Es ist die politisch heikelste Entscheidung, die die Justiz derzeit zu treffen hat: Wird der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach mehr als fünf Jahren Ermittlungsverfahren in der sogenannten Causa „Top Team“ angeklagt? Der Fall lag bis zuletzt im Justizministerium zur – wahrscheinlich – finalen Prüfung. Würde Anklage erhoben, käme das einem Super-GAU für die Sozialdemokraten gleich. Am 4. März findet in Kärnten die Landtagswahl statt. Kaiser bestreitet sämtliche Vorwürfe und hat angekündigt, bei einer rechtskräftigen Anklage und der Fixierung eines Prozesstermins zurückzutreten.
Das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Gesundheitslandesrat Kaiser startete Mitte 2012 mit einer Anzeige des Landes Kärnten, vertreten durch den damaligen freiheitlichen Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Die Ermittlungen umfassten zahlreiche verschiedene Verdachtsmomente gegen Kaiser, mehrere seiner Mitarbeiter, andere Kärntner SPÖ-Politiker und mehrere Auftragnehmer des Landes. Einige der Vorwürfe hat die Staatsanwaltschaft im Laufe der Zeit fallen lassen, andere nicht.
Im Zentrum des Verfahrens steht die Zahlung von 140.040 Euro an die Werbeagentur „Top Team“ im Dezember 2009. Diese wurde vom Büro Kaisers veranlasst. „Top Team“ stand damals im Alleineigentum der Kärntner SPÖ. 97.958,81 Euro buchte die Agentur im Jahr darauf für eine Erste-Hilfe-Kampagne Kaisers ab, 42.081,19 Euro blieben bis zum Herbst 2012 auf dem Konto von „Top Team“ liegen. Die Zahlung an die parteieigene Agentur scheint aus verschiedenen Gründen fragwürdig.
In einem Abschlussbericht vom 7. Oktober 2014 schrieb das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK), das die Ermittlungen für den Staatsanwalt durchführte, es bestehe der „begründete Verdacht“, dass mehrere Beschuldigte – darunter Kaiser – „durch Veranlassung Herstellung und Genehmigung inhaltlich falscher Rechnungen Vermögenswerte des Landes Kärnten beiseite geschafft und dieses somit um € 140.040,- geschädigt haben.“
Darüber hinaus ging es im Ermittlungsverfahren unter anderem um einen – über Kaisers Büro bezahlten – Druckkostenbeitrag für eine Feuerwehrzeitschrift. Darin war ein Inserat mit dem damaligen Landesrat zu sehen. Hier stellt sich die Frage, ob es sich um versteckte Parteiwerbung auf Landeskosten gehandelt haben könnte.
Und es ging um die Beschaffung von Werbeartikeln in großem Stil durch einen Mitarbeiter Kaisers mithilfe inhaltlich falscher Rechnungen. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe.
Hauptpunkt ist die Zahlung von 140.040 Euro aus Landesmitteln an die damals SPÖ-eigene Agentur „Top Team“. Diese fand unter fragwürdigen Umständen statt. Dass nicht schon längst eine Anklageschrift bei Gericht eingebracht wurde, liegt unter anderem daran, dass der ermittelnde Staatsanwalt Mitte 2016 von seiner Oberbehörde, der Oberstaatsanwaltschaft Wien, per Weisung zurückgepfiffen wurde. Dies berichtete damals das Magazin News. Der Fall zeigt deutlich, wie massiv im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Weisungskette Einfluss auf Entscheidungen genommen werden kann.
Allerdings gelangen die Details derartiger Weisungen so gut wie nie an die Öffentlichkeit. Die Causa „Top Team“ ist hier eine Ausnahme. Anhand des Papiers, das Addendum vorliegt, kann man sich ein gutes Bild vom Vorgehen der Oberbehörden machen. Erwähnt sei, dass nicht nur die Oberstaatsanwaltschaft, die die Weisung ausformulierte, damit befasst war, sondern die Sache bereits damals auch vom Justizministerium und vom sogenannten Weisungsrat geprüft wurde.
