Milliarden Menschen wird es laut Vereinten Nationen im Jahr 2050 geben.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts lebten auf der Erde nur 1,6 Milliarden Menschen. Seither ist die Weltbevölkerung immens angewachsen. Ein Trend, der sich in Zukunft weiter fortsetzen wird. Laut den Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis 2030 von derzeit 7,55 Milliarden Menschen um eine weitere Milliarde anwachsen, 2050 soll es nach dieser Prognose 9,772 Milliarden Menschen geben, 2100 wären es dann 11,18 Milliarden.
Das Bevölkerungswachstum ist schon seit sehr langer Zeit Anlass für pessimistische Thesen. 1798 warnte Thomas Robert Malthus in seinem Essay on the Principle of Population davor, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht ausreiche, um die vielen neuen Menschen zu versorgen. Wenn es zu keiner Geburtenkontrolle komme, wären Hungersnöte und Massensterben die unweigerliche Folge.
Eine These, die sich in unterschiedlicher Form bis heute gehalten hat. 1968 zeichnete Paul Ehrlich in seinem Buch The Population Bomb das düstere Bild eines überfüllten Planeten, 1972 warnte der Club of Rome in seinem aufsehenerregenden „Limits to Growth“-Bericht auch vor den Folgen der Überbevölkerung (Ausführungen, die 30 Jahre später in ähnlicher Form wiederholt werden sollten).
Milliarden Menschen wird es laut Vereinten Nationen im Jahr 2050 geben.
Eine weitere, besonders eindringliche Warnung vor den Folgen des Bevölkerungswachstums wurde 2013 von 16 namhaften Wissenschaftlern als Scientific Consensus Statement on Maintaining Humanity’s Life Support System in the 21st Century: Information for Policy Makers veröffentlicht. Das Dokument wurde mehrfach übersetzt und an zahlreiche Staats- und Regierungschefs (darunter Barack Obama und Xi Jinping) übermittelt.
Zu den Verfassern gehören unter anderem Anthony D. Barnosky und Elizabeth A. Hadly, die ihre Thesen zur Überbevölkerung drei Jahre später in ihrem Buch Tipping Point for Planet Earth: How Close Are We to the Edge? weiter ausformulierten: Obwohl die von Paul Ehrlich beschriebene „Hölle auf Erden“ (noch) nicht eingetreten ist, halten die Autoren sein Hauptargument weiterhin für gültig: Die Menschheit wächst zu stark.
Auch wenn sie bezweifeln, dass das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte unverändert anhalten wird (aufgrund von Kriegen, Krankheiten und anderen Katastrophen), „werden wir einige weitere Milliarden Menschen auf den relativ kleinen Anteil Erdoberfläche packen müssen, der bewohnt werden kann (20 Prozent) … Wenn Sie gerne auf dem Land leben, verabschieden Sie sich davon; diese weiten Flächen mit nur einigen wenigen Häusern wird es nicht mehr geben. Das Stadtleben wird sich eher anfühlen wie das Leben in einer Sardinenbüchse. Wie Paul Ehrlich es ausgedrückt hat: Menschen, Menschen, Menschen, Menschen.“
Das Bevölkerungswachstum ist weltweit allerdings unterschiedlich verteilt. Während die Bevölkerung in Japan und Osteuropa schrumpft, weisen zahlreiche afrikanische Länder eine äußerst hohe Fertilitätsrate auf (im Niger beläuft sie sich auf 7,2 Kinder pro Frau, in Somalia 6,3, in der Demokratischen Republik Kongo und Mali 6,1 und im Tschad 5,9).
Der zentrale Faktor dabei ist die Bildung von Frauen: Je höher ihr Bildungsgrad, desto weniger Kinder bekommen sie; weil sie aufgrund eigener beruflicher Tätigkeit unabhängiger sind, stärker auf ihre Gesundheit achten, ihren Kindern ebenfalls eine gute Ausbildung zukommen lassen wollen (was mit steigender Kinderzahl schwieriger wird) oder eher Verhütungsmittel bekommen.
