Landwirtschaft, insbesondere die „intensive“ Landwirtschaft, ist Mitursache für vieles. Neben dem Überleben einer noch nie dagewesenen Anzahl an Menschen auch für eine Reihe von Umweltproblemen, wie dem Artensterben oder dem menschengemachten Klimawandel. Zwar trifft sie bei Weitem nicht die alleinige Schuld an allem. Aber dass sich Ackerbau und Tierhaltung stark auf die Umwelt auswirken, ist Konsens in der Wissenschaft und auch für jedermann leicht nachvollziehbar. Wer im heimischen Gemüsebeet selbst schon einmal durch Unkrautzupfen die Artenvielfalt reduziert hat, weiß: Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität (Artenvielfalt) haben ein grundsätzliches Problem miteinander.
Komplizierter wird es beim genaueren Blick auf den Begriff „intensive Landwirtschaft“. Er wird häufig als das Gegenteil einer kleinbäuerlichen, kleinstrukturierten und vermeintlich natürlicheren, beziehungsweise umweltschonenderen Landwirtschaft gebraucht. Ein fataler Irrtum: Schon in der Jungsteinzeit und erst recht im Mittelalter verursachten Kleinbauern nämlich Umweltkatastrophen. Sie entwaldeten etwa ganze Landstriche und gaben so den Boden bei Starkregen der Erosion preis. Dokumentiert ist etwa das sogenannte Magdalenen-Hochwasser Ende Juli 1342 – wohl die schlimmste Flut des gesamten Jahrtausends. Weite Teile Mitteleuropas wurden damals verwüstet. Der weggeschwemmte Boden hinterließ noch heute sichtbare, metertiefe Erosionsrinnen und Hungersnöte. Einer der Gründe neben dem tagelangen Sintflut-Regen: der Platzbedarf der Landwirtschaft und schädliche Bewirtschaftungsmethoden. Deutschland zum Beispiel war nicht, so wie heute, zu einem Drittel mit Wald bedeckt, sondern nur zu 10 bis 15 Prozent. Das damals noch ertragsarme Kleinbauerntum hatte zu viel Fläche umgepflügt und setzte dem Wald dadurch, neben dem grassierenden Holzhunger, ordentlich zu.
Teja Tscharntke, Professor für Agrarökologie (Uni Göttingen): „Auch der Kleinbauer will überleben.“
Und auch heutzutage bewirtschaften Kleinbauern ihr Land keinesfalls automatisch weniger intensiv oder umweltfreundlicher. Ganz im Gegenteil.
Was genau bedeutet eigentlich „intensive Landwirtschaft“? Bezogen auf den Ackerbau könnte man sagen, dass in einen Quadratmeter Boden besonders viel hineingebuttert wird, um später möglichst viel herauszuholen, sprich zu ernten. Die Butter besteht in diesem Fall aus Arbeitszeit, Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmitteln oder Bodenbearbeitungsgängen. Wem nur zwei Hektar Land zur Ernährung seiner Familie zur Verfügung stehen, wie oftmals in Entwicklungsländern, der sieht sich unter weit größerem Druck, alle ihm verfügbaren Mittel einzusetzen, um das Maximum aus seinem Boden herauszuholen. Nur weil er Pestizide mit der Rückenspritze ausbringt und den Kunstdünger von Hand auf den Acker streut, wirtschaftet er nicht unbedingt weniger intensiv. Ein Großbauer kann es sich mit 2.000 Hektar Acker dagegen viel eher leisten, z.B. Ränder und schwer zugängliche Ecken eines Feldes einfach brach liegen zu lassen, wenn sie für seine Großmaschinen schwer zugänglich sind. Grundsätzlich hat die Größe eines Feldes oder eines landwirtschaftlichen Betriebs also wenig mit der Intensität der Bewirtschaftung zu tun.
Dennoch ergeben sich sehr wohl Unterschiede in puncto Artenvielfalt. Agrarökologen der Universität Göttingen konnten das unter anderem bei einer Untersuchung von Landschaften diesseits und jenseits der ehemaligen DDR-Grenze nachweisen. Während klimatische und sonstige Bedingungen bei allen Äckern des Studiengebiets ähnlich waren, unterschieden sich die Größen deutlich. In Thüringen, wo zu DDR-Zeiten zwangskollektiviert wurde, maßen die einzelnen Felder im Schnitt rund 20 Hektar. Auf der anderen Seite in Niedersachsen dagegen nur 3,5 Hektar. Auf beiden Seiten gab es sowohl konventionell als auch biologisch bewirtschaftete Flächen. Welchen Einfluss würden die unterschiedlich aufgeteilten Landschaften auf Biodiversität, Ertrag und Gewinne der Landwirte zeigen?
Das ist so groß wie die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche eines heutigen österreichischen Durchschnittsbetriebs.
Die Monokultur bezeichnet eine Praxis, bei der auf einem Stück Land über Jahre hinweg wiederholt dieselbe Kulturpflanzenart gesät und geerntet wird. Sie stellt den Gegensatz zur Fruchtfolge dar, bei der eine bestimmte Kulturpflanzenart nur alle paar Jahre auf demselben Acker angepflanzt wird.
Fruchtfolgen können eng oder weit sein. Bei einer engen Fruchtfolge kehrt dieselbe Art schneller auf den Acker zurück; zum Beispiel bei der dreigliedrigen Fruchtfolge „Raps –Winterweizen – Gerste“ in jedem dritten Jahr. Bei einer weiten, zum Beispiel der sechsgliedrigen Fruchtfolge „Rotklee – Winterweizen – Winterroggen – Ackerbohnen – Wintertriticale – Hafer“ in jedem sechsten Jahr. Weite Fruchtfolgen sind ein Kennzeichen der Biolandwirtschaft, aber nicht auf diese beschränkt.