In dem 15-seitigen Dokument vom 20. Juli 2016 „ersucht“ die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), die „im Entwurf vorgelegte Anklageschrift (…) nicht bei Gericht einzubringen“, sondern stattdessen das Ermittlungsverfahren in Bezug auf drei Teilbereiche fortzusetzen.
Die Weisung im Detail:
Betroffen war der Hauptpunkt, also die Zahlung an die Agentur „Top Team“.
Die OStA verwies auf einen rechtlichen Aspekt des Untreue-Paragrafen: Untreue begeht, wer seine Befugnis missbraucht, über fremdes Vermögen zu verfügen, und dabei einen Schaden verursacht.
Das fremde Vermögen wäre in diesem Fall das Landesgeld. Allerdings verweist die OStA darauf, dass der unmittelbare Täter bei der Untreue nur der „Befugnisträger“ selbst sein könne. Hier wäre der Befugnisträger für die Freigabe der Zahlung – wie die OStA aus Landesregeln folgert – Kaiser. Tatsächlich findet sich aber auf keiner der Rechnungen, über die das Geld an „Top Team“ bezahlt wurde, Kaisers Unterschrift. Die Abwicklung erfolgte über Mitarbeiter des damaligen Landesrats, die dazu möglicherweise formell gar nicht befugt waren.
Das könnte nun für alle ein Glück sein: „Entscheidend für die Beurteilung der Untreue ist daher, ob Dr. Peter KAISER als unmittelbarer Täter eine nach außen gerichtete Rechtshandlung setzte“, steht in der Weisung. Denkbar sei die Auftragsvergabe an „Top Team“ oder die Freigabe der Rechnungen. Für die OStA war Mitte 2016 nicht ausreichend ermittelt, ob Kaiser diesbezüglich tatsächlich selbst aktiv wurde. Der Landeshauptmann hat immer gesagt, nur in die grundlegende Entscheidung für die Erste-Hilfe-Kampagne eingebunden gewesen zu sein. „Zusammenfassend ist also nicht geklärt, ob eine den deliktspezifischen Anforderungen entsprechende Tathandlung eines Befugnisträgers vorliegt, wobei nicht alle in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind“, heißt es in der Weisung.
Mit anderen Worten: Die Zahlung, die Untreue darstellen könnte, wenn sie Kaiser unmittelbar veranlasst hätte, wäre rechtlich keine Untreue, wenn sie unbefugte Mitarbeiter aus dem Landesratsbüro durchgeführt hätten. Die Staatsanwaltschaft führte in der Folge weitere Einvernahmen durch. Eine unmittelbare Involvierung Kaisers in die Auftragsvergabe bzw. in die Bezahlung der Rechnungen scheint sich dabei nicht erhärtet zu haben.
Außerdem ging es in der Weisung um ein Kaiser-Inserat in einer Kärntner Feuerwehrzeitschrift im Wahlkampfjahr 2009 mit dem Titel „Für alle die beste Gesundheitsversorgung!“ Kaisers Büro zahlte aus Landesmitteln einen Druckkostenbeitrag von 4.300 Euro. Die OStA stimmte dem ermittelnden Staatsanwalt zwar zu, dass „das äußere Erscheinungsbild des Inserates von Dr. Peter KAISER eine Ähnlichkeit mit der damaligen Werbelinie der SPÖ aufweist“. Da das Inserat „die funktionierende Gesundheitsversorgung im Land Kärnten“ zum Inhalt habe, könne eine „Eignung zur Bewerbung“ des Landes Kärnten aber „nicht (gänzlich) abgesprochen werden“. Die Frage, ob dem Land „(auch) ein Werbewert zugekommen ist, wurde im Ermittlungsverfahren nicht geklärt“. Das heißt, es könnte zwar vielleicht die SPÖ profitiert haben, eventuell aber auch das Land, das das Inserat ja bezahlt hat. Die OStA verwies auf die Möglichkeit, dies durch ein Sachverständigengutachten zu klären.
