werden weltweit des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bezichtigt.
Wer Menschen sexuell missbraucht, der hat in bestimmten Fällen kaum ernsthafte, nämlich straf- oder zivilrechtliche, Konsequenzen zu fürchten. Dies scheint zumindest dann zu gelten, wenn der Verdächtige Amtsträger der katholischen Kirche ist. So lässt sich – stark vereinfacht – die unterschiedliche Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen auf der ganzen Welt beschreiben.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der ganzen Welt Missbrauchsfälle im Einflussbereich der katholischen Kirche bekannt; auch in Österreich. Die einzelnen Landeskirchen konzentrierten sich im Rahmen der Aufarbeitung auf Anerkennung und Entschädigung der Opfer. Wie sich bei unserem Vergleich herausstellte, blieb die Verfolgung der (mutmaßlichen) Täter – obwohl innerkirchlich nicht selten Verfehlungen festgestellt wurden – auf der Strecke.
Bislang gewährte der Vatikan keinen Einblick in seine eigenen Statistiken über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Man arbeite aber an einer Erhebung über Bischöfe, die nicht angemessen gegen Missbrauchsfälle in ihren Diözesen vorgingen, verkündete Kardinal Luis Ladaria, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, im Rahmen des im Februar 2019 abgehaltenen Missbrauchsgipfels im Vatikan. Ladaria selbst soll sich unter Berufung auf seine Immunität der Zeugenaussage gegen einen Bischof entschlagen haben, der selbst der Vertuschung eines Missbrauchsfalls bezichtigt wird.
Sein Sekretär, Erzbischof Charles Scicluna, erklärte, dass man vorerst nicht in der Lage sei, eine detaillierte Statistik zum Missbrauchsthema zu veröffentlichen. „Aber es wird geschehen.“
Die Kongregation für Glaubenslehre ist die Zentralbehörde der katholischen Kirche und Hüterin der Glaubens- und Sittenlehre.
werden weltweit des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bezichtigt.
Die US-amerikanische Plattform „Bishop Accountability“ veröffentlichte unterdessen eine Liste von weltweit 101 Bischöfen, die des sexuellen Missbrauchs bezichtigt werden. 70 von ihnen sollen Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan haben.
Auch zu den Betroffenen sexueller Gewalt in der katholischen Kirche gibt es bislang keine eindeutigen Zahlen aus dem Vatikan. Das italienische Nachrichtenmagazin L’Espresso berichtet am 24. Februar 2019 von 2.200 neuen Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs, die seit Beginn des Pontifikats von Jorge Mario Bergoglio im Jahr 2013 im Vatikan eingegangen seien. Das sind rund zwei pro Tag. Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf Informationen aus dem Disziplinarbüro der Glaubenskongregation.
Die 2015 gestartete „Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen“ wurde vor allem von zwei Kommissionsmitgliedern, die selbst von Geistlichen missbraucht worden waren, immer wieder „wegen Untätigkeit“ und „fehlender Zusammenarbeit der kirchlichen Behörden“ kritisiert. Beide, die einzigen Betroffenen sexueller Gewalt in diesem Gremium, haben es mittlerweile verlassen. Der US-Amerikaner Peter Saunders wurde 2016 nach heftiger Kritik am (mittlerweile strafrechtlich verurteilten) australischen Kardinal George Pell „beurlaubt“. Die Irin Marie Collins legte ein Jahr darauf wegen der „Kultur der Gegenwehr“ innerhalb des Vatikans ihr Mandat zurück.
meldeten sich bei der unabhängigen Opferanwaltschaft als Opfer von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt durch Amtsträger der Kirche.
wurden von der Opferanwaltschaft als Schmerzensgeld ausbezahlt.
In Österreich bearbeitet die Opferschutzkommission Meldungen von Kirchenmissbrauch (nicht nur sexueller Natur) und ermöglicht den Opfern Ausgleichszahlungen und Therapiesitzungen. Insgesamt 2.022 Betroffene erhielten Ausgleichszahlungen im Wert von 27,714 Millionen Euro (Stand Anfang März 2019) sowie 60.000 Therapiestunden zur Verarbeitung ihrer Traumata. Je nach Missbrauchsfall werden 5.000, 15.000 oder 25.000 Euro ausbezahlt, nur in Extremfällen gibt es mehr Geld. Da sich im Durchschnitt so knapp 11.000 Euro ergeben, dürften wesentlich mehr Betroffene in die niedrigste Kategorie fallen. Damit wurde knapp 93 Prozent aller Anträge stattgegeben.
