Es war im Juli 2010, die heftigen Erschütterungen der Finanzkrise einige Jahre zuvor waren zu diesem Zeitpunkt bei weitem noch nicht verhallt, als Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, ankündigte, die Bank wieder zu ihren Wurzeln zurückführen zu wollen. Gemeint war: dem Bankensystem eine Gemeinwohlfundierung zu geben. Die Debatten über die Ursachen einer der schwersten Finanzkrisen der Geschichte hatten gerade erst eingesetzt, als der für seine Globalisierungskritik bekannte Wirtschaftspublizist Felber einen Beitrag mit dem Titel „Die Gemeinwohl-Ökonomie – Das Wirtschaftsmodell der Zukunft“ veröffentlichte. Es sollte der an Breite gewinnenden Bewegung im deutschsprachigen Raum die theoretische Unterfütterung für den als dringend empfundenen ökonomischen Neustart geben.
Das Konzept der „Gemeinwohl-Ökonomie“ war kein partielles, auf einen Sektor beschränktes, sondern ein allumfassendes. Daher war ein wichtiges Puzzlestück in dieser Neuaufstellung der Wirtschaft der Aufbau einer Bank, die sich ebenfalls an den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie ausrichten sollte. Diese Bank für Gemeinwohl sollte nicht die Gewinne maximieren, sondern soziale Projekte fördern, also dem Gemeinwohl, nicht aber vorrangig den Finanzinteressen der Anleger dienen. Allen voran engagierte Bürger, aber auch einige Fachleute setzen die ersten Schritte auf dem langen Weg von der Idee bis zur Verwirklichung. Der anhaltende Zustrom von Interessenten nährte die Beteiligten in ihrem Optimismus, mit der geplanten Gründung einer Bank Großes zu bewirken.
Ursprünglich firmierte dieses Projekt unter dem Namen „Demokratische Bank“. 2013 erfolgte die Umbenennung auf „Bank für Gemeinwohl“ (BfG). Mit der Gründung der verbandsfreien „BfG Eigentümer/-innen- und Verwaltungsgenossenschaft eG“ am 30. April 2014 wurde ein weiterer Meilenstein erreicht. Umgangssprachlich wird sie meist als „Genossenschaft für Gemeinwohl“ bezeichnet.
Am 1. Oktober 2016 fällt in der Generalversammlung der Genossenschaft jener Beschluss, der am Ende jeden Genossenschafter drei Viertel seiner Einlage kosten wird. Es soll, so der Beschluss, der Weg zu einer Vollbank – in Etappen – beschritten werden. Als erster Schritt soll nunmehr um eine Konzession für ein Zahlungsinstitut angesucht werden. Im Unterschied zu einer Bank darf ein Zahlungsinstitut weder Einlagen entgegennehmen noch Kredite vergeben.
Bereits ein Jahr zuvor, im Oktober 2015, wurden vier Personen zu Aufsichtsräten der Genossenschaft bestellt, die für die zuständige Behörde als „fit & proper“ gelten. Wer in einer Bank in den Vorstand oder den Aufsichtsrat berufen werden soll oder eine andere Schlüsselfunktion einnehmen will, der muss in Österreich von der zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) grünes Licht erhalten. Die FMA überprüft sowohl ob der Kandidat für die vorgesehenen Aufgaben in der Bank fachlich geeignet ist („fitness“), als auch ob die vorgeschlagene Person „zuverlässig, aufrichtig und unvoreingenommen“ ist („propriety“).
Die wesentlichen Bestimmungen für das Verfahren zur Erlangung einer Bankenkonzession sind in zwei Gesetzen festgelegt: im „Bundesgesetz über das Bankwesen“ und im „Bundesgesetz über die Erbringung von Zahlungsdiensten“. Als Anfang Oktober 2016 der Beschluss getroffen wurde, um eine Konzession als Zahlungsinstitut anzusuchen, muss den am Projekt Beteiligten – Genossenschafter, Aufsichtsrat, Vorstand – bekannt gewesen sein, worauf sie sich einlassen. Die gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben sind umfangreich. Damit will der Gesetzgeber die Stabilität des Bankensystems als Ganzes sicherstellen und verhindern, dass die Einleger und Sparer einer Bank nicht unkalkulierbaren Risken ausgesetzt werden. Vor der Erteilung einer Konzession muss der Konzessionswerber beispielsweise genau darlegen, wie er die Abwicklung seiner Geschäfte plant, wie die Meldepflichten erfüllt und wie die Vorgaben zur Bekämpfung der Geldwäsche eingehalten werden.
