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Verbotenes Spielzeug für Kampfpiloten
20. August 2019 News Lesezeit 4 min
Die Firma AMST, führend in Forschung und Fertigung von Flugsimulatoren und Höhensimulationskammern, hat Trainingsgeräte für Kampfpiloten an Myanmar geliefert. Das Land war damals mit einem internationalen Embargo belegt. Auch das österreichische Wirtschaftsministerium wurde getäuscht.
Bild: Addendum

Der 1. Oktober 2013 war ein besonders erfolgreicher Tag für die AMST Systemtechnik mit Sitz in Braunau am Inn. Endlich hielt der hochspezialisierte Hersteller von Trainingsgeräten und Flugsimulatoren für die Luftfahrtindustrie einen lange ersehnten Bescheid in Händen, der ein lukratives Geschäft mit Myanmar erlaubte. Gesamtvolumen: 9,95 Millionen Euro. Dafür sollten der zivilen Luftfahrtbehörde des südostasiatischen Landes drei maßgeschneiderte Trainingsgeräte geliefert werden:

  • eine Höhensimulationskammer für acht Personen, die eine maximal simulierte Höhe von 35.000 Fuß (10,7 km) erlaubt;
  • einen Desorientierungs­demonstrator, eine Art Trainingscockpit für einen in der zivilen Luftfahrt eingesetzten Helikopter;
  • und eine kardiophysiologische Test- und Übungseinrichtung, die dem Erlernen von koordinierten Blutdrucksteigerungsübungen dient.
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Die Militärs erfreuen sich an einer Höhensimulationskammer.

Was das Wirtschaftsministerium bei seiner Prüfung unter der Geschäftszahl AT-7 02701/13 nicht ahnen konnte: Die Firma AMST Systemtechnik hatte sich diesen Bescheid auf Basis falscher Angaben erschlichen, dem Ministerium wurden wesentliche Unterlagen und Informationen vorenthalten. Das Geschäft hätte in dieser Form gar nie durchgeführt werden dürfen. Denn der Endabnehmer war zwar offiziell die zivile Luftfahrtbehörde, tatsächlicher Vertragspartner der AMST war allerdings die Myanmar Air Force (MAF). Diese erhielt von AMST sensibles Gerät, das teilweise ausschließlich für das Training von Kampfpiloten eingesetzt wird, weshalb bei diesem Geschäft gegen das internationale Militärgüterembargo verstoßen wurde. Myanmar stand damals wegen anhaltender Konflikte auf einer Art schwarzen Liste.

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Tarnen und täuschen

Erste Hinweise auf den verbotenen Deal erreichten unsere Redaktion bereits wenige Wochen nach der Veröffentlichung eines Waffen-Projekts. Mittlerweile lässt sich detailliert rekonstruieren, wie die Lieferung aus Oberösterreich getarnt und das Ministerium in Wien getäuscht werden konnte.

Basis für den Bescheid des Wirtschaftsministeriums vom 1. Oktober 2013 war eine Endverbleibserklärung („End-Use Certificate for Dual Use Items“), die den Behörden am 24. September 2012 übermittelt worden war. Darauf findet sich nicht nur eine Beschreibung der Geräte samt Kaufpreis, es wird auch mit Brief und Siegel vermerkt, dass der sogenannte End-User die zivile Behörde sei – und sogar ein eigenes aeromedizinisches Institut betreibe. Gezeichnet ist das Dokument von Vertretern der Beschaffungsdirektion und der zivilen Luftfahrtbehörde von Myanmar.

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Mit Brief und Siegel: die angeblich zivile Endnutzung

Untermauert wird das vorgeblich harmlose Geschäft mit einer technischen Beschreibung, die allerdings mit der Realität wenig zu tun hat. An dieser Stelle lohnt ein Blick auf die tatsächlich gelieferten Güter: Addendum-Recherchen ergaben, dass es sich bei dem vorgeblichen kardiophysiologischen Test- und Übungseinrichtung um eine AGSM-Trainingseinrichtung handelte. AGSM steht für „Anti G Straining Manoeuvers“. Ein Trainingsgerät für Airrace- und Kampfpiloten, weil nur sie einer hohen G-Belastung (zwischen 4 und 9) ausgesetzt sind und Pressatmung trainieren müssen, um – vereinfacht ausgedrückt – das Blut wieder vom Kopf Richtung Herz zu bringen. Interessant ist zudem: Die nach Myanmar gelieferte Höhensimulationskammer sollte laut offizieller technischer Beschreibung, die dem Ministerium vorgelegt wurde, lediglich 35.000 Fuß simulieren können; tatsächlich sind bis zu 100.000 Fuß (rund 30 Kilometer) möglich. Ein solches Training ist nur für Kampfpiloten interessant.

