Heutzutage lebt es sich lieber ungebunden als in einer langfristigen monogamen Gemeinschaft. Zumindest lassen sich viele Indizien dafür finden: weniger Hochzeiten, hohe Scheidungsraten und die langfristig rückläufige Zahl der Geburten etwa. Die Wohnverhältnisse im Land sind ebenfalls ein Abbild dieser sich verändernden Lebensmodelle. Seit der Volkszählung 1971 verzeichnet Österreich einen relativen Rückgang der Vater-Mutter-Kind-Haushalte. An ihre Stelle tritt überwiegend die selbstständige Lebensführung im Einpersonenhaushalt sowie Ein-Eltern-Haushalte und gemeinsam lebende unverheiratete Paare. Wir haben dargestellt, an welchen Orten die Veränderungen besonders drastisch waren und wo sich wenig verändert hat.
Die wenigen Gemeinden mit wenig Veränderung können dem allgemeinen Trend aber wenig entgegensetzen: Im ländlichen Raum stieg der Anteil der Alleinlebenden von 4,8 auf 12,4 Prozent, in den urbanen Gebieten von 10,1 Prozent auf rund 19 Prozent.
Neben der regionalen Perspektive zeigt sich der Bedeutungsgewinn des Einpersonenhaushalts auch als demografisches Phänomen. Zwar ist der Anstieg in allen Altersgruppen sowie nach Geschlecht vorhanden, jedoch zeigen sich für Männer und Frauen größere Unterschiede. Allen voran hat sich die Zahl der allein lebenden Männer wesentlich stärker erhöht als die der Frauen. Von der Volkszählung 1971 hat sie sich von 187.000 auf 626.000 mehr als verdreifacht. Aber sie bleiben in absoluten Zahlen noch hinter alleinlebenden Frauen zurück: Etwa 773.000 Österreicherinnen leben alleine – vorwiegend im höheren Alter.
Es gilt: Männer leben eher im jungen und mittleren Alter alleine, für Frauen erhöht sich die Zahl mit steigendem Alter. Während etwa die Hälfte aller allein lebenden Frauen heute über 65 Jahre alt ist, fällt der größte Teil der Männer in die Altersgruppe 30 bis 49. Letztere hat sich seit der Volkszählung 1971 fast vervierfacht. Eine Begründung findet sich bei Frauen in der höheren Lebenserwartung: Stirbt der Ehegatte oder Lebensgefährte und verlassen die Nachkommen das Haus, bleiben diese häufig allein zurück. Bei Männern handelt es sich dagegen eher um vorübergehende Lebensphasen nach einer Scheidung oder vor einer festen Beziehung.
Die Gründe für den Trend zum Einpersonenhaushalt sind insgesamt vielfältig: Gestiegene Individualisierung des Lebenslaufs und eine Abnahme der gesellschaftlichen Bedeutung der Familie werden zu einem großen Teil verantwortlich gemacht. Ein bedeutendes Fundament wurde dabei durch die Emanzipation gelegt: Erst seit 1975 dürfen Frauen in Österreich überhaupt ohne die Zustimmung ihres Mannes ihren Wohnsitz bestimmen oder arbeiten gehen. Durch die gestiegene Erwerbsbeteiligung wurden sie in weiterer Folge weniger von Partner oder Eltern finanziell abhängig, was die Begründung eines Einzelhaushalts erst ermöglichte. Der Ausbau des Sozialstaats verringerte Bedeutung und Abhängigkeit von Familie weiter. Darüber hinaus spielt die überregionale Orientierung und die gestiegene Mobilität eine Rolle. Für Ausbildung und Beruf verlassen heute mehr Menschen die Heimatgemeinde als früher. Ohne familiäre Anbindung in der neuen Heimat wird das Alleinleben wahrscheinlicher. Letztendlich ermöglicht auch der gestiegene materielle Wohlstand die einzelne Lebensführung. Obwohl dieser nicht ganz unproblematisch ist: Der vermehrte Wohnraumbedarf wird auch für die steigenden Mieten verantwortlich gemacht.
Ein Wertewandel in der Gesellschaft ist nicht nur durch die Anzahl der Einzelhaushalte gekennzeichnet. Zwei weitere Lebensformen treten seit 1971 verstärkt auf.
Die restliche Bevölkerung Österreichs sind entweder Ehegatten im gemeinsamen Heim, Söhne und Töchter oder sonstige Haushaltsmitglieder. Diese machen für Österreich 38,2, 27,3 und 4,8 Prozent der gesamten Einwohner in Privathaushalten aus. Seit den 70er Jahren sind die Anteile dieser drei Gruppen an der Gesamtbevölkerung in Österreich gesunken.
Laut Haushaltsprognose der Statistik Austria soll der Trend zu kleineren Haushalten übrigens anhalten. So sollen im Jahr 2050 in Österreich bereits 19,1 Prozent einen Einpersonenhaushalt führen. Gemessen an der Zahl der Haushalte – und nicht Personen – bestünden dann bereits über 40 Prozent nur aus einem Menschen.