Am 13. September 2017 ist es dann so weit. Der Antrag für eine Konzession als Zahlungsinstitut wird an die FMA übermittelt. Die erste Etappe auf dem Weg zu einer Vollbank wird formal in die Wege geleitet. Die FMA hat nun drei Monate Zeit, über das Ansuchen zu entscheiden.
Ein Zahlungsinstitut darf lediglich die Überweisung von Geld und zudem höchstens einen zeitlich befristeten, kleinen und mit einer Überweisung direkt in Verbindung stehenden Überziehungskredit anbieten. Die klassische Kreditvergabe ist einem Zahlungsinstitut dagegen versagt, so wie die Entgegennahme von (Spar-)Einlagen.
2014 wurde die Genossenschaft von 15 Mitgliedern gegründet. Im darauffolgenden Jahr stieg die Anzahl der Mitglieder deutlich auf über 2.500 an, das Genossenschaftskapital betrug 1,9 Millionen Euro. Auch der eingezahlte Betrag pro Genossenschaftsmitglied 2015 legte im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent auf knapp 750 Euro pro Genossenschaftsmitglied zu. 2016, als man mit dem Kapitalmarktprospekt an die Öffentlichkeit ging und das Projekt deutlich Gestalt annahm, konnte die Mitgliederzahl neuerlich auf über 4.500 gesteigert werden. Das eingezahlte Kapital durchbrach die Marke von drei Millionen Euro.
Im Jahr 2017, also in jenem Jahr, in dem das Konzessionsansuchen gestellt wurde, flachte der Zuwachs an Genossenschaftskapital allerdings bereits merklich von 76 auf 26 Prozent ab. In absoluten Zahlen legte das Genossenschaftskapital nicht einmal mehr um eine Million Euro auf 4,2 Millionen Euro zu. Eingezahlt wurde die Summe von insgesamt 5.948 Personen, die per Jahresende 2017 Mitglied der Genossenschaft waren. Diese Zahlen vermitteln den Eindruck, dass 2017 ein Plafond erreicht worden ist, denn trotz des Meilensteins der Abgabe des Konzessionsansuchens nahm das Interesse an der „Bank für Gemeinwohl“ weniger stark zu als in den Jahren zuvor.
Das für das geplante Zahlungsinstitut nötige Eigenkapital von 125.000 Euro wurde laut Auskunft von Fritz Fessler, seit 2016 Vorstand der „Genossenschaft für Gemeinwohl“, davor 2014 Mitgründer und Aufsichtsrat, zu jedem Zeitpunkt deutlich übertroffen. Es soll per 31. Dezember 2017 bei 1,7 Millionen Euro und per 31. Dezember 2018 bei 1,2 Millionen Euro gelegen sein. Am Geld sollte das Konzessionsansuchen für das Zahlungsinstitut daher nicht scheitern.
Am 19. Dezember 2017 übermittelt die FMA den Konzessionswerbern einen Verbesserungsauftrag mit mehr als 227 Punkten. Dabei wird besonders oft die Nachlieferung unvollständiger oder sogar fehlender Unterlagen gefordert. Am 12. Februar 2018 wurden die Verbesserungen nachgereicht, doch diese waren ebenfalls weit davon entfernt, die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Am 8. Juni 2018 hat die FMA das Konzessionsansuchen „wegen Unvollständigkeit“ endgültig negativ beschieden. Der Bescheid, der die unzähligen Mängel auflistet, umfasst 56 Seiten.
Wie laienhaft von allen Beteiligten vorgegangenen wurde, zeigen einige Kritikpunkte, die die FMA in den Verbesserungsauftrag vom 19. Dezember 2017 aufgenommen hat. Von allgemeiner Natur sind Kritikpunkte wie dass der Wortlaut der Unternehmensbezeichnung im Dokument nicht einheitlich ist, dass die Bezeichnung der beigelegten Dokumente von der Bezeichnung im Antrag abweicht und dass die eingereichten Erklärungen nicht als „vollständig, aktuell und wahrheitsgemäß abgegeben“ bestätigt wurden. Zudem erging die Bitte, „aus Gründen der besseren Lesbarkeit“ in Hinkunft auf das Gendern zu verzichten.
Im Ablehnungsbescheid begründet die FMA die weiterhin bestehende Unvollständigkeit der Unterlagen unter anderem damit, dass die geforderte umfassende Risikoanalyse ebenso fehlt wie Detailangaben zum Vorgehen bei Kontoüberziehungen und zur Einschätzung der Kundenbonität. Den wiederholten Hinweis der Antragsteller, wonach fehlende Unterlagen spätestens bei der Aufnahme der Geschäftstätigkeit vorgelegt werden würden, lehnte die FMA jeweils unter Verweis auf das Gesetz und ein einschlägiges Gerichtsurteil ab. So waren bestimmte Leitungs- und Kontrollfunktionen, darunter der Finanzvorstand, zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. zum Zeitpunkt der Abgabe des Verbesserungsauftrags noch nicht, wie von der FMA gefordert, besetzt.