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Verhandlungen mit der Luftwaffe

Dokumente, die Addendum vorliegen, belegen, dass das Unternehmen AMST bei diesem Geschäft von Anbeginn an mit der Myanmar Air Force am Verhandlungstisch saß. Nach einem Termin am 26. und 27. Juli 2012 war in Nay Pi Taw von beiden Seiten ein Verhandlungsprotokoll unterschrieben worden. Darin heißt es, dass generische Cockpits, unter anderem für den russischen Kampfjet MiG-29 und den Kampfhubschrauber Mi-24 geliefert werden sollten. In der technischen Beschreibung und im End-User-Zertifikat für das österreichische Ministerium fand sich davon dann keine Spur mehr.

Am 24. Juni 2013 kam es in der Hauptstadt Nay Pi Taw erneut zu einem Abstimmungsmeeting zwischen der damaligen AMST-Geschäftsführung und Vertretern von Myanmar. Vertreter einer zivilen Luftfahrtbehörde nahmen, dem Protokoll zufolge, nicht teil. Dafür saßen sechs hochrangige Offiziere von Myanmar Airforce zur Abstimmung der weiteren Verantwortlichkeiten am Verhandlungstisch.

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Auszug eines Protokolls: Der damalige AMST-Chef verhandelt mit hochrangigen Militärs.

Bis 2014 sollten die komplexen System in Myanmar in Betrieb genommen werden. Vorliegende Fotos offenbaren zudem, dass die Myanmar Air Force sogar ein von ihr gewähltes Logo auf die von AMST gelieferten Geräte geklebt haben wollte.

Sie wünschen, wir kleben: das von Myanmar Airforce gewünschte Logo auf dem AMST-Gerät

Der fristlos entlassene Ex-Chef

Die AMST-Systemtechnik ließ nach einer ersten Anfrage zu dem verbotenen Geschäft im Juli über ihren Anwalt ausrichten, man habe auf Basis einer vorliegenden rechtskräftigen Ausfuhrgenehmigung des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2012 ausschließlich Güter geliefert, die der zivilen Nutzung dienen. Und zwar an den zivilen Endverwender, „Directorate of Civil Aviation, Republic of the Union of Myanmar“. Bei einem persönlichen Treffen Ende Juli auf dem Firmengelände der AMST in Ranshofen betonte die aktuelle Geschäftsführung, der doch einige Jahre zurückliegende Geschäftsfall könne nicht mehr in all seinen Details rekonstruiert werden, das damals gelieferte Material sei jedoch nicht wirklich für eine missbräuchliche militärische Verwendung geeignet. Dann überschlugen sich die Ereignisse: Am 7. August teilte der AMST-Geschäftsführer Addendum mit, dass die nach Myanmar gelieferte Höhensimulationskammer tatsächlich nicht auf 35.000 Fuß limitiert sei, sondern auf 100.000 Fuß. Somit hätte für die Kammer eine Genehmigungspflicht bestanden. Das sei aber letztlich unerheblich, da die Kammer keine weiteren technischen Voraussetzungen für eine Simulation dieser Höhe erfüllt habe. Dies habe man auch dem Wirtschaftsministerium mitgeteilt.

Wenige Tage später wurde Richard S., Gründer und jahrzehntelanger CEO der AMST, als Konsulent fristlos entlassen und vom Firmengelände eskortiert.

Übrigens: Das Unternehmen AMST Systemtechnik hat die Öffentlichkeit höchstselbst auf den dubiosen Deal aufmerksam gemacht. Auf der Website findet sich unter Referenzen ein Bild von einem AGSM-Trainer für Airrace- oder Kampfpiloten. Die Bildunterschrift lautet: „Myanmar 2014“. 

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