Regierungsprogramm SPÖ/ÖVP, 2008–2013:
„Zentral ist für uns die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben für Frauen und Männer. Geldleistungen oder andere Formen der Unterstützung sowie geeignete Rahmenbedingungen und Infrastruktur (Kinderbetreuung) sind dafür unerlässlich.“
Regierungsprogramm SPÖ/ÖVP, 2013–2017
„Ausbau der Kinderbetreuung durch Bundesmittel in den nächsten 4 Jahren, um die Frauenbeschäftigung zu fördern.“
Regierungsprogramm ÖVP/FPÖ, 2017:
„Familien sind vielfältig und brauchen ein entsprechend vielfältiges Angebot, wie sie Kinder betreuen und wie sie Familie und Beruf vereinbaren wollen.“
Drei Regierungen, drei Abkommen, ein Fixpunkt: der Ausbau der Kinderbetreuung. Seit vergangenem Donnerstag verhandeln nun der Bund und die Länder auf Beamtenebene darüber, wie viel Geld es geben wird – beispielsweise für neue Plätze in der Kleinkinderbetreuung oder für eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten. Aber was hat sich in den vergangenen zehn Jahren eigentlich getan? Wo sind Öffnungszeiten für die Betreuung 3- bis 6-Jähriger verlängert oder verkürzt worden? Wo blieb alles beim Alten? Antworten auf diese Fragen haben wir mit der Analyse einer Spezialauswertung der Statistik Austria erhalten: In sechs von zehn Gemeinden sind Kindergärten und altersgemischte Betreuungseinrichtungen länger geöffnet als im Kindergartenjahr 2006/2007. Aber: Nur in einem Drittel aller Gemeinden sind die Einrichtungen so lange geöffnet, dass ein Vollzeitjob überhaupt möglich ist.
Mangelnde Möglichkeiten für Kinderbetreuung sind nach Mikrozensus-Erhebung der Statistik Austria seit Jahren die größte Hürde für einen Vollzeitjob. Österreich ist europaweit eines der Schlusslichter, wenn es um die Dauer der Betreuungszeit von 3- bis 6-Jährigen geht. In dieser Karte sehen Sie, wie lange Kindergärten in Ihrer Gemeinde geöffnet sind und die Veränderung seit 2006:
Etwa 20 Stunden pro Woche sind Kinder dieser Altersgruppe in Österreich in Betreuung. Nur Großbritannien und die Niederlande haben einen vergleichbar niedrigen Wert. Der EU-Durchschnitt liegt bei rund 30 Stunden. Das spiegelt sich in der Teilzeitquote von Frauen wider. Sie liegt in Österreich bei über 50 Prozent. Im Europa-Vergleich bedeutet das Platz zwei hinter den Niederlanden.
Eine Datenanalyse der Vollzeitquoten von Frauen und der örtlichen Öffnungszeiten der Betreeungseinrichtungen zeigt, dass das Verlängern von Öffnungszeiten in den meisten Gemeinden mit einer höheren Vollzeitbeschäftigungsquote von Frauen einhergeht.
In dieser Unterscheidung nach Stadt und Land wird auch ersichtlich, dass das bessere Betreuungsangebot vor allem in Städten zu mehr 40-Stunden-Beschäftigungen führt.
„Viele Eltern machen eine kurzfristige Rechnung, ob es sich auszahlt, das Kind betreuen zu lassen und arbeiten zu gehen oder gleich zu Hause zu bleiben, weil der Kindergarten zu viel kosten würde. Vor allem für einkommensschwache Haushalte ist das eine schwierige Situation. Die kurzfristige Rechnung führt aber auch dazu, dass Frauen langfristig die nötigen Zeiten für ihre Pensionszahlungen fehlen“, sagt Markus Kaindl. Er ist Forscher am Institut für Familienforschung der Universität Wien.
Auch die Ferienzeit stellt Eltern jedes Jahr vor allem im Sommer auf die Probe. Dem gesetzlichen Anspruch auf fünf Wochen Urlaub (25 Werktage) pro Jahr stehen in acht von neun Bundesländern – Wien ist die Ausnahme – mehr Schließtage gegenüber. In Tirol sind es im Durchschnitt 44 Schließtage pro Jahr, in der Steiermark noch 27 Tage. Auch im Abkommen der ÖVP-FPÖ-Regierung heißt es, dass sich das ändern soll:
„Eltern müssen aber auch bei der Betreuung ihrer Kinder vor allem in den Ferien unterstützt werden, indem die professionelle Ferienbetreuung ausgeweitet und Herbstferien angestrebt werden.“
Und was hat sich in diesem Punkt in den vergangenen zehn Jahren getan? Wie bei den Öffnungszeiten ergibt sich ein klares Stadt-Land-Gefälle:
Das kann beispielsweise an Kooperationen mit anderen Gemeinden liegen, in denen die Kinder mitbetreut werden, oder an fehlender Nachfrage. In diesen Daten wird nur das Angebot abgebildet, nicht die Nachfrage nach Betreuung. Dass es heute weniger Gemeinden mit eigenem Kindergarten gibt, ist auch eine Folge der sinkenden Geburtenzahl. Aber das ist keine Angelegenheit, die Bund und Länder mit einer neuen 15a-Vereinbarung neu verhandeln könnten.
Was erfasst die Kindertagesheimstatistik?
Die Öffnungszeiten der jeweiligen Betreuungsform zum Erhebungsstichtag. Wie sich die Betreuungsdauer pro Kind verändert hat, wird nicht erhoben. Es liegen in der Kindertagesheimstatistik nur Informationen über die angebotene Öffnungszeit vor.
Wie und warum werden Öffnungszeiten gewichtet?
Wenn es mehrere Einrichtungen in einer Gemeinde gibt, haben wir die offenen Stunden jeder Einrichtung jeweils mit der Anzahl der betreuten Kinder dieser Einrichtung gewichtet.
Welche Probleme ergeben sich durch diese Gewichtung?
Das lässt sich am besten mit einem Beispiel illustrieren: Wenn 20 Kinder in einer Einrichtung 2016/17 mit 4 Stunden pro Tag sind und 100 Kinder in einer Einrichtung mit 10 Stunden pro Tag, wäre die durchschnittliche angebotene Öffnungszeit 9 Stunden pro Tag (20×4 + 100×10 / 120). Wenn es diese Einrichtung mit 4 Stunden pro Tag 2006/07 noch gar nicht gegeben hätte, und die zweite Einrichtung hätte 2003/04 nur 9,5 Stunden pro Tag geöffnet, wäre die rein rechnerische Aussage, dass die angebotene Öffnungszeit von 9,5 Stunden auf 9 Stunden zurückgegangen ist, obwohl die größere Betreuungseinrichtung die angebotene Öffnungszeit noch erhöht hat.
Wann geht eine Betreuungseinrichtung in die Kindertagesheimstatistik ein?
Die Untergrenze, die erreicht werden muss, damit eine Einrichtung bei unserer Statistik berücksichtigt wird, liegt bei 15 Wochenstunden.
Wie wäre es mit etwas mehr Transparenz eurer Methodik?
Den Code und die Rohdaten für dieses Projekt finden Sie unter diesem Link in einem R-Projekt.