Bei den Ausgaben stechen zwei Posten besonders stark ins Auge. Das sind zum einen die Ausgaben für die Gehälter, inklusive aller gesetzlich vorgeschriebenen Aufwendungen. In den vier Jahren von 2015 bis 2018 wurden knapp zwei Millionen Euro an Gehältern ausbezahlt.
Zum anderen fallen die sonstigen Aufwendungen ins Gewicht, darunter externe Beratungskosten, die Kosten für den Kapitalmarktprospekt (der die Voraussetzung für das Einsammeln von Genossenschaftskapital darstellt), den Jahresabschluss und die Steuerberatung, Reisespesen, Server und Software, Mieten und Werbematerialien. Diese Aufwendungen verursachten über mehrere Jahre hinweg jeweils Kosten in fünfstelliger Höhe.
2017 wurden 14,5 Vollzeitäquivalente, darunter zwei Vorstände, beschäftigt, 2018 und 2019 (1. Halbjahr) waren es 7,4 bzw. 7,5 Vollzeitäquivalente.
Wohin floss dann die Energie, wenn sie nicht für das höchst komplexe Konzessionierungsverfahren aufgewendet wurde? Viel Aufwand wurde beispielsweise in die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz gesteckt. In diese Bilanz fließen soziale und ethische Kriterien ein, denn, so der Ansatz der Gemeinwohl-Ökonomie, der Mehrwert einer Investition soll nicht nur am finanziellen Erfolg, sondern auch am – qualitativen – Beitrag zum Gemeinwohl gemessen werden. In dieser Betrachtung mehrt ein finanzieller Profit, der nur durch Ausbeutung der Arbeitnehmer oder durch die Verschmutzung der Umwelt erzielt wird, nicht das Gemeinwohl und bilanziert daher negativ. Ein exklusiver Fokus auf die finanzielle Dimension des Projekts würde eine Umsetzung empfehlen, der Gemeinwohl-Blick dagegen von einer Umsetzung Abstand nehmen. Wenn man sich allerdings die eklatanten Mängel des Konzessionsantrags vor Augen hält, drängt sich der Eindruck auf, dass der Ressourceneinsatz mehr nach weltanschaulichen Vorlieben denn nach behördlicher und gesetzlicher Notwendigkeit vorgenommen wurde.
Viel Wert haben die Betreiber des Projekts „Bank für Gemeinwohl“ zudem darauf gelegt, dass die Gehaltsspreizung zwischen den niedrigsten und den höchsten Gehältern den in den Statuten vorgegeben Maximalwert von 1:5 nicht überschreitet. De facto hat die Spreizung zwischen den Gehältern in der niedrigsten Verwendungsgruppe und den Gehältern des Vorstands nur 1:3 betragen. Der Vorstand, für den ein Bruttogehalt von 4.500 Euro angesetzt wurde, hat somit dreimal so viel verdient wie ein Mitarbeiter der niedrigsten Verwendungsgruppe. Damit liegen die internen Gehaltsunterschiede deutlich unter dem Branchenschnitt und spiegeln damit den gesellschaftspolitischen und ethischen Ansatz der Projektbetreiber wider.
Angesichts des Scheiterns des Konzessionsantrags stellt sich allerdings die Frage, ob ein derartiges Projekt mit einer Vielzahl von ehrenamtlichen Mitarbeitern, denen es sicher nicht an Engagement, häufig jedoch an Fachwissen mangelt, überhaupt umgesetzt werden kann. Begeisterung und ehrenamtliches Engagement können einschlägiges Fachwissen meist nicht ersetzen, zumal in einer derart komplexen Materie wie dem Aufbau einer Bank. Und die vielfachen Wechsel im Vorstand und im Aufsichtsrat in diesen vier Jahren waren den ambitiösen Zielen mit Sicherheit ebenfalls nicht zuträglich.
