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Die Geschichte von der E‑Zigarette
13. Dezember 2017 Kammern Lesezeit 4 min
Der Versuch, die E-Zigaretten unter das Monopol der Trafiken zu bringen, ist gescheitert. Jetzt flattern den Händlern Mahnungen ins Haus. Die Rolle der Wirtschaftskammer ist dabei vielschichtig.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Kammern und ist Teil 4 einer 11-teiligen Recherche.
Bild: Nikolaus Ostermann | Addendum

Innovationen stellen den Gesetzgeber vor Herausforderungen, denn er hinkt ihnen zwangsläufig hinterher. Bis er sich darauf eingestellt hat, wird er gerne als schwerfällig und unmodern belächelt. Österreich führte die Führerscheinpflicht 1907 ein, 15 Jahre nachdem das erste Auto durch Wien gefahren war. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Staates hat mittlerweile zugenommen, die Treffsicherheit nicht unbedingt. Das lässt sich exemplarisch an einem Beispiel zeigen: den E-Zigaretten.

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Alles für die Trafikanten

Ende 2014 beschließt die Koalition aus SPÖ und ÖVP im Parlament, elektronische Zigaretten mit mehreren neuen Bestimmungen ins Tabakmonopolgesetz aufzunehmen. Unter anderem sollen die Liquide, mit denen die Geräte befüllt werden, in Zukunft nur noch in Trafiken verkauft werden dürfen. Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Vorlage mit „Gründen der Gesundheitspolitik und des Jugendschutzes“, außerdem gehe es um die „Sicherung der Einkünfte der Tabaktrafikanten“.

In den Diskussionen in National- und Bundesrat wird Kritik am Einfluss der Tabakindustrie auf den Entwurf geübt. Zudem äußern mehrere Mandatare den Verdacht, es könnte der Regierung letztlich nur um das Einkommen der Trafikanten gehen. Tatsächlich nehmen die staatlich konzessionierten Monopolhändler und ihre ökonomische Lage einen Großteil der Debatte im Parlament ein.

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Das österreichische Trafiknetz ist international Vorbild und ist gut für die österreichischen Kunden und für die Republik Österreich. – Ich danke.
Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ)

Schutz der Nahversorger

Der SPÖ-Abgeordnete Franz Kirchgatterer kritisiert etwa die „Stimmung gegen die Trafikanten“, die „an Dreistigkeit, Provokation, Unverfrorenheit und Hochmut nicht zu überbieten“ sei. Für den freiheitlichen Mandatar Peter Wurm sind die Trafikanten „Teil der Nahversorgung in Österreich“.

Efgani Dönmez, damals noch Bundesrat bei den Grünen, kritisiert hingegen die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die E-Zigaretten-Händler, die demnach nur noch die Geräte, aber nicht mehr die Kapseln verkaufen dürften. Mit den E-Zigaretten, so Dönmez, sei es „wie bei der Nespresso Kapselmaschine, das Geschäft machen sie nicht mit der Maschine“.

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Der sozialdemokratische Bundesrat Michael Lampel echauffiert sich hingegen: „Ich kann nur sagen, ich habe es auch ausprobiert, also ich würde nie umsteigen auf diese E-Zigarette. Mir ist die normale Zigarette noch lieber.“ Das Protokoll vermerkt: „Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bravoruf des Bundesrates Stadler.“

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Christoph Matznetter
Der SPÖ-Wirtschaftssprecher setzt sich mit Nachdruck für das Gesetz ein.

Ein Geschenk zur Wirtschaftskammerwahl?

Der Bundesrat gibt schließlich seine Zustimmung zum Gesetzesbeschluss des Nationalrats, dessen wesentliche Bestimmungen am 1. Oktober 2015 in Kraft treten sollen. Die Entscheidung fällt just in den Vorwahlkampf der Wirtschaftskammern.

Die etwa 6.700 Trafikanten bilden dort ein eigenes Gremium in der Sparte Handel. Die etwa 75 E-Zigaretten-Händler nicht. Sie betreiben nur „Handel aller Art“. Entsprechend stärker ist der Rückhalt der Trafikanten, entsprechend gut kommt die Maßnahme der Regierungsparteien an.

