Die Sozialpartner sind fest in der österreichischen Verfassung verankert und finanzieren sich großteils durch öffentlich geregelte Mitgliedsbeiträge, die aufgrund verpflichtender Mitgliedschaften zu zahlen sind.
Wie steht es um die Transparenz gegenüber den Bürgern? Bund, Länder und Gemeinden veröffentlichen jährlich einen Rechnungsabschluss und legen damit Rechenschaft über die Verwendung der Steuergelder ab. Für die Kammern gibt es keine derartige Verpflichtung.
Der Rechnungshof prüft die Staatswirtschaft umfassend. In diesen Prüfungen geht es nicht nur um die Rechtmäßigkeit, sondern explizit auch um Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Auch die Sozialversicherungsträger unterliegen trotz der Selbstverwaltung dieser umfassenden Prüfkompetenz.
Bei den Kammern als gesetzliche Interessenvertretungen darf der Rechnungshof neben der Rechtmäßigkeit nur die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit überprüfen. Explizit ausgenommen ist die Zweckmäßigkeit: „Diese Überprüfung umfaßt jedoch nicht die für die Gebarung in Wahrnehmung der Aufgaben als Interessenvertretung maßgeblichen Beschlüsse der zuständigen Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.“ Warum und wofür die Kammern also die eingehobenen Mitgliedsbeiträge ausgeben, darf der Rechnungshof nicht überprüfen.
Nicht gänzlich geklärt ist derzeit, ob der Rechnungshof Unternehmen der Kammern prüfen darf.
Dazu zählen Bund, Länder und Gemeinden. Weiters prüft der Rechnungshof Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Bundesorganen verwaltet werden.
Der Rechnungshof kann Unternehmen, an denen Bund, Länder oder Gemeinden mehrheitlich beteiligt sind oder diese faktisch beherrschen, prüfen. Eine explizite gesetzliche Ermächtigung des Rechnungshofs, auch Unternehmen der Kammern zu prüfen, fehlt derzeit.
Normalerweise legt der Rechnungshof dem Nationalrat, Landtag oder Gemeinderat seine Berichte vor. Danach muss er diese veröffentlichen. Eine derartige Berichts- und Veröffentlichungspflicht gibt es bei den Kammern jedoch nur eingeschränkt: Der Rechnungshof berichtet an die Kammer und die zuständige Aufsichtsbehörde. Eine Veröffentlichung des Berichts erfolgt dann durch die Kammer selbst – und das heißt, zumeist nur kammerintern.
Der Rechnungshof darf also die Kammern nur eingeschränkt prüfen und ist zur Veröffentlichung des Berichts dann nicht selbst berufen? Einige Jahre war dies gelebte Praxis. Die Berichte des Rechnungshofs waren für die Allgemeinheit nicht lückenlos zugänglich. Um die gesetzlich vorgesehene Veröffentlichung zu gewährleisten und die nötige Transparenz zu sichern, begann der Rechnungshof ab 2011, Berichte über die Kammern auch auf seiner eigenen Website zu veröffentlichen – Details dazu hier.
Der Rechnungshof erhebt bei allen Unternehmungen und Einrichtungen, die seiner Kontrolle unterliegen, von den Ministerien abwärts die Einkommen der Beschäftigten inklusive Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Prüfung gilt für alle Rechtsträger, die einer Berichtspflicht gegenüber dem Nationalrat unterliegen – und damit auch für die Sozialversicherungsträger. Da die Berichte des Rechnungshofs bei Kammerprüfungen aber nicht direkt an den Nationalrat gehen, bleiben die Einkommen von Vorstand und Mitarbeitern sowie die Anzahl der Mitarbeiter bei den Kammern gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den Beitragszahlern ein Geheimnis.
Neben der Wahrnehmung eigener Aufgaben gibt es einen ganz besonderen Bereich, in dem die Kammern tätig sind: „Die Sozialversicherungsträger werden von den Kammern verwaltet.“ So kann man es auf den Punkt bringen. Ihre Verwaltungskörper (Generalversammlung, Vorstand und Kontrollversammlung) – die sogenannte Selbstverwaltung – bilden Vertreter der Dienstgeber- und der Dienstnehmerseite.
Die Mitglieder dieser Selbstverwaltung sind in der Regel Bedienstete oder Vertreter der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer. In der Sprache des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes heißt das dann: „Versicherungsvertreter […] sind Vorstandsmitglieder oder Bedienstete öffentlich-rechtlicher Interessenvertretungen oder von Organisationen der Dienstnehmer bzw. Dienstgeber“ – siehe § 419ff ASVG.
