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„Freiwillig ist immer besser“
14. Dezember 2017 Kammern Lesezeit 4 min
Interview: Zahnarzt Herbert Eder glaubt, dass die Zahnärztekammer kein Problem mit einer freiwilligen Mitgliedschaft hätte. Er selbst hat eine freiwillige Interessenvertretung von Zahnärzten mitbegründet. Für die Beibehaltung des Kammersystems im Allgemeinen spricht aus seiner Sicht nichts. Die Fehlkonstruktion der Ärztekammer sieht er darin, dass sowohl angestellte als auch selbständige Ärzte in einer Kammer zusammengefasst werden.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Kammern und ist Teil 6 einer 11-teiligen Recherche.
Bild: Martin Jesch | Addendum

Zahnarzt Herbert Eder ist Mitbegründer der Vereinigung Niedergelassene Zahnärzte Salzburg (VNZ) und Kassenreferent für Kieferorthopädie in der Landeszahnärztekammer Salzburg. Im Interview spricht er unter anderem über die Pflichtmitgliedschaft und das Verhältnis zwischen Ärzte- und Zahnärztekammer.

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Addendum: Im Jahr 2006 wurde die Zahnärztekammer geschaffen. Die Zahnärzte waren bis zu diesem Zeitpunkt Mitglieder der allgemeinen Ärztekammer. Was veränderte sich dadurch?

Herbert Eder: Die Trennung der beiden Kammern war eine Vorgabe der EU. Sie hing mit der neuen Ausbildung zum Fach-Zahnarzt zusammen, der vorher in der Ärztekammer als Facharzt für Zahnheilkunde organisiert war. Dadurch war es notwendig, eine eigene Kammer zu gründen.

Geändert hat sich mit dieser Gründung für die Zahnärzte vor allem, dass die Interessen in der Kammer gebündelt waren. Davor waren die Interessen der Ärzte und der Zahnärzte zwar unter einem Dach, standen aber divergierend für sich.

Wie sehen Sie die Konstruktion der Ärztekammer?

Meiner Meinung nach ist die Konstruktion der Ärztekammer völlig falsch. Mehr als die Hälfte der Mitglieder braucht eigentlich keine Kammer und könnte in einer Gewerkschaft viel besser organisiert sein: nämlich die Angestellten. Das ist aus meiner Sicht die große Schwäche der Ärztekammer. Sie muss unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen. Diese müssen sich zwar nicht gegenseitig beeinflussen, aber die Interessen eines angestellten Arztes sind grundsätzlich verschieden von denen eines niedergelassenen Arztes. Es gibt keine angestellten Unternehmensjuristen in einer Anwaltskammer.

 

Und wie ist das Verhältnis zwischen Ärztekammer und Zahnärztekammer? Braucht es beides?

Na ja, „brauchen“. Es ist vom Gesetzgeber vorgesehen. Einerseits eine eigene Kammer für angestellte und freiberufliche Ärzte. Und andererseits eine Standesvertretung für Zahnärzte – und zwar ebenfalls sowohl für angestellte als auch für niedergelassene. Der Anteil der angestellten Zahnärzte ist allerdings wesentlich geringer als jener der angestellten Ärzte.

Das Verhältnis zueinander sieht so aus, dass man einen gemeinsamen Wohlfahrtsfonds beibehalten hat, der die Pensionen verwaltet. In dessen Verwaltungsausschuss setzen sich Vertreter der beiden Kammern zusammen. Man kann sagen, dass das nicht ganz friktionsfrei vor sich geht, weil die Organisation dieses Verwaltungsausschusses nicht sehr demokratisch funktioniert. Es gibt keine Minderheitenrechte. Wir sind zehn Prozent der Mitglieder des Wohlfahrtsfonds, bezahlen aber 20 Prozent der Gelder, die der Wohlfahrtsfonds verwaltet. Aber unsere Möglichkeiten der Einsicht in die Vorgänge im Verwaltungsrat sind eingeschränkt, und auch die Kostenverteilung wird vor uns eher geheim gehalten.