Und zu guter Letzt ging es in der Weisung um Vorwürfe gegen einen Büromitarbeiter Kaisers wegen des Kaufs von Sachpreisen für Sportveranstaltungen wie etwa Pokale über Rechnungen, auf denen etwas ganz anderes stand. Der ermittelnde Staatsanwalt wollte gegen den Kaiser-Mitarbeiter und den Werbemittelhändler wegen Betrugs Anklage erheben. Die OStA meinte dazu: „Richtig ist, dass P. (der Werbemittelhändler, Anm.) nach der Aktenlage inhaltlich gänzlich oder teilweise unrichtige Rechnungen (…) erstellte und A. (Kaisers Mitarbeiter, Anm.) deren sachliche und rechnerische Richtigkeit bestätigte.“ Die OStA erklärte aber, es sei „von der Werthaltigkeit der Sachpreise“ auszugehen, die tatsächlich geliefert worden seien. „Da die Förderung verschiedener Sportveranstaltungen und somit der Gesundheit der Bevölkerung durch die Stiftung solcher Sachpreise im Interesse des Landes Kärnten liegt, wäre dem Land Kärnten insoweit kein strafrechtlich relevanter Schaden entstanden.“ Mit anderen Worten: Demnach wäre es egal, dass – in beiderseitigem Einvernehmen – zum Beispiel Pokale oder T-Shirts mit Landesgeld gekauft, aber zu Abrechnungszwecken als „Erste-Hilfe-Sets“ getarnt wurden.
Kurz gesagt, setzte die Oberstaatsanwaltschaft dem Staatsanwalt, der seit vier Jahren an dem Fall dran war, eine gänzlich andere Rechtsansicht vor. Diese erschwert nun eine Anklageerhebung in Bezug auf die Zahlung an „Top Team“ massiv. Beim zweiten Punkt, einem Kaiser-Inserat auf Landeskosten in einer Feuerwehrzeitschrift, geht es maximal um 4.300 Euro. Ob deshalb – wie in der Weisung angeregt – ein Sachverständigengutachten eingeholt und dann möglicherweise zu einem Teil der Summe Anklage erhoben wird, scheint ebenfalls fraglich. Und dass es laut Oberstaatsanwaltschaft strafrechlich in Ordnung sein könnte, im sechsstelligen Eurobereich Werbegeschenke zu kaufen, aber nicht korrekt abzurechnen, legt nicht nur die Latte für den ordentlichen Umgang mit Steuergeld äußerst niedrig, sondern schränkt auch den Staatsanwalt weiter ein.
Um zu verstehen, welche fragwürdigen Handlungen im politischen Geschäft gemäß Weisung strafrechtlich irrelevant sein könnten, lohnt es sich, der Spur des Geldes zu folgen. Es gibt kaum eine andere heimische Wirtschaftscausa, in der sich diese so gut nachvollziehen lässt – und dennoch jede Menge Überraschungen bietet.
Die Ermittlungen begannen im Sommer 2012. Kurz darauf wurde das restliche Top-Team-Guthaben für Werbemittel aufgebraucht.
3. /4. Dezember 2009:
Die Agentur „Top Team“ richtet sechs Rechnungen über insgesamt 140.040 Euro (inklusive Umsatzsteuer) an das „Büro LR Dr. Peter Kaiser“ – zu Handen eines seiner Mitarbeiter. Nur bei zwei Rechnungen verweist der Titel „Kampagne Leben retten“ unmittelbar auf die spätere Erste-Hilfe-Aktion Kaisers. Die anderen Rechnungen waren folgendermaßen betitelt: „Kampagne Gesundheitsversorgung“, „Kampagne Medizinische Betreuung“, „Kampagne Krankenanstalten Kärnten“ und „Kampagne Spitalswesen Kärnten“. Die Rechnungstexte sollen laut Aussagen im Ermittlungsverfahren in Absprache mit Kaisers Büro so festgelegt worden sein.
