Danke, Wasserkraft!“ – mit diesem Slogan verbreitete ein österreichischer Stromanbieter jahrelang seine Botschaft von der vermeintlich vollkommen sauberen und nachhaltigen Energiequelle Wasserkraft. Bei einem genaueren Blick auf diese Art der Stromproduktion zeigt sich jedoch insbesondere die Ökobilanz der Kleinwasserkraft als bei weitem nicht so grün wie vermutet. Zwar liefert sie nahezu emissionsfreien Strom. Der Preis dafür ist aber ein hohes Maß an Verbauung, gefolgt von Verlust an natürlichem Lebensraum. Unterm Strich sehen Umweltschützer, dass im Tausch gegen eine sehr kleine Menge Strom ein großer Schaden in puncto Artenvielfalt in Kauf genommen wird.
Größere Flüsse fließen auf einer Länge von 32.000 Kilometer durch Österreich. In ihrem Lauf werden sie durchschnittlich alle 1.000 Meter von insgesamt 33.000 Querbauwerken unterbrochen. Ein Großteil davon sind Hochwasserschutz- und andere Bauwerke, wie etwa Schleusen oder Bauten für das Geschiebemanagement. Und eben Wasserkraftwerke. All diese Bauten stellen gemeinsam einen der wesentlichen Gründe dar, warum nur etwas mehr als ein Drittel der Fließgewässer in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand ist.
Mauern/Stauwehre, die den Wasserstrom quer zur Fließrichtung versperren
Im aktuellen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan von 2015 ist das sogenannte Berichtsgewässernetz mit einer Gesamtlänge von 32.201 Kilometern aufgeführt. Es umfasst all jene Fließgewässer, deren Einzugsgebiet eine Fläche von zehn Quadratkilometern überschreitet. Das Einzugsgebiet ist dabei die Fläche, deren Niederschlagswasser in den jeweiligen Fluss abfließt.
Stellt man auch alle Gewässer mit einem Einzugsgebiet von weniger als zehn Quadratkilometer in Rechnung, ergibt sich eine Länge von rund 100.000 Kilometer österreichischer Fließgewässer.
Übrigens: 96,1 Prozent des österreichischen Staatsgebiets entwässern schlussendlich in die Donau; 2,8 Prozent in den Rhein und 1,1 Prozent in die Elbe, die aber nicht über österreichisches Territorium fließt.
Das Geschiebe besteht aus den vom Fluss mitgeführten Feststoffen (vor allem Sand und Kies). An manchen Stellen wird es gezielt entnommen und an anderen Stellen wieder zugegeben.
Allerdings: Wasserkraft ist nicht gleich Wasserkraft. Enorme Unterschiede gibt es vor allem bei der Größe und damit dem Leistungsvermögen der Anlagen. Tausende von ihnen sind so klein, dass sie in Summe kaum Strom erzeugen. Den Löwenanteil des Wasserkraft-Stroms liefern vielmehr wenige große Kraftwerke. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) und der Joanneum Research Graz.
Leistung ist verrichtete Arbeit bzw. umgesetzte Energie pro Zeiteinheit. Wird die selbe Arbeit in kürzerer Zeit verrichtet, dann ist die Leistung größer. (Man merkt das selber beim Fensterputzen.)
Eine Vergleichsgröße für Elektrizitätswerke ist die Engpassleistung; definiert durch die unter Normalbedingungen maximal erreichte Dauerleistung. Sie wird begrenzt durch den schwächsten Teil (Engpass) der Anlage.
Die restlichen 12 Prozent des eingespeisten Wasserkraft-Stroms liefern Kleinwasserkraftwerke. Darunter fallen per Definition all jene Anlagen, deren Leistungsvermögen zehn Megawatt nicht übersteigt. Zum Vergleich: Das Donau-Laufkraftwerk Wien-Freudenau verfügt über eine Leistung von 172 Megawatt, das thermische Kraftwerk Salzburg-Mitte über 84 Megawatt und das nie in Betrieb gegangene Kernkraftwerk Zwentendorf hätte 723 Megawatt leisten können.
Bewegen Sie auf der folgenden Karte Mauszeiger oder Finger (Smartphone) über die farblich markierten Bereiche, um mehr über die Ökologie rund um ein Wasserkraftwerk zu erfahren.
Bild: Thom van Dyke
Besonders eindrücklich ist der Blick auf die ganz kleinen Wasserkraftwerke mit einer Leistung von einem Megawatt oder weniger.
Hinzu kommen weitere rund 2.600 Kleinwasserkraftwerke, die nicht ins Stromnetz einspeisen, sondern ausschließlich direkt angeschlossene lokale Betriebe versorgen.