Das erklärte Ziel der „Genossenschaft für Gemeinwohl“ war es, eher früher als später um eine Bankkonzession anzusuchen und damit in direkte Konkurrenz zu den größeren und kleineren Banken zu treten. Weil die Risken beim Betrieb einer Bank deutlich höher sind als bei einem Zahlungsinstitut, sind auch die Kapitalanforderungen für eine Bank wesentlich höher als für ein Zahlungsinstitut. Das Bankwesengesetz schreibt ein Anfangskapital von mindestens fünf Millionen Euro vor. Weil diese fünf Millionen Euro zu keinem Zeitpunkt unterschritten werden dürfen, muss der anfängliche Kapitalbedarf sämtliche Kosten für die Betriebsaufnahme zusätzlich abdecken. Wie hoch dieser Betrag ist, hängt von den unternehmerischen Entscheidungen der Projektbetreiber ab. Die „Genossenschaft für Gemeinwohl“ hat bei einer Pressekonferenz im Herbst 2015 die Summe von sechs Millionen Euro genannt, ab der um eine Bankkonzession angesucht werden soll. Der Pressesprecher der FMA, Klaus Grubelnik, wurde im Zuge einer Stellungnahme zum gescheiterten Konzessionsantrag im Juni 2018 mit einem Mindestkapitalbedarf in der Größenordnung von „6 bis 15 Millionen Euro“ zitiert. Angesichts der zum damaligen Zeitpunkt bereits angefallenen Ausgaben der „Bank für Gemeinwohl“ sind die kolportierten sechs Millionen Euro jedenfalls zu niedrig angesetzt, acht Millionen Euro als absolutes Minimum deutlich realistischer. Mit anderen Worten: Bis zur Geschäftsaufnahme ist mindestens mit einem finanziellen Aufwand von drei Millionen Euro zu rechnen, ohne auch nur die Möglichkeit gehabt zu haben, einen Cent zu verdienen.
Nimmt man das durchschnittliche Kapitalwachstum der beiden Jahre 2016 und 2017 zur Grundlage und schreibt diese Entwicklung fort, dann wären die Schwelle von acht Millionen Euro erst 2019, also zwei Jahre nach Einreichung des Antrags, erreicht worden. Setzt man den Mindestbetrag bei realistischeren 15 Millionen Euro an, wären diese frühestens 2021 eingesammelt gewesen. Zieht man hingegen die niedrigere Zuwachsrate des Jahres 2017 für die Fortschreibung heran, verlängert sich der Zeitraum für die Einsammlung des für die Geschäftsaufnahme nötigen Kapitals noch einmal bis ins Jahr 2020 bzw. 2023. Gewährt werden kann die Konzession allerdings erst, wenn das vorgeschriebene Kapital vorhanden ist.
Dass ein längerer Zeitraum für die Einsammlung des Kapitals näher an der Realität liegt, zeigen auch die von der Genossenschaft veröffentlichten Zahlen. Im ersten Halbjahr 2017, also in den Monaten um die Fertigstellung und Abgabe des Konzessionsantrags, betrug der monatliche Kapitalzufluss lediglich 89.000 Euro. Die monatlichen Ausgaben beliefen sich dagegen auf 77.000 Euro. Das heißt, Monat für Monat nahm der Kapitalpolster lediglich um 12.000 Euro zu. 87 Prozent des frisch zugeflossenen Kapitals mussten für laufende Ausgaben aufgewendet werden. Der Aufbau einer soliden Kapitaldecke für den Erhalt einer Bankkonzession war auf diesem Wege in einem vertretbaren Zeitrahmen auf keinen Fall möglich, das Potenzial an investitionswilligen Anlegern scheint bereits zu diesem frühen Zeitpunkt so gut wie ausgeschöpft gewesen zu sein.
Den Preis, den die Projektbetreiber und Unterstützer für diese Selbstüberschätzung gezahlt haben, ist ein zweifacher. So ist von der ursprünglichen Vision einer Vollbank nicht viel übrig geblieben, denn auch die geplante Kooperation mit der deutschen „GLS Bank – Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“ ist nach dem überraschenden Rückzug der deutschen Genossenschaftsbank im April 2018 gescheitert. Knapp ein Jahr zuvor wurde noch verkündet, dass die GLS mit bis zu einer Million Euro bei dem in Gründung befindlichen Zahlungsinstitut einsteigen würde.
Die aktuellen Aktivitäten der „Genossenschaft für Gemeinwohl“ konzentrieren sich nunmehr auf drei Gebiete: In Kooperation mit dem Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen wird seit kurzem das nach Eigendarstellung „erste Gemeinwohlkonto Österreichs“ angeboten. Erhofft werden in den ersten fünf Jahren zumindest 25.000 Kontoeröffnungen. Wie viele Personen ein derartiges Gemeinwohlkonto tatsächlich bereits eröffnet haben, ist noch nicht bekannt. Laut Auskunft des Vorstandsvorsitzenden Fessler werden erste Zahlen im Jahresabschluss 2019 veröffentlicht werden. Zudem wurde eine Crowdfunding-Plattform eingerichtet, die bis Ende 2018 sieben Projekte mit einem Gesamtvolumen von 425.599 Euro finanziert hat. Des weiteren wurden die Aktivitäten der „Akademie für Gemeinwohl“ ausgebaut.