Im Vergleich zu anderen Ländern kommen Täter in Österreich meistens rechtlich ungeschoren davon. Eine statistische Erfassung von Priestern oder Ordensmitgliedern, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, gibt es bis dato nicht. Eine von der Diözese für Ende Februar 2019 avisierte „zentrale Beschuldigtenstatistik“ liegt immer noch nicht vor. Während die katholische Kirche ihre Kontrollinstanzen in Österreich (Opferschutzkommission, Ombudsstellen, Diözesankommissionen) selbst ins Leben gerufen hat, wurden in anderen Ländern unabhängige, staatliche Kommissionen eingesetzt, um Missbrauch aufzuarbeiten und möglicherweise auch Täter mit den rechtlichen Konsequenzen zu konfrontieren. Die Klasnic-Kommission dagegen wurde von der Kirche eingesetzt, allerdings mit unabhängigen Experten, um als Anlaufstelle für Betroffene vor allem Wiedergutmachung anzubieten. Mutmaßliche Täter werden an die zehn Diözesankommissionen gemeldet, nur Fälle ab dem Jahr 2000 werden direkt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Das waren bislang 16 Fälle, sieben davon wurden einem Priester zugeordnet.
Mehr Transparenz im Umgang mit Missbrauchsfällen fordert Helmut Schüller, Leiter der Ombudsstelle der Erzdiözese Wien für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche.
Waltraud Klasnic spricht heute davon, dass Beschuldigte nicht mehr im Verborgenen bleiben würden. Dennoch wird im Vergleich zu anderen Ländern kein einziger Täter in den bisher veröffentlichten Dokumenten namentlich genannt. Und wie die Kirche intern mit den Beschuldigten verfährt, ist bis heute weitgehend intransparent. Auch die Kirchenarchive bleiben im Gegensatz zu anderen Ländern weiterhin fest verschlossen.
An individuellen Skandalen ließ lediglich das Stift Kremsmünster sein Versagen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie durch das Münchner Institut IPP genauer untersuchen, und die Caritas hat die eigene Tätigkeit in früheren Kinderheimen vereinzelt analysiert. Zahlen zu Gewalt- und Sexualopfern oder Tätern wurden in diesem Rahmen allerdings keine veröffentlicht. In Tirol nimmt nun auf Drängen des Landes (und erstmals unter Mitarbeit von vom Land entsendeten Experten) eine Kommission die Aufarbeitung von Missbrauch im ehemaligen katholischen Mädchenheim Martinsbühel auf.
Bisher veröffentliche die Opferschutzkommissionen einen Zwischenbericht im Jahr 2012, sowie ein Buch im Jahr 2013 und eine von der Kommission beauftragte Studie der Universität Wien über die psychologischen Folgen für Betroffene aus dem Jahr 2012
von Missbrauch durch Mitglieder der katholischen Kirche meldeten sich bei der Royal Commission into Institutionals Responses to Child Abuse.
wurden im Zuge der australischen Aufarbeitung namentlich genannt.
wurden als Schadensersatzzahlungen von der katholischen Kirche in Australien ausbezahlt.
Anfang des Jahres 2019 wurde der australische Kardinal George Pell wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und festgenommen. Vor kurzem wurde das Strafausmaß mit sechs Jahren festgelegt. Pell hatte zuvor als Vorsitzender der australischen Bischofskonferenz maßgebliche Entscheidungen zur Aufarbeitung von Missbrauch getroffen. Er galt als enger Vertrauter des Papstes und wurde als Mitglied des vatikanischen Wirtschaftsrates in den Vatikan berufen.
