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Genosse Offshore
22. September 2018 Alfred G. Lesezeit 7 min
Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer war mit dem früheren SPÖ-Strategen Tal Silberstein geschäftlich noch enger verbunden, als bislang vermutet wurde. Addendum-Recherchen – unter anderem in einer neuen Tranche „Panama Papers“ – zeigen ein länderübergreifendes Firmengeflecht.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Alfred G. und ist Teil 2 einer 3-teiligen Recherche.
Bild: Lilly Panholzer & Ian Ehm | Addendum

Es ist nicht einmal zwei A4-Seiten lang und eher spärlich bedruckt. Dennoch bringt die Auftragsbestätigung für eine Banküberweisung Klarheit in ein Firmengeflecht, das sich von Rumänien über Zypern, die Niederlande und Malta bis in die Karibik erstreckte. Gerade in der Welt der Offshore-Destinationen und Briefkastenfirmen wird vieles bewusst so verworren angelegt, dass normalerweise ein Durchblick kaum möglich ist.

Es geht um Firmen mit Bezug zu Politikberater Tal Silberstein und zur Unternehmensgruppe des Diamanten-Milliardärs Beny Steinmetz. Erstmals zeigt das erwähnte Papier die inneren Zusammenhänge eines Geschäftskonstrukts, das bisher gar nicht oder nur in seinen einzelnen, scheinbar zersplitterten Teilen bekannt war: durch einen aufsehenerregenden Korruptionsprozess in Rumänien zum Beispiel, oder durch ein schiefgegangenes Glücksspielinvestment via Malta. Die aufgedeckten Zusammenhänge werfen allerdings auch ein neues Licht auf die Involvierung von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der ganz offensichtlich an mehreren wichtigen Punkten des Firmennetzes saß.

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Mit dieser Zahlungsanweisung vom 5. April 2017 sollten Gebühren für die Offshore-Firma „Riverside“ abgedeckt werden. Tatsächliche Empfängerin war nicht die angeführte „Starsight Trading LTD“, sondern die über die „Panama Papers“ gestolperte Großkanzlei Mossack Fonseca, welche über diese Kontoverbindung Geld einkassierte.

Die Panama Papers sind eine riesige Menge geleakter Daten der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama – einem zentralen Player im internationalen Offshore-Geschäft. Die Daten wurden der Süddeutschen Zeitung (SZ) zugespielt, die diese mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), einem Investigativnetzwerk in den USA, teilte. ICIJ und SZ riefen ein weltweites Rechercheprojekt ins Leben. Nunmehr wurde eine zweiten, späteren Tranche mit Papieren von SZ und ICIJ Medienpartnern auf der ganzen Welt zugänglich gemacht – darunter Addendum.

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Silberstein und das Raiffeisen-Konto

Die sogenannten Panama Papers, die international in den vergangenen Jahren Licht ins Dunkel unzähliger dubioser Deals und Geschäftsbeziehungen gebracht haben, helfen auch hier bei der Aufklärung. Die oben abgebildete Zahlungsbestätigung, die Addendum in einer neuen Tranche dieser Daten gefunden hat, zeigt Folgendes: Am 5. April 2017 wird eine Geldüberweisung in Auftrag gegeben, und zwar über ein Konto bei der Raiffeisen Bank International (RBI). Die Transaktion wirkt – vom Betrag her – nicht spektakulär. Es geht gerade einmal um 2.213,00 Euro. Das sind in der Liga, in der die involvierten Personen üblicherweise unterwegs sind, Peanuts.

Entscheidend sind jedoch die Verweise auf Firmen- bzw. einen Personennamen, die sich auf dem Papier finden. Als „User“, der die Überweisung allem Anschein nach in Auftrag gegeben hat, scheint nämlich die Abkürzung „TZYLBERS“ auf. Das lässt wenig Interpretationsspielraum zu – vor allem, wenn man weiß, dass Tal Silberstein in offiziellen Dokumenten mitunter auch „Tal Zylbersztejn“ geschrieben wird.

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Einmal offshore um die Welt

Silberstein, das ist jener Mann, dessen geheim betriebene Facebook-Seiten die SPÖ im vergangenen Wahlkampf schwer in die Bredouille brachten (Addendum berichtete).  Der umstrittene Politberater arbeitete jedoch schon früher für die Sozialdemokraten – und hat ein besonders gutes Verhältnis zu Gusenbauer.