Den Rechnungen ist nicht zu entnehmen, dass es sich um Vorauszahlungen handelt und eigentlich noch gar keine Leistung erfolgt ist. Die Stückelung jeweils unter 40.000 Euro begründet ein hochrangigen Kaiser-Mitarbeiter später in seiner Vernehmung folgendermaßen: „Hintergrund dazu war, dass nach den Durchführungsbestimmungen der Finanzreferent (der damalige freiheitliche Finanzlandesrat Harald Dobernig, Anm.) (…) bei Beträgen ab 40.000,- € zwingend zu befassen war und die Freigabe des Geldes von diesem genehmigt werden musste. (…) Auch die Ausschreibung gemäß den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes wurde damit vermieden.“ Mit anderen Worten: Man stückelte die Zahlung und erfand verschiedene Rechnungstitel, um die interne Kontrolle durch den Finanzlandesrat und externe Einschränkungen durch das Vergabegesetz zu umgehen.
4. Dezember 2009:
Ein hochrangiger Mitarbeiter Kaisers bittet die Abteilung 14 des Landes um Begleichung der Rechnungen. In den jeweiligen Schreiben heißt es: „Im Auftrag von Herrn Landesrat Mag. Dr. Peter Kaiser übermittle ich dir in der Anlage eine Rechnung mit der Bitte um Begleichung.“ Dies ist der einzige Hinweis im Ermittlungsverfahren auf eine mögliche Involvierung Kaisers in die Bezahlung der fragwürdigen Rechnungen. Der Büromitarbeiter hat allerdings ausgesagt, dass er diese Formulierung als Standardfloskel verwendet habe, da er selbst nicht befugt gewesen sei, die Zahlung anzuordnen. Tatsächlich finden sich im Ermittlungsakt auch an anderer Stelle Schreiben mit dieser Formulierung, was eine schablonenhafte Verwendung eines Standardtextes nahelegen könnte.
16. Dezember 2009:
Die 140.040 Euro vom Land gehen auf dem Geschäftskonto der Agentur „Top Team“ ein.
21. Dezember 2009:
Dieses Datum steht auf einem Konzept der Agentur „Top Team“ für die Erste-Hilfe-Kampagne. Der darin enthaltene Kostenvoranschlag beläuft sich allerdings nur auf 75.676 Euro. Demnach wäre viel zu viel überwiesen worden. Rückgefordert wird nichts.
März bis Juni 2010:
Die Erste-Hilfe-Kampagne unter dem Titel „Leben retten – 144, das merk ich mir“ wird gemeinsam mit dem Kärntner Roten Kreuz umgesetzt. Ziel ist die Bewusstseinsbildung für richtiges Verhalten bei medizinischen Notfällen. Laut einer internen Abrechnung von „Top Team“ werden in dieser Phase 97.958,81 Euro von der Agentur verrechnet. Dazu dienen die zuvor vom Land überwiesenen 140.040 Euro.
Mit Abstand der größte Brocken wird – laut einem Bericht des Landesrechnungshofs – für eine Medienkooperation mit der Kronen Zeitung“verwendet. „Top Team“ zahlt der Krone demnach insgesamt 52.186,03 Euro und rechnet vom Landesguthaben dafür 60.956,79 Euro ab. Die Differenz blieb wohl bei der Agentur. Die Krone bringt als „Anzeige“ gekennzeichnete ganz- bzw. doppelseitige Artikelstrecken mit Titeln wie „,Mama spricht wirr‘ – Achtjährige Ersthelferin rettete ihrer Mutter mit Rot Kreuz-Hilfe das Leben“ oder „Ich lebe, und wie! Sein Herz hatte schon zu schlagen aufgehört – doch ihm wurde geholfen“. Unterhalb der Artikel finden sich Inserate mit dem Foto Kaisers – was damals noch erlaubt und auch bei anderen Parteien üblich war.