Im Vorstand bzw. in der Kontrollversammlung verfügen jeweils die Dienstnehmer- bzw. die Dienstgebervertreter wechselseitig über die Mehrheit. Das heißt: Wenn der Vorstand zu zwei Dritteln von der Wirtschaftskammer und nur zu einem Drittel von der Arbeiterkammer beschickt wird, dann setzt sich die Kontrollversammlung zu zwei Dritteln aus Arbeitnehmervertretern und nur zu einem Drittel aus Dienstgebervertretern zusammen.
Das Vereinsgesetz sieht für Vereine mit einem Jahresumsatz über drei Millionen Euro in zwei aufeinanderfolgenden Jahren eine Abschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer vor. Das Aktiengesetz verlangt für eine große Aktiengesellschaft, dass ein Mitglied des Prüfungsausschusses ein Finanzexperte ist. Für Versicherungen im privaten Bereich gelten noch zusätzliche Qualifikationsvorgaben.
So strenge Vorgaben gibt es für Sozialversicherungsträger mit mehreren Milliarden Euro Jahresumsatz nicht. Sie lassen ihre Rechnungsabschlüsse nach wie vor weitgehend von Vertretern der Kammern prüfen. Ein Problem? Mitnichten, wenn man den Betroffenen glaubt. Auf entsprechende Kritik des Rechnungshofs antwortet der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: „Die auf Wahlen in die Vertretungskörper der entsendeberechtigten Stellen gegründete demokratische Legitimation der Versicherungsvertreterinnen und -vertreter ist eine wesentliche Grundlage des Gesamtsystems.“ Die demokratische Legitimation durch die Kammern – darauf kommt es also an, nicht auf die fachliche Qualifikation.
Auch die PVA (Pensionsversicherungsanstalt) – jährliches Ausgabenvolumen weit über 30 Milliarden Euro – hat eine klare Meinung dazu: „Die Mitglieder des Prüfkomitees haben Qualifikationen in der Betriebsführung, in der Leistung von Interessenvertretungen, als Betriebsrat, sowie fachlich in den Bereichen Sozialrecht, Finanzpolitik bzw. Banken- und Versicherungswesen, Gesundheitswesen etc.“ Interessenvertreter und Betriebsräte – die sich hoffentlich auch mit Sozialrecht und Finanzpolitik auskennen – prüfen also die österreichischen Pensionen.
Nun könnte man denken, dass die Kontrollversammlung im Falle von eigenen Bedenken, fehlender Expertise oder einem etwaigen Ressourcenmangel freiwillig einen externen Wirtschaftsprüfer beiziehen könnte – es ist aber nicht so.
Ein weiteres Detail zur eingeschränkten Unabhängigkeit der Kontrollversammlung in ihrer Prüftätigkeit offenbarte eine Prüfung des Rechnungshofs. Die Kontrollversammlungen konnten selbst keine Aufträge für derartige Prüfungen erteilen, da sie keine Vertretungsbefugnis nach außen hatten. Die Kontrollversammlung müsste daher den Vorstand – aufgrund bestehender Delegationsregeln vielleicht sogar den Generaldirektor – bitten, den externen Prüfauftrag zu vergeben.
In den gesetzlichen Grundlagen der Sozialversicherungsträger werden die Mitglieder der Selbstverwaltung detailliert aufgelistet. In den Generalversammlungen von 20 Sozialversicherungsanstalten sitzen 690 Mitglieder (darin enthalten sind bereits 212 Mitglieder des Vorstands) und in den Kontrollversammlungen 165 Personen. In Summe entsenden die Interessenvertretungen also fast eintausend Personen in die Selbstverwaltung der Sozialversicherung.
Dem Einkommensbericht des Rechnungshofs für das Jahr 2016 ist zu entnehmen, dass die leitenden Funktionäre im Vorstand für ihre Tätigkeit in Summe mehr als drei Millionen Euro erhalten haben. Nicht erhoben wurde die Funktionsgebühr für die Mitglieder der Kontrollversammlung. Ebenfalls nicht extra ausgewiesen werden Sitzungsgelder, Reisegebühren und Spesen für die Mitglieder der Generalversammlung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Organisationen, in denen über einen wesentlichen Teil der österreichischen Staatsausgaben entschieden wird, Kontrollstandards herrschen, die weit hinter jenen von vergleichbaren privaten Organisationen mit deutlich geringerem Ausgabenvolumen zurückbleiben.