Die offizielle Aufarbeitung in Australien übernahm die Royal Commission into Institutional Responses to Child Abuse, die 2017 einen Bericht zu Kindesmissbrauch veröffentlichte. Er beschäftigt sich in 18 Bänden mit Kindesmissbrauch auf allen Ebenen. Fünf Jahre lang hörte die Kommission Zeugen und Opfer und sichtete Personalakten und Dokumente aus geheimen Kirchenarchiven. 16.000 Meldungen gingen ein, darunter 4.444 von Opfern von katholischen Tätern. Ein eigener Band in drei Büchern befasst sich mit dem Missbrauch im religiösen Umfeld, alleine der katholischen Kirche sind 936 Seiten gewidmet. Die Kommission zeigt auf, wie Orden, Diözesen, Schulen und Heime sich der Vertuschung schuldig gemacht haben. Durchschnittlich ermittelte die Kommission 16 Opfer pro katholischem Heim, pro Schule gab es vier Meldungen. Insgesamt wurden anhand der Akten 1.880 Täter namentlich identifiziert, zusätzlich dürfte es weitere 530 noch anonyme Täter geben. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden 2.252 Tatbestände zur Strafverfolgung an Behörden weitergeleitet.
Schon 1996 richtete die australische Bischofskonferenz das Programm „Towards Healing“ ein, das der österreichischen Opferschutzanwaltschaft ähnelt. Opfer hatten so Ansprechpartner und erhielten für den Missbrauch Schadenszahlungen, insgesamt wurden bis zur Veröffentlichung des Berichts 250,7 Millionen australische Dollar (umgerechnet etwa 155,7 Millionen Euro) ausgezahlt, das entspricht rund 88.000 Dollar pro Betroffenen. Aktuell werden in Australien ebenfalls Vorwürfe des Missbrauchs an Nonnen laut, erste Schätzungen gehen von weitaus mehr betroffenen Frauen als im vorherigen Kindesmissbrauchsskandal aus.
2002 zeigten die Spotlight-Veröffentlichungen des Boston Globe mit Berichten von rund 130 Opfern erstmals, wie strukturiert die Netzwerke des Missbrauchs in den USA waren. Einige Diözesen und Bundesstaaten begannen seither Anlaufstellen für Opfer zu schaffen und öffneten ihre Archive (sowohl freiwillig als auch unfreiwillig) für Untersuchungskommissionen der Staatsanwaltschaften. In den USA ist eine umfassende Aufarbeitung so gut wie unmöglich, bisher gab es lediglich im Nordosten Versuche der Aufklärung. Erste freiwillige Schritte setzte die Bischofskonferenz der USA noch 2002 mit einer neuen Kinderschutzrichtlinie und der Beauftragung des John Jay Reports, um das Ausmaß von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche festzustellen.
wurden im Zuge der Aufarbeitung alleine im Bundesstaat Pennsylvania namentlich bekannt.
In einigen Bundesstaaten wurden auch die Behörden tätig, so untersuchte in Pennsylvania eine Grand Jury die Diözese Philadelphia. Ausgehend von zwei Missbrauchsopfern wurden immer weitere Querverweise auf Vertuschungen und Täter gefunden, schlussendlich wurde in dem Bericht von 63 Priestern und ihren Opfern erzählt. Da Philadelphia nur eine einzelne Stadt ist, folgten zwei weitere Berichte, die in allen Diözesen des Bundesstaates missbräuchliche Täter und Vertuschungspraktiken suchten. Insgesamt füllte die Staatsanwaltschaft 1.439 Seiten mit den Geschichten von rund 420 Tätern und ihren Opfern. Durch die detaillierten Nacherzählungen der Biografien werden aber nicht nur die Verbrechen einzelner Priester in Gemeinden oder Schulen aufgezeigt, sondern auch die Untätigkeit von Kirchenoberen.