17. März 2010:
Ein Mitarbeiter Kaisers schreibt ein E-Mail an einen „Top-Team“-Geschäftsführer und fragt darin: „Müsste bitte wissen, wie hoch die Ausgaben für die kampagne bisher insgesamt waren (Krone, ORF, Kärntnerin, Topteam) und wie hoch der restbetrag, den wir bei Topteam geparkt haben ist?“
Dass das Büro eines Landesrats Landesgeld bei einer Werbeagentur „parkt“, wirft eine Menge Fragen auf. Tatsächlich bleiben nach Juni 2010 noch 42.081,19 Euro bei „Top Team“ liegen – für mehr als zwei Jahre. Zurückgefordert wird auch das nicht.
31. Juli 2012:
Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geht eine Anzeige des Landes unter seiner damals noch freiheitlichen Führung unter anderem wegen Zahlungen an die Agentur „Top Team“ ein. Die Ermittlungen gegen mehrere SPÖ-Politiker, darunter Kaiser, beginnen.
25. Oktober 2012:
Bei den Ermittlungen wird festgestellt, dass von den im Dezember 2009 überwiesenen Landesgeldern bei „Top Team“ noch rund 42.000 Euro übrig sind.
November und Dezember 2012:
Eine Kärntner Werbemittelfirma legt Rechnungen für 10.000 Erste-Hilfe-Sets, 1.000 T-Shirts und 50 Softshelljacken mit Aufdruck „144 das merk ich mir“ über insgesamt 41.480,40 Euro an „Top Team“. Die Agentur bezahlt das – laut Verdachtslage in Absprache mit einem Mitarbeiter Kaisers – aus dem noch immer bestehenden Guthaben der Erste-Hilfe-Kampagne. Dieses ist somit praktisch aufgebraucht. Und auf einmal sieht es so aus, als wäre das gesamte Geld, um das es in den Ermittlungen geht, spät, aber doch für die Kampagne verwendet worden. Die Ermittler beginnen sich nun für den Werbemittelhändler zu interessieren.
4. Dezember 2013:
Nach einigen Ermittlungsschritten wird der Werbemittelhändler P. als Beschuldigter einvernommen. Er gibt zu, dass nicht 10.000, sondern nur 3.000 Erste-Hilfe-Sets geliefert wurden. Auch in Bezug auf die angeblichen T-Shirts bzw. Softshelljacken vermissen die Ermittler einen „nachvollziehbaren Leistungshintergrund“. Mit der Zahlung der beiden Rechnungen aus dem zuvor bei „Top Team“ geparkten Landesgeld erzielte der Werbemittelhändler – eigenen Angaben zufolge – „ein Guthaben in unserem Unternehmen in Höhe von 9.000,- € bis 10.000,- €“.
Die Ermittler des BAK schreiben in einem Bericht: „Nachdem die beteiligten Personen in Kenntnis der laufenden Ermittlungen waren und ungeachtet dessen inhaltlich falsche Rechnungen hergestellt wurden, besteht aus ho. Sicht Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr. Die Prüfung von Festnahmegründen wird somit ebenfalls angeregt.“ Festgenommen wird dann aber niemand.