Im konventionellen wie im biologischen Ackerbau ist der Anbau in Reinkultur Standard, das heißt zu jedem Zeitpunkt kultiviert der Landwirt lediglich eine Nutzpflanzenart auf seinem Feld.
Ein Beispiel für eine Art Reinkultur (und zugleich für eine Monokultur) ist der häufig gemähte Englische Zierrasen, der in Hausgärten als Dauerkultur gepflegt und von Naturschutzexperten gerne als ökologische Wüste bezeichnet wird.
Vor allem der letzte Punkt überraschte die Wissenschaftler. Schließlich zeigte sich, dass kleine Äcker, auf denen konventionell gespritzt und gedüngt wird, in Sachen Biodiversität sogar besser abschneiden als große Biofelder. Den enormen Effekt der Kleinräumigkeit führen die Forscher vor allem auf eine um 70 Prozent erhöhte Gesamtlänge von Feldrändern zurück. Ganz besonders wenn sie aus Hecken, Grasstreifen oder anderen Strukturen bestehen.
Für die Tier- und Pflanzenwelt einer Landschaft wäre die beste Variante freilich die kleinräumige Biolandwirtschaft, also die Kombination aus beiden Pluspunkten. Allerdings bedeuten ihre halbierten Erträge umgekehrt, dass man für dieselbe Produktionsmenge die doppelte Ackerfläche bräuchte. Vorausgesetzt in puncto Verzehrgewohnheiten und Lebensmittelverschwendung bleibt alles beim Alten, müsste für diese zusätzlichen Ackerflächen (irgendwo auf der Welt) Wald gerodet werden. Und das stellt weder in puncto Artenvielfalt noch in Sachen Klimaschutz eine erstrebenswerte Alternative dar.
Insgesamt gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Ansichten dazu, ob und wie weit die Biolandwirtschaft ausgedehnt werden sollte. Viele plädieren auch schlicht für den pragmatischen Ansatz: eine ideologiebefreite Kombination aus biologischen und bis dato gesellschaftlich verpönten Methoden, wie der Gentechnik.
Bei Betrachtung der folgenden Animationen wird klar, warum die großräumige Landwirtschaft höhere Gewinne abwirft. Wenn mehrere Landwirte auf vielen kleinen Feldern herumfahren, entstehen insgesamt deutlich mehr Wegzeiten von Hof zu Feld, von Feld zu Feld und auch innerhalb jedes Einzelfeldes. Zeit- und Kraftstoffbedarf erhöhen sich also für eine Fläche, je mehr sie unterteilt ist. Wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, führen größere Produktionseinheiten zu geringeren Kosten pro Produkteinheit. Im Falle des Kraftstoffbedarfs schont dieser Effekt auch das Klima.
Hinzu kommt: Wenn die gesamte Fläche von einem statt mehreren Bauern bewirtschaftet wird, kann dieser sich größere Maschinen kaufen, die den Aufwand pro Fläche weiter verringern.
Ein klimaschonender Effekt ergibt sich aber nicht nur aus einem verminderten Dieselbedarf. Viel mehr ins Gewicht fällt das Potenzial, Dünger zu sparen. Der ist nämlich Fluch und Segen zugleich. Wissenschaftler des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg (IIASA) beschäftigen sich unter anderem mit den Möglichkeiten der Verminderung von Treibhausgasen und haben relevante Zusammenhänge untersucht, zum Beispiel hier.
Patrick Noz, Betriebsleiter Weinland Agrar: „Je größer der Betrieb, desto größer das Einsparpotenzial.“
Kurzum: Düngersparen ist ein wichtiger Ansatzpunkt im Kampf gegen den Klimawandel. Ein Einsparpotenzial von bis zu 25 Prozent sehen Wissenschaftler dabei in der Anwendung moderner computer- und satellitengesteuerter Ausbringungstechniken. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Menge des Düngers dem Bedarf jeder Teilfläche Boden entsprechend und damit wesentlich exakter dosieren. Zudem wird der Düngerstreuer automatisch abgeriegelt, bevor beim Bahnenziehen auf unförmigen Feldern Überlappungen entstehen. Solche Werkzeuge der Präzisions-Landwirtschaft werden auch im jüngsten Sonderbericht „Klimawandel und Landsysteme“ des Weltklimarates IPCC mehrfach erwähnt.
Bei der händischen Traktorsteuerung und gleichmäßigen Ausbringung landet an manchen Stellen des Feldes zu viel Dünger und an anderen Stellen zu wenig; die jeweils optimale Dosierung wird fast nie erreicht.
Das heißt längst nicht, dass Einsparpotenziale überall ausgeschöpft werden, wo es sich leicht machen ließe. Klar ist aber, dass sich die teure Technik erst ab einer gewissen Größe auszahlt. Für diese Betriebe gilt durchaus: Was die Produktionskosten senkt, macht nicht nur das Essen billiger, sondern schont auch das Klima. Gleichzeitig lässt sich argumentieren: Zu billiges Essen verleitet zu Lebensmittelverschwendung und übermäßigem Fleischkonsum.
Übrigens: Große, leicht zu bearbeitende Felder (klimaschonend) mit gleichzeitig vielfältigen Strukturen (gut für die Artenvielfalt) erforschen Wissenschaftler in sogenannten Agroforst-Systemen oder im digitalisierten Streifenanbau.