Nun findet sich also eine Geldüberweisung, die unter Silbersteins Namen durchgeführt wurde. Um die Brisanz zu verstehen, empfiehlt es sich, den Zahlungsauftrag von oben nach unten durchzugehen. Die Zusammenhänge, die dabei ans Licht kommen, wirken fast schon weltumspannend und auf den ersten Blick undurchschaubar. Letztlich geht es dabei aber nur um einen kleinen Personenkreis und dessen hinterfragenswerte Geschäfte. Zeit für eine Offshore-Rundreise mit Gusenbauer & Friends:

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Brisanter Vertrag in Gerichtsdokumenten

Es hängt also offensichtlich alles irgendwie zusammen im Imperium Silberstein, Steinmetz, Gusenbauer. Diesen Eindruck verstärken auch Informationen aus dem rumänischen Gerichtsverfahren gegen Silberstein, Steinmetz und andere Personen, auf die die dortige Investigativplattform RISE Project gestoßen ist: Einem Vertrag aus dem Jahr 2014 zufolge sollte die Firmenstruktur nämlich umgeschichtet und die Firma „Reciplia“ von der „Riverside“ an die – von Gusenbauer in den Niederlanden gegründete – „AG Global“ übertragen werden, unter Übernahme von Verbindlichkeiten in Millionenhöhe. Steinmetz und Silberstein haben sämtliche Vorwürfe in Zusammenhang mit der Causa in Rumänien immer vehement zurückgewiesen.

Addendum fragte den Ex-Kanzler nach der brisanten Verbindung zur – in den rumänischen Korruptionsprozess verwickelten – Firma „Reciplia“. Schließlich ist er laut Firmenbuch nach wie vor Direktor einer Stiftung in den Niederlanden, der die AG Global gehört. Gusenbauer gab keine Details an und antwortete auf Anfrage von Addendum nur allgemein: „Ich hatte niemals eine Geschäftsbeziehung mit Herrn Steinmetz. Ich habe keine aktuelle Geschäftsbeziehung mit Tal Silberstein. Ich habe Tal Silberstein geholfen, seinen Fonds auf Malta aufzusetzen, der mangels Geschäftsentwicklung in der Zwischenzeit liquidiert wurde. Ich habe niemals Entgelte oder Auszahlungen für meinen Freundschaftsdienst erhalten. Die Existenz der meisten von Ihnen aufgezählten Firmen ist mir nicht bekannt.“

Weitere Rumänien-Connection

Der erwähnte Firmentransfer dürfte noch nicht stattgefunden haben. Jedenfalls tauchen in der jüngsten verfügbaren Bilanz der „AG Global“ per Ende 2016 keine Verbindlichkeiten in entsprechender Höhe auf. Gut möglich, dass hier vorerst das Gerichtsverfahren dazwischen gekommen ist. Eine Zahlung, die die Firmen miteinander in Verbindung bringt, wurde – wie beschrieben – aber durchgeführt. Betont sei freilich, dass es gegen Gusenbauer in Zusammenhang mit dem Rumänien-Verfahren gegen Silberstein und Steinmetz keinerlei Vorwürfe gibt.

Unabhängig davon scheint interessant, dass der Mann aus Ybbs, der von Jänner 2007 bis Dezember 2008 Österreich regierte, später einmal Geschäftsführer einer anderen Firma in Bukarest werden sollte. Und zwar einer Firma, die einerseits einen Bezug zum Silberstein-Steinmetz-Netzwerk aufweist. Und andererseits überraschend ähnlich klingt wie ein großer Glücksspielkonzern aus Niederösterreich.

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Einverständniserklärung aus dem rumänischen Firmenbuch: Alfred Gusenbauer akzeptiert die Bestellung zum Geschäftsführer – „Administrator“ – der Firma „Novotalica“.

„With full powers“

Die Firma „Novotalica Gaming Holdings SRL” wird Ende 2008 gegründet – ursprünglich unter einem anderen Namen. Ab Herbst 2011 heißt sie dann wie eine Mischung aus „Novomatic“ und „Tal Silberstein“. Ein paar Wochen später ist Gusenbauer mit an Bord. Addendum liegt die vom Ex-Kanzler unterzeichnete Einverständniserklärung vor, derzufolge er seine Zustimmung gab, zum „Administrator“ der „Novotalica“ bestellt zu werden. Das Dokument findet sich im Firmenbucharchiv und wurde auf Anfrage von Addendum vom „Investigative Dashboard“ – ein Service des Journalistennetzwerks OCCRP – ausgehoben.