Finanziell war das Projekt letztlich ein Desaster. Die Genossenschafter haben knapp drei Viertel des eingezahlten Kapitals verloren.
Bis zum 30. November 2018 haben mehr als 10 Prozent der Mitglieder ihre Anteile an der Genossenschaft gekündigt. Ob der geplante Neustart gelingt oder der erlittene Imageschaden doch zu hoch ist, werden die kommenden Monate und Jahre zeigen.
Angesichts der erheblichen Mängel, die die FMA in ihrem Verbesserungsauftrag vom 19. Dezember 2017 und im Ablehnungsbescheid vom 8. Juni 2018 festgestellt hat, war das Unternehmen „Gründung eines Zahlungsinstituts“ für alle Beteiligten von Anfang an wohl deutlich zu groß. Besonders was das ursprüngliche Ziel der Gründung einer Bank betrifft. Der Test in der Wirklichkeit hat gezeigt, dass die von der Genossenschaft vielfach bemühte „Weisheit der vielen“ sich als „Fehlentscheidung der vielen“ entpuppt hat.
Es drängt sich des weiteren der Eindruck auf, dass die Initiatoren der „Bank für Gemeinwohl“ mit deren Gründung zu viel Politik machen wollten. Für den wiederholt geäußerten Vorwurf, die FMA verlange zu viele Unterlagen, ist die FMA als Behörde, die Gesetze umzusetzen und deren Einhaltung zu überprüfen hat, der falsche Adressat. Für die Verabschiedung der Gesetze ist der Gesetzgeber, im Falle der Bankenregulierung, das EU-Parlament in Zusammenwirkung mit dem EU-Rat und der EU-Kommission im sogenannten Trilog sowie der österreichische Nationalrat, zuständig. Bei einer zu engen Verzahnung von politischen und unternehmerischen Ambitionen können, wie dieses Beispiel zeigt, am Ende beide Ziele scheitern.
Christian Felber, der maßgeblich hinter der Idee und dem Versuch der Umsetzung der „Bank für Gemeinwohl“ gestanden ist, hat unsere Anfragen um eine Stellungnahme zum Scheitern der „Bank für Gemeinwohl“ unbeantwortet gelassen und auf die genossenschaftsinterne Vereinbarung verwiesen, wonach die Kommunikation nach außen ausschließlich durch den Vorstandsvorsitzenden Fessler wahrgenommen wird. Auf die Addendum-Recherchen angesprochen, wonach die „Genossenschaft für Gemeinwohl“ ihre finanzielle und organisatorische Leistungsfähigkeit überschätzt habe sowie dilettantisch vorgegangen sei, verweist der Vorstandsvorsitzende Fessler darauf, dass der damalige Vorstand Mag. Peter Zimmerl ein „ausgewiesener Experte in Sachen Zahlungsdienstleistungen mit jahrzehntelanger Erfahrung in diesem Bereich“ sei, der bereits zwei anderen Unternehmen erfolgreich durch das Konzessionierungsverfahren geführt hat. Die von der Genossenschaft beauftragte Anwaltskanzlei Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH & Co KG sei „mit FMA Anträgen sehr erfahren“, so Fessler.
Zugutehalten muss man den Genossenschaftern jedenfalls, dass diese mit ihrem eigenen Vermögen für die Verluste gerade stehen. Dem Steuerzahler hat dieses, für die Genossenschafter nicht nur teure, sondern sicherlich auch lehrreiche Abenteuer hingegen keine Kosten verursacht. Würden sich das die Geschäftsbanken zum Vorbild nehmen, hätte die „Bank für Gemeinwohl“ dann doch eine – durchaus intendierte – Wirkung entfaltet.
Die Generalversammlung vom 8. September 2018 hat das Nominale eines Genossenschaftsanteils um eben diese 75 Prozent von 100 Euro auf 25 Euro herabgesetzt. Die angehäuften Bilanzverluste von insgesamt 3,1 Millionen Euro wurden durch diesen Kapitalschnitt aus der Bilanz genommen, das Kapitel „Bank für Gemeinwohl“ zumindest vorübergehend geschlossen. Per Jahresabschluss 2018 liegt das Vermögen je Genossenschaftsanteil mit 27 Euro nur leicht über dem herabgesetzten Nominale von 25 Euro.