Mitarbeiter A. aus Kaisers Büro, der seit Jahren Geschäfte mit dem Werbemittelhändler P. abwickelte, sagte freimütig aus: „Vermutlich zu Beginn des Jahres 2013 wurde ich dann von P. darüber informiert, dass eine Überzahlung von rund € 10.000,- stattgefunden hat. Ich habe ihm gesagt, dass er das Geld in seiner Firma belassen und im Bedarfsfall Pokale bestellen soll.“
Obwohl es hier um Steuergeld geht, das mit inhaltlich falschen Rechnungen von einer Firma zur nächsten fließt, kommt später die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Weisung zu folgendem Schluss: „Doch auch bei der Top Team Werbe-GmbH ist durch die Zahlung von zwei Rechnungen in Höhe von insgesamt 41.480,40 Euro kein Schaden entstanden. Dabei handelte es sich nämlich um jenen Restbetrag, der dem Land Kärnten aus der Vorauszahlung der Kampagne „144 – das merk ich mir“ zustand. Laut der im Lichte obiger Ausführungen nicht widerlegbaren Verantwortung von A. und P. sei vereinbart gewesen, dass die bereits erfolgte Lieferung von Sachpreisen an das Land Kärnten über Verrechnung an die Top Team Werbe-GmbH beglichen werde.“ Und Pokale sind – wie weiter oben beschrieben – laut OStA wichtig für das Land.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht nur wegen des Verdachts der Untreue, sondern auch wegen eines möglichen Amtsmissbrauchs.
Zusammengefasst ergibt die Verdachtslage, dass hier im Umgang mit Landesgeld wiederholt und bewusst inhaltlich falsche Rechnungen zum Einsatz kamen. Vorauszahlungen wurden auch nicht als solche deklariert. In seinem Abschlussbericht schrieb das BAK in Bezug auf Kaiser und zwei seiner Mitarbeiter: „Es besteht der begründete Verdacht, dass die drei oben Genannten als Verantwortliche des Landes Kärnten (einen Manager der Agentur „Top Team“, Anm.) zur Legung der nachstehend angeführten Rechnungen (…) an das Amt der Kärntner Landesregierung veranlasst haben, ohne dass dazu ein Leistungshintergrund bestanden hat.“
Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer vehement bestritten. Kaisers Anwalt Meinhard Novak erklärte wiederholt: „Rechtlich rechtfertigt die Angelegenheit keine Anklage gegen Kaiser.“ Tatsächlich muss sich die Justiz für eine strafrechtliche Beurteilung die Frage stellen, was Kaiser im Detail wusste – und was seine Mitarbeiter ohne sein Wissen durchgeführt haben. Bei dieser Einschätzung geht es letztlich um die Frage der Glaubwürdigkeit von Aussagen im Ermittlungsverfahren, die Kaiser aus der Detailverantwortung nehmen.
Zuletzt berichtete News darüber, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen des Verdachts auf Untreue, sondern auch wegen eines möglichen Amtsmissbrauchs prüfen würde. Auch dagegen wehrte sich Kaiser vehement. Anwalt Novak argumentierte, Kaiser habe eine Informationskampagne im Interesse des Landes Kärnten durchführen wollen. Die Vorauszahlung sei erforderlich gewesen, da es damals nicht automatisch möglich gewesen sei, unverbrauchte Budgetmittel für das Folgejahr zu verwenden. Novak sieht sich außerdem durch eine jüngst erfolgte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bestätigt, der in einer anderen Causa mit Bezug zum Land Kärnten das Vorliegen eines möglichen Amtsmissbrauchs verneint hat.
Angesichts der Ermittlungsergebnisse unbestreitbar scheint jedoch, dass in Kaisers Büro teilweise äußerst intransparent mit Landesgeldern umgegangen wurde. Auch wenn dies dank Weisung ohne strafrechtliche Konsequenzen bleiben könnte, stellt sich die Frage nach verantwortungsvollem Handeln jener, die Steuergeld verwalten. Dies trifft vor allem auf die erwähnte Beschaffung von Sachpreisen für Sportveranstaltungen zu, die – praktisch nicht nachvollziehbar – über Rechnungen mit falschen Texten bezahlt wurden.