Es gibt für das Problem der Überbevölkerung zwei zentrale Lösungsvorschläge:
Manche erachten die Debatte als künstliches Problem, das vom Wesentlichen ablenkt und sich mit der ohnehin notwendigen Reduktion der individuellen und kollektiven Umweltbelastung – man spricht vom ökologischen Fußabdruck – lösen lässt. Theoretisch, so die Annahme, reichen die Ressourcen auch für eine stark wachsende Weltbevölkerung – nur eben nicht, wenn alle einen ähnlich hohen Energieverbrauch haben wie ein durchschnittlicher US-Amerikaner oder auch Europäer.
Andererseits lassen sich damit Maßnahmen zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums begründen: Aufklärungskampagnen, leichtere Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln und allen voran mehr Bildung für Frauen.
Darüber hinaus existiert mit dem sogenannten Antinatalismus eine philosophische Strömung, die die Fortpflanzung per se ablehnt. Matti Häyry von der finnischen Aalto-Universität etwa bezeichnet den gesellschaftlichen Fortpflanzungsdruck als „prereproductive stress syndrome.“ Dem solle mit der simplen Erkenntnis begegnet werden, dass die Entscheidung, Kinder zu bekommen, als irrationale und sogar unmoralische (!) Entscheidung angesehen werden sollte. Folglich lehnt Häyry auch ausdrücklich sämtliche Formen der Fortpflanzungsmedizin ab. Vielmehr solle man eine Ebene darüber ansetzen und Paare über die negativen Aspekte des Kinderkriegens aufklären.
Schließlich werde das Leben vieler Menschen von Mühsal, Schmerz und Leid dominiert. Manchmal geht das so weit, dass sie ihre Eltern oder Ärzte verklagen oder sich das Leben nehmen. Häyry sieht den Kinderwunsch als unvernünftig an, weil sich diese Risiken mit der bewussten Entscheidung gegen Kinder ausschalten lassen.
Außerdem bezeichnet er die Fortpflanzung als unmoralisch: Einerseits, sagt er, wird jeder Mensch im Laufe seines Lebens leiden, wofür man beide Elternteile zur Verantwortung ziehen kann. Andererseits können die potenziellen Eltern nicht garantieren, dass ihr Kind sein Leben als lebenswert erachten wird. Es besteht die realistische Chance – unabhängig davon, wie gering sie sein mag –, dass das Kind es vorziehen würde, nie geboren worden zu sein. Daher erhebt Häyry den Vorwurf, dass Eltern eine Art Glücksspiel mit ungeborenem Leben betreiben.
Ein weiterer bekannter Vertreter des Antinatalismus ist der Südafrikaner David Benatar. Ähnlich wie Häyry betont er, dass die menschliche Existenz inhärent mit Leid verknüpft ist. Das Leben sei letzten Endes von geringerer Qualität, als viele es wahrhaben wollen. Viele Menschen würden nicht geboren werden wollen, wenn sie im Voraus wüssten, was sie erwartet.
Wie auch Häyry erachtet Bentatar Fortpflanzung schon deswegen als unmoralisch, weil das Risiko besteht, Kinder in die Welt zu setzen, die ihr Leben nicht als lebenswert erachten werden. Zusätzlich zu diesem „philanthropischen“ antinatalistischen Argument führt er ein „misanthropisches“ an: Menschen werden nicht (nur) selbst leiden, sondern auch anderen seelische und oft auch physische Schmerzen zufügen.
Zusätzlich argumentiert Benatar mit den Qualen, die Menschen anderen Lebewesen oder auch der Umwelt zufügen. Kurzum: Es ist unmöglich, seinen Menschen und anderen Lebewesen oder der Natur nicht auf die eine oder andere Art zu schaden. Wer Kinder in die Welt setzt, hat daran unweigerlich entscheidenden Anteil.
Für Vertreter des Antinatalismus erübrigen sich ethische Fragen rund um das Thema Fortpflanzungsmedizin. Wenn es nach ihnen geht, sollten Menschen ohnehin keine Kinder bekommen. Noch dazu, wo die Bevölkerung global gesehen stark ansteigt, was wiederum die Umwelt belastet und soziale Gefahren birgt. Was am menschlichen Grundbedürfnis nach Fortpflanzung natürlich nichts ändert. Müßig zu sagen, dass antinatalistische Argumente allgemein auf wenig Verständnis stoßen.