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Wie Kern den Kanzler verspielen konnte
Es war nicht der Sommer des Christian Kern. Im Wahlkampf um die Nationalratswahl 2017 ging – Anything that can go wrong will go wrong, sagt Murphy’s Law – für den SPÖ-Chef und Bundeskanzler so ziemlich alles schief, was schiefgehen konnte.
Das Projekt Kern und Silberstein ist eine 7-teilige Recherche.

Die Affäre rund um den SPÖ-Wahlkampfberater Tal Silberstein und seine teils verdeckten Aktivitäten im Wahlkampf 2017 sei „beendet“, sagte der damalige Interims-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter vor wenigen Tagen. Der Untersuchungsbericht, auf dem diese Einschätzung beruht, wurde allerdings nicht veröffentlicht. Wir haben parallel zu Christoph Matznetter recherchiert, was eigentlich 2017 passiert ist, und wir veröffentlichen diesen Bericht auch.

Also: Es war nicht der Sommer des Christian Kern. Im Wahlkampf um die Nationalratswahl 2017 ging – Anything that can go wrong will go wrong, sagt Murphy’s Law – für den SPÖ-Chef und Bundeskanzler so ziemlich alles schief, was schiefgehen konnte. Und es konnte sehr viel schiefgehen in diesem Sommer. Das lag zunächst und vor allem daran, dass die SPÖ-Bundesparteiorganisation, die Kern nach dem Rücktritt seines Vorgängers Werner Faymann übernommen hatte, in einem insgesamt eher beklagenswerten Zustand war.

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Die SPÖ, das war schon vor und auch während der laufenden Kampagne die Einschätzung sowohl inner- als auch außerhalb der SPÖ, war nicht – nicht mehr? – kampagnenfähig. Wenn man so etwas während eines laufenden Wahlkampfs erkennen muss, löst das naturgemäß Hektik aus – und eine relativ hohe Personalfluktuation.

Kein Wunder, dass man sich in einer solchen Situation an jemanden hält, dessen Erfahrung außer Streit steht und der auf Referenzen verweisen kann, die in der Partei, jedenfalls im Umfeld des Kanzlers, noch immer etwas galten: Tal Silberstein spielte im SPÖ-Wahlkampf des Jahres 2017 eine deutlich zentralere Rolle, als Christian Kern in seinen öffentlichen Aussagen vermitteln wollte.

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Mit der Festnahme Tal Silbersteins Mitte August 2017 nahm denn auch das Verhängnis seinen Lauf: Einige Wochen ließen die Beteiligten eine sogenannte False-Flag-Operation weiterlaufen, im Rahmen derer eine Gruppe rund um den PR-Berater Peter Puller zwei Facebook-Seiten betrieb, die dazu dienen sollten, Sebastian Kurz bei ÖVP- und FPÖ-Sympathisanten zu diskreditieren. Ein ehemaliger ÖVP-Mitarbeiter betrieb zur gleichen Zeit eine Facebook-Seite, die dasselbe mit Christian Kern versuchte.

Dass es im Wahljahr 2017 für Christian Kern nicht so richtig gut lief, hatte aber auch viel mit dem Jahr 2016 zu tun, in dem er Kanzler und SPÖ-Vorsitzender geworden war. Als Sebastian Kurz nach seiner Machtübernahme in der ÖVP Neuwahlen ausrief, hatte Kern diese Möglichkeit bereits zweimal versäumt. Und auch als er Anfang Jänner 2017 in Wels seine „Plan A“-Rede hielt, war das eigentlich als Wahlkampfauftakt geplant gewesen.

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Zum geplanten Wahlkampfauftakt wurde die Firma seiner Frau in Israel, an der sich Kern 2016 mit einem sehr geringen Anteil beteiligt hatte, von „Blue Minds Israel“ in „Foresight“ umbenannt. An dieser Firma waren und sind prominente österreichische und israelische Investoren beteiligt, von einer liechtensteinischen Gesellschaft im Einflussbereich des Milliardärs Martin Schlaff, der bereits die SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima und Alfred Gusenbauer ziemlich eng an sich gebunden hatte, bis zu einem niederösterreichischen Industriellen, der zum Zeitpunkt seines Einstiegs auch eine Geschäftsbeziehung mit Tal Silberstein hatte.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich aus diesen Beziehungen problematische Vorgänge ableiten lassen. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass es im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Engagement von Eveline Steinberger-Kern in Israel rechtliche Probleme gibt. Aber Wechselwirkungen zwischen der politischen Fortüne Christian Kerns und den unternehmerischen Aktivitäten von Eveline Steinberger-Kern in den Jahren 2016 und 2017 lassen sich aufgrund einiger auffälliger Parallelen nicht ausschließen. Deshalb wurden diese Parallelen untersucht und dargestellt.

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Frau Steinberger-Kern hat uns in unserer Kommunikation im Zuge der Recherche mehrmals darauf hingewiesen, dass sie sich uns gegenüber nicht rechtfertigen „muss“. Das stimmt, natürlich muss Frau Steinberger-Kern unsere Anfragen nicht beantworten. Aber wir denken, dass die Anfragen weder unangemessen noch unstatthaft sind, schon gar nicht sind sie, wie Frau Steinberger-Kern in einem Mail mutmaßte, „frauenfeindlich“ und/oder „antisemitisch“. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Ehefrau eines amtierenden Kanzlers nicht nur eine unternehmerisch tätige Privatperson ist, vor allem dann, wenn nicht nur der amtierende Bundeskanzler an ihrem Unternehmen beteiligt ist, sondern auch andere Personen, die sich zugleich politisch engagieren.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild.

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