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Martin Schlaff und Christian Kern
5. Februar 2018 Kern und Silberstein Lesezeit 5 min
Christian Kern beteiligte sich im August 2016 offiziell an der israelischen Firma seiner Frau. Zeitgleich mit dem Bundeskanzler stieg eine diskrete Liechtensteiner Anstalt ein, die dem SPÖ-nahen österreichischen Milliardär Martin Schlaff zugerechnet wird.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Kern und Silberstein und ist Teil 3 einer 7-teiligen Recherche.
Martin Schlaff
Unternehmer
Der heutige 64-jährige Geschäftsmann mit Naheverhältnis zu Israel wurde von der Presse schon einmal als „Österreichs einziger Oligarch“ bezeichnet. Schlaff begründete seinen wirtschaftlichen Aufstieg mit der im Osthandel tätigen Firma „Robert Placzek“, er soll sehr gute Kontakte zu Spitzenrepräsentanten der DDR und der KPÖ unterhalten haben. In den 1990er Jahren trat Schlaff zunehmend als Investor in Erscheinung, u.a. beim Casino-Projekt in Jericho. Danach mischte Schlaff mit Partnern erfolgreich bei der Privatisierung des bulgarischen Mobilnetzbetreibers Mobiltel mit: Der 850-Millionen-Deal wurde 2002 von der BAWAG finanziert; 2005 wurde das Unternehmen mit einem kolportierten Gewinn von 800 Millionen Euro an die Telekom Austria weiterverkauft. Schlaff gilt als äußerst medienscheu, die Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Stadt Wien fand 1993 ohne Presse statt. 2006 geriet Schlaff in die Schlagzeilen, weil er für seinen vorübergehend in Frankreich inhaftierten Freund und Geschäftspartner Helmut Elsner, den einst mächtigen Generaldirektor der BAWAG, eine Kaution in Höhe von einer Million Euro hinterlegte.

Wir schreiben den 8. August 2016. Zwischen einem Bundesländertag in Niederösterreich und dem Empfang des serbischen Premierministers Aleksandar Vučić in Wien bringt Christian Kern einen privaten Deal in Israel unter Dach und Fach. Der Bundeskanzler der Republik Österreich wird als Privatperson Teilhaber einer Firma namens „Blue Minds Innovation Limited“, deren größte Einzelgesellschafterin die „The Blue Minds Company GmbH“ seiner Frau Eveline Steinberger-Kern ist. Später, im durchwegs turbulenten Nationalratswahlkampf 2017, wird Kern dazu mitteilen, es habe sich nur um eine Beteiligung von „symbolischer Natur“ gehandelt. Und diese sei auch ordnungsgemäß gemeldet worden.

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Symbolik

Symbolischen Charakter hat möglicherweise auch die Tatsache, dass der sozialdemokratische Bundeskanzler an diesem 8. August 2016 zeitgleich mit einer diskreten Liechtensteiner Anstalt, die im Einflussbereich des österreichischen Milliardärs Martin Schlaff steht, in das israelische Firmenbuch eingetragen wird. Könnte ihn diese private geschäftliche Verbindung über die Symbolik hinaus auch in einen politischen Interessenkonflikt bringen? Immerhin verfolgt Martin Schlaff in Österreich massive wirtschaftspolitische Interessen, unter anderem als Errichter einer Stiftung, die als Hauptaktionär des damals noch im ATX gelisteten Feuerfestwerkstoff-Spezialisten RHI fungiert.

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Aus „Blue Minds“ wird „Foresight“

Addendum-Recherchen ergaben, dass neben Ex-Bundeskanzler Kern und der Anstalt des Unternehmers Schlaff etliche andere illustre Personen an jener Firma beteiligt sind, die heute zu etwa einem Drittel – direkt oder indirekt – Kerns Ehefrau Eveline Steinberger-Kern gehört. Frau Steinberger-Kern ist über ihre Beratungsfirma „Blue Minds Company“ im Oktober 2014 Gründungsgesellschafterin der damaligen „Blue Minds Israel“, die rechtzeitig vor dem Nationalratswahlkampf 2017 in „Foresight“ umbenannt werden sollte.