Dieses Schweigen und Vertuschen bringt die katholische Kirche noch immer in Bedrängnis, erst 2018 legte Kardinal Donald Wuerl aus Washington, D.C. deshalb seinen Posten zurück. Ebenfalls im Winter wurde sein Vorgänger Kardinal Theodore McCarrick laisiert, also aus dem Kirchenamt entlassen, weil er jahrelang Seminaristen missbraucht hatte. Aufgrund der Skandale laufen in mittlerweile fast der Hälfte der 187 Diözesen in den USA Aufarbeitungsprozesse oder Vorbereitungen dazu. Viele der Diözesen veröffentlichen regelmäßig Listen mit den Namen von schuldig befundenen Priestern, und in acht Bundesstaaten wurden offizielle Ermittlungen des Staates eingeleitet.
In den Bundesstaaten Pennsylvania, New Hampshire, New York und Maine wurden einzelne Diözesen untersucht, die Staatsanwaltschaft von Illinois steht kurz vor der Veröffentlichung eines Berichts über die Diözese von Chicago.
In Irland musste bereits vor 25 Jahren der Direktor einer päpstlichen Universität in Folge eines Missbrauchsskandals zurücktreten. Doch erst ab dem Jahr 2000 wurde für den sogenannten Ryan Report untersucht, wie mit Kindern in staatlichen Institutionen wie Internaten, Heimen oder Jugendgefängnissen umgegangen worden war. Da viele solcher Einrichtungen von katholischen Orden betrieben wurden, zwang die Republik Irland die Kirche zur Aufklärung.
Den größten Anstoß zur Aufklärung erhielt die irische Kirche allerdings durch Dokumentationen wie „Suing the Pope“, die 2002 aufdeckte, dass sich neun Priester in Dublin des Kindesmissbrauchs schuldig gemacht hatten. Im selben Jahr gründete die Diözese eine Kinderschutzeinrichtung, die Schadenersatzzahlungen für Opfer bereitstellt. Ebenso musste die Diözese Dublin dem Justizministerium eine umfassende Untersuchung in allen Archiven erlauben.
Im Laufe der Zeit zogen andere Diözesen nach, 2009 gewährte der Ryan Report endlich einen Einblick in das systemische Versagen an Schulen und Kinderheimen. Durch die unterschiedlichen Berichte gibt es keinen landesweiten Überblick, alleine der Ryan Report berichtet von rund 250 Priestern und Ordensbrüdern, die Missbrauch begingen.
Sowohl bei den Aufarbeitungen der Diözesen als auch in Institutionen zeigte sich, dass auch die Polizei bei Vorwürfen nicht tätig wurde und kein Interesse an der Aufdeckung hatte. Doch die Kirche ging beim Vertuschen noch weiter: Ordensmitglieder, die nach Übergriffen um Entlassung ansuchten, wurde diese nicht gewährt. Infolgedessen verlor die Kirche in Irland massiv an Anhängern. Auch die Aufdeckungen über Zwangsarbeit, Gewalt und Kindsmord in Mutter-Kind-Heimen von katholischen Orden trugen dazu bei, dass die öffentliche Meinung sich gewendet hat, wie die Politik zeigt. Trotz massivem Lobbyismus der Kirche stimmte die Bevölkerung in den letzten Jahren sowohl für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe als auch der Abtreibung.
Junge Ordensmitglieder, die entdeckten, dass sie sich nicht ausreichend mit ihrer eigenen Sexualität auseinandergesetzt hatten, wurden so durch das Zölibat zu Pädokriminellen gemacht, anstatt ihre Schuld abzuleisten und anschließend zu versuchen, ein normales Leben zu führen.
2010 rief der Jesuitenpater Klaus Mertes als Leiter des Canisius Kollegs ehemalige Schüler in einem Offenem Brief auf, eventuelle Missbrauchserfahrungen zu melden. Grund waren Meldungen früherer Opfer, Mertes wollte die Aufklärung aktiv vorantreiben und ermutigte auch Betroffene anderer Einrichtungen, ihre Geschichten zu erzählen. In Folge wurden mehr Fälle bekannt und einzelne Priester verurteilt.
Die Deutsche Bischofskonferenz beauftragte 2013 die Universitäten Heidelberg, Gießen und das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Studie über den Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester. So konnten Gespräche und Recherchen in Kirchenarchiven sowie Strafakten für einen knapp 370 Seiten langen Bericht ausgewertet werden, ohne die Archive für staatliche Behörden zu öffnen.
konnten in aufgrund von Kirchenunterlagen glaubhaften Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs nachgewiesen werden.
wurden in Deutschland als Opfer von Kirchenmissbrauch anerkannt.
