aller Kommentare auf den Seiten der Spitzenkandidaten und Parteien der Kärntner Landtagswahl wurden entfernt.
„Schnell vor der Wahl noch leere Versprechungen.“
„FPÖ ist Rückschritt in jeder Hinsicht.
„Wieder leere Busse in der Gegend herumfahren lassen? Macht nur Ihr.“
„Das Plakat selbst ist schön, leider der Inhalt lässt zu wünschen übrig.“
„Als Politiker sollen auch Sie sich im Griff haben.“
Das sind fünf Beispiele für Kommentare, die von den Facebook-Seiten der Spitzenkandidaten und Parteien für den Kärntner Landtag verschwunden sind. Insgesamt waren es nicht fünf, sondern 1.664 Kommentare. Das ist das zentrale Ergebnis einer von uns und innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen durchgeführten Datenrecherche. Insgesamt haben Facebook-Nutzer in diesem Zeitraum des Wahlkampfs 8.847 Kommentare auf den untersuchten Seiten verfasst – also ist fast jeder fünfte Eintrag wieder entfernt worden.
aller Kommentare auf den Seiten der Spitzenkandidaten und Parteien der Kärntner Landtagswahl wurden entfernt.
Dieser Anteil ist erheblich höher als im Landtagswahlkampf für Niederösterreich (5,5 Prozent) und Tirol (9,8 Prozent). Unter den Kommentaren, die von der Seite verschwinden, sind unliebsame Kritik, unangenehme Fragen zum Wahlprogramm oder der Parteivergangenheit. Von Seite zu Seite unterscheidet sich, wie streng mit diesen Kommentaren umgegangen wird und wie intensiv die Debatte dort ist. Die meisten Kommentare gab es auf den Seiten der Freiheitlichen und der Sozialdemokraten.
Die FPÖ Kärnten hat auf ihrer Parteiseite und auf jener des Spitzenkandidaten Gernot Darmann insgesamt rund 3.600 Kommentare erhalten. Dahinter reiht sich die SPÖ Kärnten mit ihrer Parteiseite und jener von Landeshauptmann Peter Kaiser mit etwas mehr als 3.200 Kommentaren ein. Auf den Seiten der Freiheitlichen verschwinden jedoch anteilsmäßig mehr Postings als von jenen der Sozialdemokraten, wie aus der Datenanalyse hervorgeht. Am höchsten ist der Wert verschwundener Kommentare bei den Grünen.
Viele Kommentare ziehen der grüne Spitzenkandidat Rolf Holub und die Wahlansagen seiner Partei auf sich. Das Spektrum ist breit:
Interessant dabei: Einerseits fragen die Grünen auf ihren Facebook-Seiten aktiv ihre Nutzerschaft, wie neue Plakate der Kampagne ankommen. Andererseits finden sich in der Datenbank entfernter Kommentare kritische Äußerungen (z.B.: „Geld besser einsetzen“, „Plakat selbst ist schön, leider der Inhalt lässt zu wünschen übrig“). Wir haben die Partei mehrfach gefragt, welche Richtlinien es für das Entfernen von Kommentaren gibt. Bis Redaktionsschluss erhielten wir keine Antwort.
Die Grünen sind auch die Partei, die am häufigsten unsachliche und/oder hasserfüllte, beleidigende Kommentare erhält und diese entfernt. Allgemein ist der Anteil dieser Beiträge unter zehn Prozent. Für diese Einteilung hat Addendum 1.158 entfernte Kommentare (alle verschwundenen Kommentare ohne Antworten auf Kommentare) auf allen Seiten kategorisiert.
Wie funktioniert diese computergestützte Analyse?
Über eine Schnittstelle von Facebook fragen wir alle zehn Minuten ab, welche Kommentare auf der Facebook-Fanpage vorhanden sind. Verschwindet ein Kommentar, wird er als entfernt markiert. Das geschieht für alle Kommentare, die vier Tage auf der Facebook-Seite sichtbar sind. Nach diesem Zeitablauf gehen wir davon aus, dass das Posting dauerhaft auf der Seite bleibt.
Was sind die Schwächen der automatisierten Erfassung der Kommentare?
Nicht enthalten sind Postings, die Sticker enthalten. Löscht Facebook, der User oder das Administratoren-Team der Seite den Kommentar innerhalb von maximal zehn Minuten, erkennt das Programm den Kommentar nicht – insofern fließt er nicht in die Analyse mit ein. Am 14. Februar gab es für mehrere Stunden Probleme mit der automatisierten Abfrage. An diesem Tag gilt das Zehn-Minuten-Zeitfenster nicht.