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Im März 2016 steigen etliche israelische Investoren in das Unternehmen, das Software für den Energiedienstleistungsbereich entwickelt, ein. Unter ihnen sind der damalige Vizepräsident der israelischen Diamantenbörse, Shalom Papir, der Rechtsanwalt Shaul Yosef Bergerson, der ehemalige CEO der Israel Electric Corporation Amos Lasker sowie der ehemalige Aufsichtsratschef dieses Energieversorgers, Mordechai Friedman. Laut Firmenbuch übernimmt Eveline Steinberger-Kern damals auch persönlich einen Anteil an der Firma.

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Zeitgleicher Einstieg: Christian Kern und Alpha Capital Anstalt beteiligen sich an „Foresight“
März 2016

Israelische Investoren steigen bei „Blue Minds Israel“ ein.

Mai 2016

Kern wird Kanzler.

August 2016

Kern steigt mit einem Prozent bei der israelischen Firma seiner Frau ein. Zeitgleich beteiligt sich „Alpha Capital Anstalt“ mit rund sieben Prozent an der „Foresight“.

Jänner 2017

Kern präsentiert den „Plan A“, und aus „Blue Minds Israel“ wird „Foresight“.

Laut Addendum vorliegenden Firmenbuchunterlagen aus Israel erfolgte der Einstieg des damaligen Kanzlers Kern in die Firma seiner Frau am 8. August 2016. An ebendiesem Tag wurde auch die Beteiligung der Alpha Capital Anstalt eingetragen. Im Recherche-Finale zu dieser Geschichte teilte Eveline Steinberger-Kern mit, der Einstieg von Christian Kern bzw. der Alpha Capital Anstalt sei bereits mit 11. Mai 2016 erfolgt – also sechs Tage vor Kerns Angelobung als Bundeskanzler. Die laut Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz notwendige Kundmachung des Kanzlers im Amtsblatt der Wiener Zeitung passierte jedenfalls erst in der Ausgabe vom 4. August 2016.

Anfang Mai 2016 wird also Christian Kern Bundeskanzler. Am 8. August 2016 geht er offiziell besagte „symbolische Beteiligung“ von rund einem Prozent ein, zur selben Zeit lässt sich die dem Schlaff-Imperium zuzurechnende „Alpha Capital Anstalt“ aus Liechtenstein mit rund sieben Prozent als „Blue Minds“-Gesellschafter ins israelische Firmenbuch eintragen.

Anfang Jänner 2017 arbeitet Kanzler Christian Kern intensiv an seiner vielbeachteten Plan-A-Rede, die als informeller Wahlkampfauftakt gilt. Am 9. Jänner wird die „Blue Minds“ in Israel in „Foresight“ umbenannt.

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Interessante Investoren

Auch danach sollte die Investorenfamilie rund um die „Foresight“ der Kerns noch einmal wachsen: Ab Anfang April 2017 steht eine Beteiligung des Immobilienentwicklers Georg Muzicant im Firmenbuch. Detail am Rande: Georg Muzicant wird später auch mit einer Wahlkampfspende an Sebastian Kurz in Erscheinung treten. Nur einen Tag nach Muzicant kauft sich der SPÖ-nahe Holzindustrielle Gerald Schweighofer über seine Beteiligungs-Gesellschaft in die „Foresight“ ein. Detail am Rande: Schweighofer hat zu diesem Zeitpunkt bereits den SPÖ-Wahlkampfstrategen Tal Silberstein unter Vertrag; laut Profil für 35.000 Euro pro Monat. Weiters gesellt sich noch die T.R. Privatstiftung in den Kreis der Anteilseigner: Dort sitzt C-Quadrat-Chef Alexander Schütz im Vorstand. Schütz ließ sich laut Financial Times von der Filmfigur „Gordon Gekko“ im Hollywood-Blockbuster „Wall Street“ (1987) inspirieren, in die Fonds-Industrie einzusteigen.

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Weit reichende Geschäftsbeziehungen

Zurück zum Kern der Geschichte. Warum sucht der Bundeskanzler der Republik einen Notar auf, um – zeitgleich mit einer Liechtensteiner Anstalt mit Naheverhältnis zu Martin Schlaff – im August 2016 eine symbolische Beteiligung an der israelischen Firma seiner Frau einzugehen? Ist diese Beteiligung symbolisch im Sinne eines Hinweises auf weiter und tiefer reichende Geschäftsbeziehungen zwischen dem damaligen Kanzler und dem diskreten Milliardär?

