Viele Länder erforschen derzeit unabhängig voneinander geotechnische Großversuche, allen voran China, Indien oder die USA. Laut dem Weltklimarat IPPC ist der Einsatz von sogenannten Climate-Engineering-Technologien notwendig, um die Erderwärmung auf die angestrebten 1,5 Grad zu begrenzen. Würde ein Land beginnen, klimaverändernde Maßnahmen weiträumig einzusetzen, hätte das auch Konsequenzen für die restliche Welt. Der politische Druck, eine globale gesetzliche Basis zu schaffen, wächst. Gelingt das nicht, könnte es ungeregelt zum Einsatz von Climate Engineering kommen, und das hätte nicht abschätzbare Auswirkungen auf den gesamten Globus.
Climate Engineering stößt wegen seiner unvorhersehbaren Folgen auf viel Kritik. So wollte etwa China einen Berg im Himalaya sprengen lassen, um mehr feuchtwarme Luft auf die Hochebene zu lenken. Dabei wurde jedoch übersehen, dass die warme Luft auf die schneebedeckten Berge stoßen würde, und das Schmelzwasser zu Flutkatastrophen in den südlichen Nachbarländern führen hätte können. Der Plan wurde rechtzeitig verworfen.
Von der Düngung der Ozeane, über Spiegel im All bis hin zu weißen Tulpenfeldern fällt derzeit eine ganze Reihe an Maßnahmen in den Bereich des Climate oder Geo-Engineering. Um den Begriff einzuordnen, muss man allerdings eine wesentliche Unterscheidung treffen. Einerseits gibt es Methoden, Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre zu entfernen und in weiterer Folge unterirdisch zu speichern oder wiederzuverwenden („carbon capture“). Andererseits wird aktiv in die Strahlungsbilanz der Erde eingegriffen, indem man die Sonneneinstrahlung auf die Erde beeinflusst („solar radiation management“ oder „Strahlungsmanagement“). Letzteres beinhaltet Methoden, die massiv in das Gleichgewicht der Erde eingreifen würden, daher steht ihr Einsatz besonders in der Kritik.
Wissenschaftler sind sich darin einig, dass Climate Engineering in der einen oder anderen Form zum Einsatz kommen wird. Laut Florian Kraxner vom IIASA führt an der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kein Weg vorbei: „Wir müssen den CO2-Müll, den wir verursacht haben, auch wieder aufräumen.“ Beginnen würde er damit am liebsten sofort, da alleine der Aufbau der Infrastruktur teilweise bis zu 30 Jahre dauert. Anders die Methoden des Strahlungsmanagements. Ihr Einsatz wäre erst im äußersten Notfall relevant, da sie zwar die globalen Temperaturen nachweislich senken, aber teils massive Nebenwirkungen hätten. „Wir wissen nicht genug über die Konsequenzen, im Endeffekt wäre es ein Abwägen von Risiken“, meint etwa Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut. Modelle zeigen: Sobald man an einer Schraube dreht, werden gleichzeitig andere Schrauben in Bewegung gesetzt. Würde also ein Land autonom entscheiden, Climate Engineering einzusetzen, hätte das globale Auswirkungen.
Dabei geht es um hochumstrittene Methoden, deren Einsatz unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen würde. Es geht um die Reduzierung der Solarstrahlung, die den Erdboden erreicht. Dabei werden unterschiedliche Methoden untersucht:
Aerosole sind kleinste flüssige oder gasförmige Stoffe. In der Stratosphäre ist das vor allem wässrige Schwefelsäure. Forscher testen derzeit das künstliche Einbringen von Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Die Partikel würden die Sonnenstrahlen zur Erde abschwächen und dadurch die Temperatur senken. Das passierte in der Vergangenheit bereits auf natürliche Weise nach Vulkanausbrüchen wie etwa 1991 auf den Philippinen (Pinatubo). Langfristig wirkte sich die Eruption auf das globale Klima aus. Im Jahr nach dem Ausbruch sanken die Durchschnittstemperaturen um 0,5 Grad. In der Stratosphäre bildete sich ein Dunstschleier aus Aerosolen, der um die Erde zog. Eine unbedenklichere Alternative zu den Versuchen mit Schwefeldioxid könnte Zucker sein, dennoch hätte diese Methode unvorhersehbare globale Folgen, und sie würde nur eingesetzt werden, wenn die Temperaturen auf der Erde unerträglich wären.
Vorteile: Senkt die globale Temperatur. Relativ kostengünstig.
Nachteile: Nicht absehbare Folgen für Umwelt und Gesundheit. Kann nicht rückgängig gemacht werden.
Eine Armada von Sprühschiffen könnte künftig Wasser in die Luft sprühen und dadurch die Wolken heller machen, wodurch mehr Sonnenstrahlung reflektiert werden würde. Vor allem die Salzkristalle sind es, die in höheren Luftschichten Kondensationskerne bilden und dadurch die Wolken weißer machen würden. Laborexperimente lassen vermuten, dass das erfolgreich sein könnte. Bis zu 1.500 selbstgesteuerte Roboterschiffe würden dann autark über die Weltmeere kreuzen und Meerwasser in die Luft sprühen.