Matznetter freut sich

Der Vorsitzende des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, Christoph Matznetter, der als Abgeordneter im Nationalrat für die Novelle eintritt, freut sich per Aussendung – insgesamt veröffentlichen die Partei und ihre Vorfeldorganisationen ein halbes Dutzend Meldungen zum Thema. Matznetters Botschaft an die Trafikanten ist recht eindeutig:

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„Nicht nur aus Gründen der Gesundheitspolitik und des Jugendschutzes sehen wir die Neuregelungen für die Gruppe der Trafikanten sehr positiv. Indem wir das Monopol zum Verkauf der E-Zigaretten bei den ihnen (sic) ansiedeln, stützen wir auch ihre wirtschaftliche Existenz, die ohnehin gefährdet ist.“ 

Dass ausgerechnet die SPÖ sich so stark für das Gesetz engagiert, verwundert wenig: Bei der WK-Wahl im Februar 2015 können die sozialdemokratischen Trafikanten in Wien sechs von 13 Mandaten erringen, sechs gehen an die FPÖ, eines an eine freiheitliche Splittergruppe, der Wirtschaftsbund verzichtet auf ein Antreten.

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Die Bundesregierung beruft sich vor dem VfGH unter anderem auf eine Kundmachung des k.u.k. Finanzministeriums vom 1. Mai 1918, mit der auch tabakähnliche Stoffe unter das Tabakmonopol gestellt wurden.

Vor dem Verfassungsgerichtshof

Die bisherigen Händler der E-Zigaretten wollen allerdings nicht aufgeben. Sie ziehen gegen das Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof. Bei der Wirtschaftskammer stoßen sie mit ihrem Anliegen nicht gerade auf Euphorie. Am Ende wird ein kleiner Kostenbeitrag für das Verfahren geleistet.

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Vor dem Höchstgericht entbrennt schließlich eine heftige Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern. Die Bundesregierung bezweifelt überhaupt die Zulässigkeit des Antrags. Geht es nach ihr, hätten die Betroffenen eine Trafiklizenz beantragen und danach klagen müssen.

Der Verfassungsgerichtshof lässt aber nicht nur die Beschwerde zu, er hebt auch die entsprechenden Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes mit sofortiger Wirkung auf. Die Monopolisierung des E-Zigaretten-Handels ist damit zwar gescheitert, die Wirtschaftskammerwahl ist aber bereits geschlagen. Die Probleme für die Händler hören damit aber noch nicht auf.

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Mahnbriefe von der Kammer?

Derzeit sehen sie sich mit Abmahnverfahren wegen unlauteren Wettbewerbs konfrontiert. Ihnen werden Verstöße gegen das „Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz“ vorgeworfen.

Im Gegensatz zum Tabakmonopol unterliegen E-Zigaretten nach wie vor der Zulassungspflicht und dem Nichtraucherschutz. Das Problem: Laut Gesetz dürfen nur Trafikanten „an der Außenseite des Trafiklokales und im Trafiklokal“ für Tabakerzeugnisse werben, zu denen auch die E-Zigaretten gehören. Die vor dem VfGH siegreichen E-Zigaretten-Händler sind jedoch keine Trafikanten.

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Eine seriöse Organisation

Insbesondere der Online-Verkauf dürfte den Abmahnern ein Dorn im Auge sein, auch wenn laut Gesetz „der allgemeine Geschäftsverkehr“ nicht vom Werbeverbot erfasst ist.

Die E-Mail-Adressen der Mahnschreiben kämen von der Wirtschaftskammer, heißt es von Betroffenenseite. Dort will man davon nichts wissen. Es seien „keine Verfahren seitens der WKW bekannt“. Man verweist auf den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, der laut Eigenangaben als Verein „im Interesse seiner Mitglieder“ handelt. Dazu gehören „mehr als 600 Fachorganisationen aller Wirtschaftskammern Österreichs und deren Unternehmer“.

Zu laufenden Verfahren könne man nicht Stellung nehmen, heißt es vom Schutzverband. Man sei aber eine seriöse Organisation, die beim ersten Mal grundsätzlich kostenfrei abmahne. 

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