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Eveline Steinberger-Kern teilte mit, die „Foresight Limited“ habe in drei Finanzierungsrunden 27 Investoren gefunden. Andere Investmentgründe als reines Geschäftsinteresse an ,Foresight Limited‘“ seien ihr als 29,71-Prozent-Teilhaberin und Managerin der Firma nicht bekannt.

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Eveline Steinberger-Kern (rechts, bei einer Podiumsdiskussion Ende Jänner 2018): „Andere Investmentgründe als ein reines Geschäftsinteresse an Foresight sind mir nicht bekannt.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Eveline Steinberger-Kern im Jahr 2013 als Managerin des Energie-Portfolios von Siemens den Zuschlag für den Bau eines 400-Millionen-Gasturbinenkraftwerks in Israel erhielt. Einige jener Personen, die den Zuschlag erteilten, sitzen jetzt mit ihr in der Foresight.

Eine kleine Firma

Christian Kern sagt, er halte Recherche und Berichterstattung über die Firmen seiner Frau für unangemessen, nicht zuletzt weil es sich um ein vergleichsweise kleines Unternehmen handle. Das kann man so sehen. Muss man aber nicht. Denn Kern selbst bestätigt, dass er im Rahmen einer Finanzierungsrunde im März 2016 – also „lange bevor irgendjemand daran denken konnte, dass ich Bundeskanzler werden könne“ – 50.000 Euro eingezahlt habe, damit die Finanzierungsrunde abgeschlossen werden konnte. Ins Firmenbuch sei sein Anteil – der unter einem Prozent liegt – erst später eingetragen worden, da gebe es Stichtage.

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Ganz so klein ist ein Unternehmen nicht, an dem ein Anteil von unter einem Prozent 50.000 Euro kostet. Wie viel hat die Schlaff zuzurechnende verschlossene Liechtensteiner Anstalt für ihre Beteiligung bei den Kerns einbezahlt? Christian Kern bleibt dabei: Schlaff habe mit der Geschichte nichts zu tun. Alpha Capital sei ein amerikanischer Venture Capital Fonds, der seine Investments breit streue, und in dem wohl einer der Söhne Schlaffs involviert sei.

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Das Millionenangebot

Hinweise darauf, dass zwischen Christian Kern und Martin Schlaff ein Kontakt bestehen dürfte, lieferte Kern selbst, als er im Wahlkampf 2017 darauf hinwies, er habe zugunsten seiner Kanzlerschaft ab Mai 2016 einen exzellent dotierten Job als Vorstandsvorsitzender ausgeschlagen. Wörtlich sagte der Regierungschef in einem ORF-TV-Duell: „Ich habe einen Job sausen lassen, der mir ein Millioneneinkommen beschert hätte.“

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Kern hatte bereits einen Vertrag als RHI-Chef

Mittlerweile bestätigt Kern, dass es nicht nur das Angebot gab, den CEO-Posten beim Feuerfestwerkstoff-Hersteller RHI zu übernehmen: Nach Verhandlungen, die bereits über ein Dreivierteljahr gedauert hätten, habe es „auch schon gültige Vereinbarungen gegeben“, aus denen ihn die RHI-Eigentümer nach seiner Entscheidung, doch Bundeskanzler werden zu wollen, großzügig „rausgelassen“ hätten.

Wesentlicher Player bei der RHI ist die MSP-Stiftung von Martin Schlaff, jenes Mannes, dem auch die „Alpha Capital Anstalt“ zugerechnet wird, die sich am 8. August 2016 gleichzeitig mit Christian Kern an der Firma beteiligt hat, welche zu einem Drittel im Besitz der Frau des damaligen Bundeskanzlers ist.

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Das Sonderabkommen mit Liechtenstein

Übrigens: Im Oktober 2016 schloss die SPÖ-ÖVP-Regierung unter der Führung von Christian Kern ein Sonderabkommen mit Liechtenstein, das bestehenden Stiftungen und Anstalten weiterhin Anonymität gewährt. Während andere Länder Daten automatisch erhalten, wollte Österreich gar nicht so genau wissen, was sich dort abspielt. Begründet wird dies vom neuen Finanzminister nun mit der „regionalen Lage, die sich für andere Länder nicht in demselben Ausmaß stellt“. 

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