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Laut Firmenbuch wurde Gusenbauer auf unbestimmte Zeit zum Geschäftsführer mit vollem Pouvoir („with full powers“) der „Novotalica“ ernannt. Eine Abberufung zu einem späteren Zeitpunkt ist aus den vorliegenden Dokumenten nicht ersichtlich. Er dürfte die Funktion somit bis zur Liquidation der Firma Mitte 2013 innegehabt haben. Medienberichten zufolge soll die Novotalica versucht haben, mit der staatlichen rumänischen Lotteriegesellschaft ins Geschäft zu kommen. Dabei ging es um sogenannte Video-Lotterie-Terminals – ein Bereich, in dem auch Novomatic unterwegs ist. Im Endeffekt dürfte daraus allerdings nichts geworden sein.

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Die Novomatic-Connection

Hat der Glücksspielkonzern aus Niederösterreich die Lobbying-Power des österreichischen Ex-Kanzlers und des in Rumänien als Politikberater bekannten PR-Profis Silberstein aufgeboten, um groß ins Geschäft zu kommen? Novomatic erklärt auf Anfrage zusammengefasst: „Wir haben und hatten keine verbindliche Geschäftsbeziehung mit Novotalica.“

Unbestritten ist freilich, dass Gusenbauer als Berater jahrelang im Sold von Novomatic stand. Interessant ist, dass auch „Novotalica“ Teil des großen Gusenbauer-Silberstein-Firmennetzes sein dürfte: Direkte Eigentümerin war eine Firma auf Zypern. Diese gehörte jedoch ihrerseits jener Firma „Riverside“, die auf der Überweisungsbestätigung aus dem April 2017 aufscheint. Silberstein ließ eine Anfrage von Addendum unbeantwortet.

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Die Spur zum Diamanten-Milliardär

Gusenbauer und Silberstein waren also geschäftlich noch viel enger verstrickt als bisher bekannt. Welche Verbindungen gibt es aber zum Diamanten-Milliardär Steinmetz bzw. zur nach ihm benannten Firmengruppe? Eine wichtige Rolle bei vielen der erwähnten Firmen – von Malta über die Niederlande bis Rumänien – spielten eine langjährige Beraterin und ein Mitarbeiter der „Beny-Steinmetz-Group“ („BSG”).

Für Interesse sorgte zuletzt die heikle Eigentümerfrage bei einer der Firmen aus dem oben beschriebenen Netzwerk – und die Frage, ob Beny Steinmetz in einem Gerichtsverfahren möglicherweise nicht die volle Wahrheit dazu ausgesagt hat. Im September 2017 wurde der Milliardär nämlich von einem israelischen Richter zur Korruptionscausa in Rumänien befragt. Und Steinmetz gab an, er sei lediglich Berater für eine Treuhandfirma gewesen.

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Transparenz per Mail

Dieser Darstellung widerspricht ganz offensichtlich ein E-Mail vom 25. Jänner 2017 aus der neuen Tranche der „Panama Papers“, über das RISE Project im Juni 2018 berichtete. Das Mail stammt von einem Mitarbeiter einer Firma der „Beny Steinmetz Group“ und diente der Offenlegung des sogenannten „Ultimate Beneficial Owners“ – also des tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten:

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Die Artikel beziehen sich auf die Joint-Venture-Firma Reciplia Ltd (…) und auf einige ihrer UBOs, von denen Herr Beny Steinmetz einer gewesen ist.

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E-Mail an die Kanzlei Mossack Fonseca nach Auftauchen kritischer Zeitungsberichte: Den Angaben zufolge war Beny Steinmetz einer der tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten der „Reciplia Ltd“.

Anwälte von Beny Steinmetz teilen auf Anfrage mit:

Unser Mandant hat – wahrheitsgemäß – ausgesagt, dass sein Einfluss und seine Einbindung in Geschäfte der Reciplia Limited minimal waren. Unser Mandant war lediglich als Berater für eine Treuhandgesellschaft tätig, die – indirekt – einer der Eigentümer der Reciplia Limited war.

Festgehalten sei, dass die Eigentümerstruktur der Steinmetz-Gruppe komplex ist. Hinter einigen der Firmen dürften zumindest in der Vergangenheit formell ein  Stiftungskonstrukt in Liechtenstein gestanden sein. Zu deren Begünstigten gehörte dann wiederum Steinmetz.

In Bezug auf die Korruptionsvorwürfe in Rumänien hieß es zu Prozessbeginn, Steinmetz habe in diesem Zusammenhang gar keine aktive Rolle gespielt. Für den Milliardär dränge sich auf, dass das Verfahren politisch motiviert sei. Er sei überzeugt, dass sich sämtliche Vorwürfe als unberechtigt erweisen würden.

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Im zitierten E-Mail geht es jedenfalls genau um jene Firma „Reciplia“ aus dem Gusenbauer-Silberstein-Netzwerk. Damit schließt sich der Offshore-Kreis.  

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