Rund 24.000 Schüler wechseln jedes Jahr von einer Neuen Mittelschule (NMS) oder einer Hauptschule in eine höhere Schule (Oberstufengymnasium oder berufsbildende Schulen) mit Matura-Abschluss. Obwohl das Bildungsniveau von NMS und früheren Hauptschulen mittlerweile auf ähnlichem Niveau sein sollen wie AHS-Unterstufen, zeigen sich doch wesentliche Unterschiede. Das ergibt die Auswertung von exklusivem Zahlenmaterial der Statistik Austria, die eine relativ hohe Dropout-Quote nach der ersten Klasse aufweist.
So zeigt sich zusammenfassend, dass insgesamt einer von vier Schülern auf seinem Weg zur Matura schon in der ersten Klasse scheitert. Kommt er aus einer Neuen Mittelschule, ist das frühzeitige Ausscheiden sogar wahrscheinlicher als bei Hauptschulabgängern. Die Visualisierung zeigt den Bildungsweg von über 92.000 Schülern aus den vergangenen vier Jahren. Sie können zusätzlich Ihre Auswahl auf Schultypen (z.B. HAK oder HTL), Stadt oder Land, Schüler mit deutscher oder nichtdeutscher Muttersprache oder das Schuljahr erweitern.
Während von 100 Hauptschülern 76 in die zweite Klasse aufsteigen, sind es bei Abgängern der Neuen Mittelschule nur 70. „Dass mehr Schüler in eine weiterführende Schule aufsteigen war eines der politischen NMS-Reformziele. Da zuerst eher Brennpunkt-Hauptschulen in Ballungsräumen in NMS umgewandelt wurden, handelt es sich um einen klassischen Selektionseffekt, wenn diese Schüler dann weniger häufig weiterkommen“, sagt Bildungsforscher Stefan Vogtenhuber vom Institut für Höhere Studien (IHS). Das heißt, wer eigentlich aufgrund seiner Leistungen nicht dort sein sollte, muss die Schule dann gezwungenermaßen wieder verlassen. Diese These bestätigen Erzählungen einer Lehrerin, die ihren Namen wie viele andere Gesprächspartner lieber nicht öffentlich nennen möchte.
„Es gibt eine große Diskrepanz zwischen den leistungsmäßigen Anforderungen einer Neuen Mittelschule und von weiterführenden höheren Schulen. Es fällt mir schon negativ auf, dass die Fehlergrenzen in den Neuen Mittelschulen so hoch sind und kaum Nicht genügend gegeben werden. Umso größer ist der Frust beim Umstieg in eine höhere Schule“, sagte eine Lehrerin an einer Handelsakademie in einer Bezirkshauptstadt. Die unterschiedlichen Aufstiegsquoten zwischen Stadt und Land sowie nach Alltagssprache der Schüler zeigt diese Grafik im Detail:
Während also in Großstädten nur sechs von zehn Schülern in die nächste Klasse aufsteigen, sind es in ländlichen Gemeinden acht von zehn. Auch die Umgangssprache der Schüler ist ein großer Einflussfaktor: 58 von 100 Schülern, die im Alltag nicht Deutsch sprechen und davor eine Hauptschule besuchten, schaffen den Aufstieg in die zweite Klasse, aber 78 von 100 der deutschsprachigen Hauptschulkollegen.
Die höhere Ausfallsquote in Großstädten von NMS-Schülern und Hauptschülern hat mehrere Gründe:
Beim Vergleich der Schultypen sticht die HTL hervor. Bei diesem Schultyp ist die Aufstiegsquote von Schülern, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, in der Großstadt nach dem ersten Schuljahr am niedrigsten.
Weniger als jeder Zweite steigt auf. Das gilt für Abgänger aus der Hauptschule (51 Prozent nicht berechtigt) und Neuen Mittelschule (54 Prozent) in gleichem Maße. Auch auf dem Land und bei Schülern mit Deutsch als Muttersprache ist die HTL einer der Schultypen mit der höchsten Ausfallsquote im ersten Jahr. Eine Erklärung dafür wäre, dass viele der Polytechnischen Schule ausweichen möchten. Es ist oftmals also weniger ein Abbruch, vielmehr ein geplantes Abgehen. IHS-Forscher Stefan Vogtenhuber: „Wenn man es auf eine höhere Schule geschafft hat, steht einem eher die gewünschte Lehrstelle offen als nach einer Polytechnischen Schule. Deren Ruf ist bei Lehrbetrieben oft nicht gut.“
Das bestätigt auch Bildungsforscher Michael Bruneforth: „Viele wollen die Polytechnische Schule vermeiden und melden sich für ihr letztes Pflichtschuljahr daher an einer Höheren Schule an. So überbrücken sie dann die Zeit bis zum Abschluss der 9-jährigen Pflichtschule. Manche bleiben dann, aber für viele ist der Schritt von der neunten auf die zehnte Schulstufe noch einmal ein Moment der Entscheidungsfindung.“ Zudem würden an der HTL im ersten Jahr leistungsschwächere Schüler und jene, die wenig technikaffin sind, stärker aussortiert.
Dieses Aussortieren trifft Abgänger der Neuen Mittelschule härter, weil von ihnen auch die Übertrittsquote insgesamt höher ist im Vergleich zur Hauptschule. Das gilt für Stadt und Land unabhängig von der zu Hause gesprochenen Sprache. In diesen Grafiken haben wir die unterschiedlichen Bildungswege der Schüler nach der Neuen Mittelschule und Hauptschule aufgeschlüsselt, über vier Schuljahre ab 2013/14.
Dass danach aber weniger in die zweite Klasse aufsteigen, relativiert diese Erfolgsbilanz dann aber in jedem dieser Fälle. Und: Wie viele bei der Zentralmatura dann selbst scheitern, ist mit aktuellem Zahlenmaterial noch nicht zu beurteilen.