Es gibt eine Vorgabe, dass der Wohlfahrtsfonds maximal 2,5 Prozent seiner Einnahmen für Verwaltung ausgeben soll. Regelmäßig wird es auch mit 2,5 Prozent festgemacht. Es wäre aber auch durchaus möglich, das zu unterschreiten. Unsere Vermutung ist, dass Kosten der Ärztekammerverwaltung in den Wohlfahrtsfonds hineingerechnet werden, die vielleicht nicht unbedingt etwas mit der Verwaltung des Wohlfahrtsfonds zu tun haben.

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„Meiner Meinung nach ist die Konstruktion der Ärztekammer völlig falsch.“

Sie haben dann im Jahr 1997 die Vereinigung Niedergelassene Zahnärzte Salzburg (VNZ) mitbegründet. Wie kam es dazu?

Im Jahr 1997 waren wir Mitglieder der Ärztekammer als Fachgruppe für Zahnheilkunde. Wir hatten unseren eigenen Vorstand. Aber wir waren nach außen hin nicht berechtigt, die Zahnärzteschaft zu vertreten. Das oblag dem Präsidenten der Landesärztekammer. Und jedes Schreiben oder Statement, das man nach außen abgeben oder schicken wollte, musste vorher mit der Kammerführung abgesprochen werden. Die Schreiben wurden dann auch alle vom damaligen Präsidenten unterzeichnet. Um standespolitisch besser agieren zu können, wurde von uns die VNZ gegründet. Es war uns anders nicht möglich, in der Öffentlichkeit zu agieren.

Das Pendant zur VNZ in Wien und Niederösterreich ist übrigens der Zahnärztliche Interessenverband (ZIV).

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Wie wird man Mitglied in der VNZ und was kostet das?

Die Mitgliedschaft beschränkt sich auf niedergelassene Zahnärzte, die eine eigene Praxis betreiben – also keine Angestellten. Durch einfachen Antrag und Bezahlen des jährlichen Beitrags von 90 Euro wird man Mitglied.

Und die Mitgliedschaft ist freiwillig?

Ja. Sie wird aber von 90 Prozent der Kollegen angenommen.

Apropos: Besteht Ihrer Ansicht nach ein Vorteil der freiwilligen Mitgliedschaft gegenüber der Pflichtmitgliedschaft, wie es sie für die Ärzte- und Zahnärztekammer gibt?

Ich glaube nicht, dass die Zahnärztekammer ein Problem damit hätte, eine freiwillige Mitgliedschaft leben zu müssen. Die Akzeptanz der Zahnärztekammer ist in der Kollegenschaft sehr hoch. Wir sind sehr serviceorientiert, haben ein sehr knappes Budget, und auch die Mitarbeiter in der Kammer sind so viele wie notwendig, aber keiner zu viel. Die Zahnärztekammer bemüht sich sehr um die Mitglieder, auch in Fällen, in denen es zu Verfahren kommt oder Schwierigkeiten mit Kollegen bestehen.

Die jetzige Pflichtmitgliedschaft ist, soweit mir bekannt, mit der herrschenden Gesetzeslage verbunden. Sie ist für das Recht zur Stellungnahme im Begutachtungsverfahren über Regierungsvorlagen erforderlich. Aber wenn man die Rahmenbedingungen, sprich die Gesetze, ändern würde – wie man ja in anderen EU-Mitgliedstaaten sieht – kann das auch ohne Pflichtmitgliedschaft funktionieren. Das würde sicherlich für die Kammern insgesamt eine größere Verpflichtung mit sich bringen, sehr mitglieder- und serviceorientiert zu agieren.

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Ich glaube nicht, dass die Zahnärztekammer ein Problem damit hätte, eine freiwillige Mitgliedschaft leben zu müssen.
Herbert Eder

Was spricht denn Ihrer Ansicht nach für die Beibehaltung des Kammersystems?

Aus meiner Sicht spricht nichts dafür. Nicht nur den Ärztebereich betreffend, sondern generell. Wir stehen mit dem System der Pflichtmitgliedschaft auch in der EU relativ alleine da. Freiwillig ist immer besser. Und wenn mit der freiwilligen Mitgliedschaft plötzlich 50 Prozent weniger Mitglieder wären, dann muss vorher irgendetwas nicht gepasst haben. 

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