Vorteile: Senkt die globale Temperatur. Projekt könnte bei unerwünschten Folgen jederzeit abgebrochen werden.
Nachteile: Insgesamt starke, nicht absehbare Folgen auf das Niederschlagssystem. Dürren und Unwetter könnten die Folge sein.
Dieses System gleicht einem Sonnenschirm im Weltall, die Spiegel würden die Sonnenstrahlen gar nicht erst zur Erde lassen. Die Frage ist nur, wie man ein Sonnenschild in der Größe einer Stadt im Weltraum konstruiert. Unzählige Raketenstarts wären nötig, um das Material ins All zu bringen. Die NASA lässt sich davon nicht beirren und arbeitet an leichtem Material und Möglichkeiten, die Spiegel ins All zu bringen.
Vorteile: Senkung der Temperatur um ein bis zwei Grad. Die Spiegel könnten theoretisch auch wieder demontiert werden.
Nachteile: Unglaublich kosten- und ressourcenintensiv.
Fast zwei Drittel der Erdoberfläche entfallen auf das Meer, ein großes Forschungsfeld, mit dem sich Professor Ulf Riebesell vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel auseinandersetzt.
Dabei wird nährstoffreiches Tiefenwasser in die Höhe gepumpt mit dem Ziel, die Produktivität im Ozean zu steigern. Dadurch wird auch das Algenwachstum angeregt. Algen binden CO2, bevor sie wieder auf den Meeresboden absinken.
Die Ergebnisse der Expedition haben Ulf Riebesell überrascht:
„Wir sind das erste Projekt, das diesen künstlichen Auftrieb wirklich im natürlichen System untersucht hat. Von daher ist es jetzt ein bisschen früh, um generelle Aussagen zu treffen. Aber auf jeden Fall sollte man noch einmal genauer hinschauen, denn es könnte sehr viel mehr Potenzial in diesem künstlichen Auftrieb liegen, als wir in der Wissenschaftsgemeinde bisher gedacht hatten.“
Vorteile: Kostengünstig und verhältnismäßig einfach durchzuführen.
Nachteile: Auswirkungen nicht absehbar, wenn sich Algen zu stark vermehren, kann das problematisch werden. Die Auswirkungen auf die Tiefsee sind unbekannt.
Dabei wird dem Meer Eisen zugefügt, um das Algenwachstum zu beschleunigen. Die Algen sollen in weiterer Folge das CO2 aus der Luft aufnehmen und zum Meeresboden absinken.
43 Vertragsstaaten des Londoner Protokolls haben die kommerzielle Düngung 2014 verboten. Die Forschung ist nach wie vor erlaubt.
Vorteile: Geringe Kosten, einfache Ausführung.
Nachteile: Konsequenzen für das Ökosystem zu wenig erforscht.
Basalt ist erkaltete Lava – ein Allerweltsgestein, das sich überall auf der Erde findet und CO2 bindet. Ein Erdwärmekraftwerk in Hellisheiði im Südwesten Islands pumpt das CO2 direkt zum basalthaltigen Meeresgrund. Dort dauert es zwei bis drei Jahre, bis das CO2 in Minerale wie Kalk, Magnesit oder Dolomit verwandelt wird.
Vorteile: Vielversprechende Teillösung. Gilt als eines der sichersten Endlager.
Nachteile: Bei Ausbringung an Land kosten- und platzintensiv. Mehr als 3 Milliarden Tonnen Basalt sind nötig, um eine Milliarde Tonnen CO2 zu binden.
Aus südeuropäischen Ländern kennt man die Methode, Häuser und Straßen weiß zu streichen. Großstädte könnten dadurch, laut Forschern des US National Center for Climate Research, um bis zu ein Grad Celsius kühler sein. Global gesehen könnte es bei erheblichem Aufwand zu lediglich einem Zehntelgrad Abkühlung führen.
Vorteile: Einfache Lösung
Nachteile: Nur lokal wirksam, bei großflächiger Landnutzungsänderung mögliche Auswirkungen auf den Wasserkreislauf und die Wolkenbildung.
Die wichtigste Albedo liefert das arktische Eis. Um die verlorene Fläche wieder zu vergrößern, gibt es Ideen, das kalte Wasser aus der Tiefe mittels windgetriebener Pumpen an die Oberfläche zu bringen. Das würde die Eisbildung anregen.
Vorteil: Eis schmilzt im Sommer nicht mehr so stark
Nachteil: Unvorhersehbare Folgen auf die Tiefsee. Außerdem würde man 10 Millionen Pumpen benötigen. Kosten: knapp 500 Milliarden Euro.
Am Eis arbeiten derzeit auch Forscher in der Schweiz. Ihr Ziel ist es, das Schmelzen des Morteratschgletschers zu bremsen. Dazu sammeln die Forscher Schmelzwasser und beschneien damit im Sommer eine 0,8 km2 große Fläche. Nach zehn bis 15 Jahren würde der Gletscher laut Berechnungen nicht mehr zurückgehen.
