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Im Kontext: Psychisch kranke Täter – Wegsperren oder therapieren?
12. Dezember 2018 Maßnahmenvollzug 47 min
Zweimal wurde Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Maßnahmenvollzugs verurteilt (2015 und 2017). Der EGMR stellte fest, dass das ursprüngliche Prinzip „Therapie statt Strafe“ faktisch in sein Gegenteil verkehrt werde. Doch eine Reform lässt weiter auf sich warten. Und das, obwohl der jetzige Justizminister Josef Moser in seiner früheren Funktion als Präsident des Rechnungshofs den Maßnahmenvollzug scharf kritisierte.
Dieser Artikel gehört zum Projekt Maßnahmenvollzug und ist Teil 4 einer 12-teiligen Recherche.

Als der Maßnahmenvollzug im Jahr 1975 eingeführt wurde, stand ein humanistischer Gedanke dahinter: Eine Haftstrafe bewirkt bei psychisch kranken Tätern wenig, sie brauchen Behandlung. Wie steht es heute um diesen Grundgedanken des Maßnahmenvollzugs?

Der Maßnahmenvollzug ist die schärfste Sanktion, die das Strafrecht kennt. Die Einweisung gilt präventiv – und unbegrenzt. Das bedeutet, dass Maßnahmenvollzug tatsächlich lebenslang heißen kann. Doch warum nimmt die Zahl der Häftlinge im Maßnahmenvollzug seit einigen Jahren so drastisch zu?

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In Österreich sitzen derzeit 918 Menschen im sogenannten Maßnahmenvollzug – vor zwanzig Jahren waren es weniger als die Hälfte. Dabei kostet ein Maßnahmeninsasse den Steuerzahler in etwa doppelt so viel wie ein Häftling im Normalvollzug. Allein im vergangenen Jahr wurden 155 unzurechnungsfähige Personen in den Maßnahmenvollzug eingewiesen – mehr als je zuvor und fast dreimal so viele wie im Jahr 2000.

Hinter dem drastischen Anstieg steht ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis, und damit eine schärfere Einweisungspraxis in den Maßnahmenvollzug, grob gesprochen: Gutachter neigen dazu, Menschen heute eher als geistig abnorm zu betrachten als noch vor einigen Jahren. Die Richter folgen den Empfehlungen der Gutachter in den allermeisten Fällen. Bei der Entscheidung über Entlassungen aus dem Maßnahmenvollzug zeigt sich dasselbe Muster. Die Folge: Maßnahmenhäftlinge bleiben immer länger im Vollzug.

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Zweimal wurde Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Maßnahmenvollzugs verurteilt (2015 und 2017). Der EGMR stellte fest, dass das ursprüngliche Prinzip „Therapie statt Strafe“ faktisch in sein Gegenteil verkehrt werde. Doch eine Reform lässt weiter auf sich warten. Und das, obwohl der jetzige Justizminister Josef Moser in seiner früheren Funktion als Präsident des Rechnungshofs den Maßnahmenvollzug scharf kritisierte.

Die „Im Kontext“-Reportage zeigt, wie genau der Maßnahmenvollzug in Österreichs Haftanstalten abläuft, wie er sich vom „normalen“ Vollzug unterscheidet und was einen Kriminellen zu einem geistig abnormen Rechtsbrecher macht. Die Reporter beschäftigen sich außerdem mit den Fragen, ob Resozialisierung in Gefängnissen gelingen kann, welche Alternativen es zum Maßnahmenvollzug gibt und wie im Ausland mit geistig abnormen Rechtsbrechern verfahren wird. 

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