Insgesamt wurden die Akten von 38.156 Klerikern untersucht, bei 1.670 von ihnen wurden glaubhafte Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs gegen 3.677 Opfer gefunden. Im Vergleich zu anderen Aufarbeitungen ist der deutsche Bericht sehr wissenschaftlich aufgebaut: Unterschiedliche Teilprojekte analysieren die Daten von Diözesen, Interviews mit Betroffenen und beschuldigten Kirchenmitgliedern, Strafakten und Personalakten werden verglichen und die Präventionsmaßnahmen begutachtet. Statt persönlicher Schicksalserzählungen wurden aus den Interviews Statistiken, wie viele Opfer psychologische Folgeerscheinungen haben oder wie sich der Missbrauch auf Psyche und Leben auswirkte.
Doch nur wenige Missbrauchsmeldungen hatten Folgen: Lediglich gegen 34 Prozent der Beschuldigten wurde ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet, gegen 38 Prozent ein Strafverfahren. Da der Bericht als zivile Untersuchung keinerlei strafrechtliche Konsequenzen hat, haben sechs Juristen vom Institut für Weltanschauungsrecht auf dessen Basis selbst Strafanzeigen gegen die unbekannten Täter erstattet. Die Staatsanwaltschaften der einzelnen Bundesländer haben teilweise Ermittlungen aufgenommen, teilweise die Verfahren abgelehnt.
wurden von der chilenischen Staatsanwaltschaft des Kindesmissbrauchs für schuldig befunden.
In Chile waren in den 1980ern erste Missbrauchsvorwürfe gegenüber Kirchenvertretern laut geworden, nach der Jahrtausendwende kam es zu ersten Verurteilungen. Doch erst 2018 wurde der Missbrauch durch Priester nach einem Besuch von Papst Franziskus öffentlich diskutiert. Im Frühjahr boten die 34 Bischöfe des Landes geschlossen ihren Rücktritt an, bis Jänner akzeptierte Franziskus bei sieben ihre entsprechenden Gesuche. Im Herbst 2018 präsentierte die Staatsanwaltschaft einen Bericht, in dem Missbrauch durch Kirchenmitglieder seit 1960 untersucht wurde. Insgesamt 139 Kirchenvertreter wurden für schuldig befunden, sich an 266 Opfern vergangen zu haben, 178 davon waren zum Zeitpunkt des Übergriffs minderjährig.
In Argentinien hatte Papst Franziskus 2010 eine Studie beauftragt, die auf über 2.000 Seiten die Unschuld eines mittlerweile vom Höchstgericht verurteilten Priesters belegen sollte. Im Zuge dieses Falles wird auch dem Papst ein mangelndes Bewusstsein für Aufarbeitung vorgeworfen, mittlerweile erfassen die argentinischen Behörden gemeldete Priester auch in Datenbanken über Sexualstraftäter, und über 70 beschuldigte Priester sind namentlich bekannt. Franziskus bleibt allerdings wegen seiner Entscheidungen in der Kritik.
In weiteren südamerikanischen Ländern wie Brasilien und Peru gibt es ebenfalls einzelne Missbrauchsvorwürfe gegen Priester. Einer der größten Skandale geschah in Mexiko. Dort wurde publik, dass der Gründer des Ordens „Legionäre Christi“ Schüler und Seminaristen missbraucht hatte und ein ausschweifendes Parallelleben führte. Zudem war er der Vater mehrerer Kinder, die ebenfalls von ihm missbraucht worden sind. Umfassende Aufarbeitungsversuche gibt es aber in fast keinem südamerikanischen Land.
meldeten sich in Südafrika seit 2003 wegen Missbrauchs durch Würdenträger der Kirche.