Kategorisierung der entfernten Kommentare
Kritik:
Unsachliche Kritik
Kritik aneinander
Beleidigungen/Hass
Allgemeines
Daraus geht hervor, dass die SPÖ den höchsten Anteil jener entfernten Postings hat, den wir nach unserer Methodik als normale Kritik einordnen würden (mehr zur Methodik). Das ließe sich durch Postings von Anhängern der Freiheitlichen erklären, sagte Daniel Fellner, Landesgeschäftsführer der Kärntner SPÖ. Außerdem seien manche der verbreiteten, aber entfernten Kommentare aus diesem Lager „Fake News“. Die SPÖ habe beispielsweise nie offiziell einen kostenlosen Kindergarten gefordert. Deshalb seien Kommentare, wonach diese Forderung „schon jahrelang versprochen worden ist und nie umgesetzt wurde“, wie Kritiker meinen, entfernt worden.
Addendum hat die Facebook-Seiten der Volkspartei, Sozialdemokraten, Freiheitlichen, NEOS und Grünen aus Kärnten sowie deren Spitzenkandidaten im Zeitraum 24. Jänner bis inklusive 21. Februar etwa vier Wochen lang computergestützt im Zehn-Minuten-Takt überprüft und alle neu hinzugekommenen Kommentare in einer Datenbank gespeichert. Fehlte beim nächsten Besuch des Programms ein Kommentar, der vorher in der Datenbank war, wurde er als entfernt erkannt. Hinter diesem Verschwinden können drei Ursachen stehen: Der Nutzer hat den Kommentar selbst entfernt, Facebook hat den Kommentar entfernt, oder die Moderatoren der Seite haben den Kommentar verborgen. Der letztere Fall ist der wahrscheinlichste, wenn die Art der Kommentare berücksichtigt wird: Es handelt sich in den meisten Fällen um Kritik an Partei und Person. Beleidigungen sind die Ausnahme. Dieses Muster haben auch Recherchen des Standard gezeigt. Facebook-Nutzer, die gefragt wurden, ob sie ihren Kommentar selbst entfernt hatten, verneinten dies. Diese Nutzer für die Daten zur niederösterreichischen Wahl zu kontaktieren, ist nicht mehr möglich, denn Facebook hat seine Programmier-Schnittstelle verändert. Informationen über einzelne Nutzer können nicht mehr automatisiert ausgelesen werden. Ein Kontaktieren wird dadurch verhindert.
„Wir verbergen diese Kommentare. Andernfalls würden wir Reichweite unserer Konkurrenten mitfinanzieren, wenn wir auf Facebook unsere eigenen Beiträge bewerben“, sagt Fellner. Man reagiere grundsätzlich auch auf unsachliche Kommentare, verberge diese aber im Anschluss. So ist der Kommentar nur mehr für den Verfasser und dessen Freundeskreis sichtbar. Alle anderen Nutzer sehen den Beitrag nicht mehr. Vor dem Verbergen werde das Profil des Autors besucht. „Dann wissen wir meistens schon, aus welcher Ecke der Kommentar kommt. Außerdem können wir es meistens schon aus dem Wording des Kommentars ablesen“, sagt Fellner. Ein systematisches Löschen oder Verbergen aller kritischen Kommentare ist nicht festzustellen. Zumindest vereinzelt sind unliebsame kritische Stimmen auf allen Facebook-Auftritten der Parteien und Spitzenkandidaten für den Landtag zu sehen.
Die Freiheitlichen sind mit ihrem Spitzenkandidaten Gernot Darmann Spitzenreiter bei der Zahl der „Gefällt mir“-Angaben. Er hat fast 27.000 „Fans“. Beim Anteil verschwundener Kommentare (ca. 20 Prozent) und beim Anteil davon, der als übliche Kritik zu kategorisieren wäre (ca. 47 Prozent), liegen die Freiheitlichen auf Rang zwei. In den entfernten Kommentaren finden sich vor allem diese fünf Themen:
Toni Schweiger, Landesgeschäftsführer der Kärntner Freiheitlichen, erklärte auf unsere Anfrage, dass sich der Verantwortliche für Social-Media melden werde. Das ist bisher nicht geschehen. Anders als die Parteifreunde in Tirol setzt die FPÖ auf einen weniger polarisierenden und emotionalen Ton. Wenn die Freiheitlichen in Kärnten über eines der großen bundespolitischen Themen schreiben, etwa die Abschaffung der ORF-Gebühren, führt das auch umgehend zu vielen Kommentaren. Das war eines von drei Postings, die den Wahlkampf auf Facebook bestimmten.
Aufreger der Grünen war ein Beitrag mit einem Sujet zum Schutz des Fischotters. Die hohe Kommentarzahl setzt sich aus einer Vielzahl von Diskussionen unter den Nutzern zusammen. Bei der Kärntner Volkspartei gab es in den vier Wochen des Beobachtungszeitraums nur ein Lebenssignal auf Facebook: Den Auftritt von Kanzler Sebastian Kurz hat die Partei live übertragen.
Im Vergleich zum Tiroler Wahlkampf war der Wahlkampf in Kärnten vor allem eins: überschaubar. Während im Westen die Wogen auf Seiten der Freiheitlichen hochgingen und teilweise über 1.200 Kommentare an einem Tag abgesendet wurden, waren es in Kärnten etwas mehr als 600.