Im Abschlussbericht des BAK vom 7. Oktober 2014 heißt es: „Laut Angaben des P. (Werbemittelhändler, Anm.) und des A. (Kaiser-Mitarbeiter, Anm.) erfolgte keine persönliche Bereicherung. Vielmehr sollen damit Rechnungen von Lieferungen und Leistungen der P. GmbH abgedeckt worden sein, deren Kosten das Land Kärnten in Kenntnis der wahren Hintergründe nicht getragen hätte.“ Dabei ging es nicht um Peanuts. Das BAK summierte den mutmaßlich Schaden auf 109.235,60 Euro in Bezug auf Werbeartikel. Laut späterer OStA-Weisung könnte jedoch gar kein Schaden vorliegen, da all das ja möglicherweise der Gesundheit der Kärntner gedient hat. Um sich selbst ein Bild über die Vorgehensweise zu machen, empfiehlt sich ein Blick in die Vernehmungsprotokolle.
Kaiser-Mitarbeiter A. und Werbemittelhändler P. bestätigen in der Vernehmung falsche Angaben in den Rechnungen.
Anbei finden sich einige bemerkenswerte Aussagen von Kaisers Mitarbeiter A. und dem Werbemittelhändler P. gegenüber den Ermittlungsbeamten.
P.: „Befragt, wann eine erstmals inhaltlich falsche Rechnung gelegt wurde, gebe ich an, dass dies im November 2010 der Fall war.“
P.: „Es ist jedoch denkbar, dass dies bereits 2009 begonnen hat. Es wurden damals immer wieder Sachpreise von meinem Ansprechpartner A. namens des Landes Kärnten geordert. Mit Sachpreisen meine ich T-Shirts, Jacken, Pokale, Duschtücher und Ähnliches.“
P.: „Im Lauf des Jahres 2010 hat sich A. dann jedoch dahingehend geäußert, dass er meine offenen Forderungen in der Buchhaltung nicht unterbringen würde.“
P.: „A. hat sich dann dahingehend geäußert, dass man diese offenen Forderungen in den Abrechnungen mit den Erste Hilfe Kits unterbringen könnte. (…) Ich habe diesem Ansinnen dann zugestimmt und es kam zur ersten inhaltlich falschen Rechnungslegung im November 2010. (…) Geliefert wurden insgesamt 6.994 Stück. Wir haben in der Rechnung an die Kärntner Landesregierung 8.500 Stück ausgewiesen.“
P. zu zwei Rechnungen aus dem Jahr 2011 für 2.150 Stück Erste-Hilfe-Kits und 2.000 Stück Nachfüllungen für insgesamt gut 17.000 Euro: „Diese Rechnungen sind inhaltlich komplett falsch. Es gab im Jahr 2011 keine Lieferungen von Erste Hilfe Kits oder dem bezeichneten Sanitätsbedarf für Nachfüllungen. (…) Tatsächlich wurden – wie bereits erwähnt – im Laufe des Jahres 2011 verschiedene andere Gegenstände geliefert, welche in etwa dem ausgewiesenen Wert der Rechnungen entsprochen haben.“
P.: „Die Abrechnung hat dann so funktioniert, dass ich mit A. die Positionen auf den aufbewahrten handschriftlichen Lieferscheinen durchgegangen bin.“
P.: „Die vom Land Kärnten dann geleisteten Zahlungen wurden natürlich soweit wie möglich mit dem Wert der gelieferten Ware abgeglichen. Natürlich war eine genaue Abrechnungen nicht möglich, da in den Rechnungen andere Gegenstände angeführt waren, als tatsächlich geliefert wurden.“
P.: „Die zuvor von A und mir kontrollierten handschriftlichen Lieferscheine und damit verbundenen handschriftlichen Kostenaufstellungen wurden nach der Abrechnung geshreddert bzw. vernichtet.“
P. zu einer Rechnung aus dem Jahr 2010: „Die Rechnung lautet inhaltlich auf 500 Stück Erste Hilfe Sets. Tatsächlich geliefert wurden jedoch 500 Stück Winterteetassen. (…) Die ursprüngliche Rechnung wurde storniert, da diese Position bei der Kärntner Landesregierung bzw. deren Amt nicht untergebracht werden konnte. Aus diesem Grund erfolgte eine Neuausstellung, lautend auf Erste Hilfe Sets.“