Sollte das Projekt erfolgreich sein, könnte es auch in diesen Gebieten zur Anwendung kommen.
Vorteile: Forschungsprojekt wurde im Juli 2019 für eine Dauer von 30 Monaten bewilligt. Gletscherschmelze könnte gestoppt werden.
Nachteile: Kosten liegen bei 2,27 Millionen Euro bei hohem Energieaufwand.
Zur Bekämpfung des Klimawandels gilt BECCS als theoretisch vielversprechendes Verfahren, ist jedoch nicht unumstritten. Dabei geht es darum, Bioenergie zu produzieren und das dabei freigesetzte CO2 aufzufangen und in entsprechenden Depots zu speichern. Das entnommene CO2 wird meist wieder unter der Erde eingebracht, etwa genau da, wo zuvor Erdöl und Erdgas entnommen wurden.
Vorteil: CO2 wird aus der Luft abgezogen, erzeugt Wärme und Elektrizität.
Nachteil: Braucht enorme Flächen, um effektiv zu sein. Die Infrastruktur ist aufwendig und kostenintensiv. Etwa auch für den Transport zur Speicherstätte.
Wer heute einen Baum pflanzt, ist dabei nicht zwingend auf Holz angewiesen. Vielmehr könnte man auf einen „Carbon-Capturing“ Baum zurückgreifen.
Diese „Bäume“ binden CO2 aus der Luft, das aufgefangene Gas kann in weiterer Folge wiederverwendet werden. Etwa in Form von synthetischem Kraftstoff, zur verbesserten Ölgewinnung oder für die Landwirtschaftsindustrie. Bei dieser Technologie wird das CO2 recycelt und kommt in weiterer Folge wieder zurück in die Atmosphäre.
Vorteile: CO2-Aufnahme 1.000-mal höher als ein natürlicher Baum, bis zu eine Tonne pro Tag sind möglich.
Nachteile: CO2 muss stündlich entleert werden, ist kostenintensiv und braucht viel Energie. Die Methode bräuchte viel Platz, um effektiv zu sein.
Erst kürzlich hat eine Studie von Forschern der ETH Zürich aufhorchen lassen. Würden wir rund 900 Millionen Quadratkilometer der Erdoberfläche in Wald umwandeln, könnte der Klimawandel gestoppt werden. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Denn Wälder speichern nicht nur CO2. Professor Dan Yakir aus dem Fachbereich Umweltwissenschaften und Energieforschung in Israel hat den Yatir-Wald, einen künstlich angelegten Wald in der Negev-Wüste, genauer untersucht. Ein Wald kann in heißen Zonen sogar zum Hitzespeicher werden.
Vorteile: Aufforsten ist je nach geografischer Lage sinnvoll, um der Verringerung der Waldflächen entgegenzuwirken.
Nachteile: Braucht enorme Flächen, um global effektiv zu sein, und steht damit in Konkurrenz zur Landwirtschaft. Enormer Wasserverbrauch.
Climate-Engineering-Technologien können nicht einheitlich bewertet werden. Im Zuge der Recherche haben wir mit diversen Wissenschaftlern gesprochen, die in unterschiedlichen Bereichen des Climate Engineering forschen. Geht es um die Methoden der CO2-Entnahme, waren sich alle einig, dass daran kein Weg vorbei führt. Jede dieser Methoden hat jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen, die teilweise nicht vorhergesagt werden können.
Das größte Problem sehen viele in der künftigen Klimapolitik, die sich mit dem wachsenden Interesse an Climate Engineering befassen muss. Im März dieses Jahres hat die Umweltversammlung der Vereinten Nationen in Nairobi eine von der Schweiz vorgelegte Resolution geprüft. Sie forderte eine globale Bewertung der Climate-Engineering-Technologien. Viele kleine Inseln interessieren sich bereits für die Technologien, weil sie von Umweltkatastrophen betroffen sind. Die Anziehungskraft einer Technologie, die der Welt mehr Zeit verschafft, könnte für Länder, in denen die Auswirkungen unerträglich werden, immer attraktiver werden. Die Resolution erhielt Unterstützung von einer Reihe von Ländern, jedoch wurde der Antrag letzten Endes zurückgezogen, weil die USA, Brasilien, Saudi-Arabien und andere deren Inhalt ablehnten.
Faktum ist jedoch auch, dass wir durch den CO2-Ausstoß seit Jahrzehnten Climate Engineering betreiben und unsere derzeitigen Vorhersagen nach wie vor auf Modellberechnungen beruhen. Kein Wissenschaftler kann genau sagen, wo wir im Jahr 2030 stehen werden. In den 70er Jahren hat die Wissenschaft noch die nächste Eiszeit prophezeit, und trotz Erderwärmung erwartet ein US-Forscherteam eine Mini-Eiszeit ab 2030. Insgesamt bezweifelt die Erderwärmung jedoch heute kaum noch ein Wissenschaftler. Was es aber unbedingt braucht, ist eine politische Diskussion über mögliche Climate-Engineering-Schritte.
Der Artikel wurde am 16. Dezember um 13.30 Uhr aktualisiert.