen Geschäftszweig spielt Gusenbauer in der Weltliga.