A.: „Vermutlich irgendwann im Lauf der Jahre 2009 oder 2010 kam es dann zur Zurückweisung von Rechnungen über Pokale. Damit war dann die Problematik gegeben, wie künftig mit der Bestellung Bezahlung von Sachpreisen umzugehen war.“
A.: „Wie bereits erwähnt, kann ich heute nicht mehr sagen, wer auf die Idee mit der Textierung (Erste Hilfe Kits) gekommen ist. Festzuhalten ist, dass weder der damalige Büroleiter (…) noch LH Dr. Peter Kaiser von der gewählten Vorgehensweise wussten.“
A.: „Wie oben angeführt haben wir – P. und ich – diese Vorgehensweise beibehalten. Die Textinhalte wurden von der Buchhaltung akzeptiert. Ich habe gewusst, dass die Vorgehensweise nicht richtig ist. Allerdings war mir strafrechtliches Handeln in keinster Weise bewusst. Nach meinem Dafürhalten wurde dem Land Kärnten kein Schaden zugefügt, da das Land Kärnten ja grundsätzlich Waren bzw. Leistungen für die Zahlungen erhalten hat.“
A.: „Befragt nach Aufzeichnungen, die mir einen Überblick über die bei P. bestellten Waren verschafft hätten, gebe ich an, dass ich über keine derartigen Aufzeichnungen verfüge bzw. verfügt habe. Diese Aufzeichnungen wurden alleine von P. geführt. (…) Ich persönlich hatte somit keine Kontrollmöglichkeit, sondern war auf die Richtigkeit der Angaben des P. angewiesen.“
A.: „Auf Befragen gebe ich an, dass ich nicht sagen kann, wie viele der verrechneten Erste Hilfe Kits tatsächlich geliefert wurden. Ich vermute, dass rund die Hälfte der ausgewieseneen Stückzahl real geliefert wurde. Der Restbetrag betrifft eben die Abdeckung der Forderungen von P. über andere Ware, wie eben Pokale, Duschtücher und dergleichen.“
A. in Bezug auf ein Antwortschreiben auf Kaisers Büro an den Landesrechnungshof im Jahr 2013: „Mir selbst war zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht bewusst, dass diese Rechnungen, die die Anfrage des LRH-K betroffen haben, inhaltlich falsch waren. Dies deshalb, weil ich mangels Aufzeichnungen keinen Überblick hatte, welche Lieferungen und Bezug habende Rechnungen real waren und welche ,Erste Hilfe Rechnungen‘ der Abdeckung der Forderungen des P. zur Lieferung der Sachpreise dienten.“
Laut A. spendete das Büro Kaiser geschätzte 500 bis 1.000 Pokale bzw. 3.000 bis 5.000 T-Shirts pro Jahr für diverse Veranstaltungen. Jacken sowie Pokale hätten die Aufschrift „Gesundheitsreferent Dr. Peter Kaiser“ enthalten. „Es wurden in etwa 300 bis 500 Duschtücher, ca. 500 Schildkappen (für Schulveranstaltungen) und ca. 100 Sweatshirts pro Jahr gespendet. Weiters gab es noch sonstige Spenden zur Weihnachtszeit wie Tee, Honig, Kerzen, Weihrauch.“
Insgesamt geht es bei solchen Spenden und Geschenken also um ein nicht zu unterschätzendes politisches Potenzial, den Bürgern positiv aufzufallen. Das Missbrauchspotenzial ist groß, da die Grenzen zwischen Landes- und Parteiwerbung verschwimmen können. Umso wichtiger scheint ein Höchstmaß an Transparenz zu sein.
Fragwürdiger Umgang mit Werbemitteln auf Landeskosten beschränkt sich nicht auf das Büro Kaisers, sondern ist auch aus verschiedenen Verfahren gegen frühere Politiker der Kärntner Freiheitlichen bekannt. Diese werden die Weisung der Oberstaatsanwaltschaft mit Interesse wahrgenommen haben.