In Afrika ist Missbrauch in vielen Ländern verbreitet und bekannt, wird aber nicht medial oder strafrechtlich aufgearbeitet. Lediglich aus Südafrika ist bekannt, dass sich seit 2003 35 Opfer an die Kirche wandten. Die Aufarbeitung von Missbrauch begann deshalb mit neuen Kinderschutzrichtlinien in Südafrika und Nigeria, die Kinderschutzkonferenz wurde allerdings von vielen als Weckruf gesehen, um Missbrauch im eigenen Land kritisch zu begutachten.
Auch in asiatischen Ländern kamen Missbrauchsvorwürfe auf, etwa auf den Philippinen oder in Indien. Die Aufarbeitung kommt aber nur langsam ins Rollen, nur wenige Fälle werden an die Behörden gemeldet – die Rolle der Kirche innerhalb vieler Gesellschaften scheint zu stark. Das zeigt ein Beispiel aus dem Bundesstaat Kerala in Indien: Dort schwängerte ein Priester eine 16-Jährige, gegenüber der Polizei gab das Mädchen aber nicht die Vergewaltigung durch den Geistlichen zu, sondern ihren Vater als Täter an. Erst DNA-Tests nach der Geburt des Kindes brachten Klarheit. Der Erzbischof von Mumbai und Mitorganisator der vatikanischen Kinderschutzkonferenz, Oswald Gracias, könnte nun eine Trendwende einleiten. Gläubige setzen in ihn die Hoffnung, dass er das Thema Kindesmissbrauch aufgreifen und auch die Proteste von indischen Nonnen in Folge ihres Missbrauchs berücksichtigen wird.
Der Abriss zeigt, dass es weltweit unterschiedliche Formen der Aufarbeitung gibt. In den USA, Irland oder Australien ist sie staatlich organisiert, der Staat übernimmt also die rechtliche Klärung und kann Täter – wenn möglich – einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen.
Neben den staatlichen Aufklärungsansätzen übernimmt, wie etwa in Österreich und in Deutschland, die Kirche selbst die Aufklärungsarbeit. Kritiker bemängeln hier die fehlende Transparenz, da sich die Kirche praktisch selbst untersucht. In der Regel reagiert die Kirche meistens erst auf öffentlichen Druck, sei es von Journalisten oder von unabhängigen Opferschutzorganisationen. Jüngstes Beispiel ist Polen, dort hat sich Anfang des Jahres eine private Initiative der Aufarbeitung angenommen – nachdem Staat und Kirche trotz diverser Skandale keinerlei Interesse an einer umfassenden Aufklärung gezeigt hatten. In einem Bericht veröffentlichte der Verein „Fürchte dich nicht“ eine Zusammenfassung von 384 Opfern und konnte die Verurteilungen von 85 Tätern in die Wege leiten. Nur einen knappen Monat später brachte die polnische Bischofskonferenz als Reaktion einen eigenen Bericht heraus, sie spricht von 382 mutmaßlichen Tätern und 625 Opfern seit 1990.
Dieses Beispiel zeigt, dass unabhängige Bewegungen die Aufarbeitung beschleunigen können. Dennoch fehlen in weiten Teilen Europas, vor allem in katholisch geprägten Ländern wie Spanien oder Italien, nach wie vor jegliche Ansätze einer Aufarbeitung von sexuellen Missbrauch innerhalb der Kirche. Experten wie der italienische Enthüllungsjournalist Emiliano Fittipaldi glauben freilich, dass es hier in den nächsten Jahren noch zu großen Skandalen kommen wird, vergleichbar mit den USA oder Australien.
Bis jetzt geht es der Kirche nur darum, die Taten zu vertuschen und die Täter zu schützen, nicht um Aufarbeitung und Entschädigung, sagt der italienische Aufdeckerjournalist Emiliano Fittipaldi.
Auch in Afrika oder in Asien gibt es derzeit keinerlei Bestrebungen einer Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche. Die Anfänge der Aufklärung in Südamerika könnten allerdings ein Zeichen für ein Umdenken innerhalb der Kirche sein, auch auf diesen Kontinenten aktiv zu werden. Das beweist auch die Mitte Februar abgehaltene Kinderschutzkonferenz im Vatikan. Ob den dort getätigten Absichtserklärungen konkrete Handlungen folgen, wird sich erst weisen.