Gemeinsam ist allen Laufwasser-Kraftwerken, dass sie mit ihren Querbauwerken den Flusslauf unterbrechen. Auch wenn sie noch so klein sind, verhindern sie dadurch, dass Fische ungehindert flussaufwärts schwimmen können. Für die Mehrheit der Fische ändern daran auch sogenannte Fischaufstiegshilfen (Fischtreppen) nichts, wie eine Übersichtsstudie kanadischer Forscher ergeben hat. Die bei Wasserkraftwerken obligatorischen Stauwehre blockieren auch den Transport des sogenannten Geschiebes im Flussbett, also von Sand und Kies. Das Geschiebe spielt für das Leben im Fluss aber eine bedeutende Rolle, wie die folgende Kurzreportage zeigt.
Zudem sorgen die Wasserkraftwerke in der Regel für einen gewissen Wasserstau. Dessen Auswirkungen erklärt der Hydrologe Stefan Schmutz von der Universität für Bodenkultur (BOKU) so:
„Ein Wasserkraftwerk verändert das gesamte System eines Flusses. Es bildet einen Stau, der aber kein See ist und regelmäßig wieder geöffnet wird. Diese Hybridsituation gibt es in der Natur nicht; deshalb kann sie sich nicht anpassen, und es kommt zu einem Verlust der Artenvielfalt.“
Oberhalb der Staustufe wird aus einem Fließgewässer sozusagen ein unbeständig stehendes Gewässer mit höherem Wasserspiegel. Oftmals basiert ein Wasserkraftwerk auch darauf, dass ein Teil des Wassers aus dem ursprünglichen Bachbett ausgeleitet und über einen Kanal zu einem Krafthaus und seinen Generatoren geleitet wird. Unterhalb der Staumauer werden Wasser und Geschiebematerial dann weniger, was den Lebensraum etwa zum Ablegen von Fischlaich oder für Insekten erheblich einschränkt. Ein Problem, das sich in Trockenperioden wie im Sommerhalbjahr 2018 noch verschärfen kann.
Probleme können bestimmte Arten von Wasserkraftwerken auch durch Schwallbetrieb verursachen. Dabei wird Wasser abwechselnd angestaut und wieder abgelassen, um zur Stromproduktion über Turbinen geschickt zu werden. Unterhalb des Kraftwerks werden Uferbereiche dadurch abwechselnd geflutet und trockengelegt. Je nach Intensität und Häufigkeit solcher Schwall-Sunk-Erscheinungen überschreiten diese die auch von Natur aus auftretenden Abflussschwankungen eines Flusses deutlich. Auch regelmäßige Spülungen zur Weitergabe des an der Stauwehr sich sammelnden Geschiebes verursachen solche Schwallfluten. Wissenschaftler sehen zwar weniger als 900 Flusskilometer in Österreich dadurch beeinträchtigt. Aber: Schwallfluten können vor allem jungen Fischen und deren Futtertieren zum Verhängnis werden, wenn sie in Uferbereiche gespült werden, aus denen sie bei zurückweichendem Wasser nicht mehr wegkommen.
Auch der Sauerstoffgehalt des Wassers, seine Temperatur und bis zu einem gewissen Grad auch seine Selbstreinigungsfähigkeit können durch Wasserkraftwerke negativ beeinflusst werden. Schließlich kommt weniger frisches Wasser nach, mit dem sich ein naturbelassener Fluss selbst reinigen kann.
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 hundert Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Der Staat fördert deshalb über die Abwicklungsstelle für Ökostrom Neubau und Modernisierung von Kleinwasserkraftwerken. Im Jahr 2017 hat der Steuerzahler insgesamt rund 215 Millionen Euro ausgegeben. Im Jahr 2018 waren es rund 140 Millionen.
Der Präsident des Umweltdachverbandes Franz Maier bezeichnet die Kleinwasser-Förderung als „öffentlich subventionierte Gewässerzerstörung“. Angesichts des schlechten Zustands unserer Gewässer solle daher nicht einfach nur die Stromproduktion an sich gefördert werden. Steuergeld sollte an Ausgleichsmaßnahmen gekoppelt sein, um die Gewässerqualität zu verbessern. Schließlich gebe es schon jetzt genug Hindernisse in Österreichs Flüssen.
Seit dem Jahr 2000 schreibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie unter anderem ein „Verschlechterungsverbot“ vor. Europas Flüsse sollen wieder näher an einen natürlichen Zustand rücken. Jedenfalls in der Theorie müssen deshalb zumindest bei der Errichtung neuer Wasserkraftwerke sowie bei Umbauarbeiten und Revitalisierungen von Kleinwasserkraftwerken Umweltauflagen wie Fischtreppen oder die Begrenzung der dem Fluss abgezwackten Wassermengen eingehalten werden. Diesen Umstand führen Befürworter der Kleinwasserkraft als Argument für weitere neue Kraftwerke ins Feld. Sie sagen: Die mit einem neuen Kraftwerk einhergehenden Ausgleichsmaßnahmen verbessern den Gewässerzustand sogar, wenn sie auf ohnehin vorhandenen Querbauwerken wie etwa Hochwasserschutzdämmen errichtet werden, wo es derartige Umweltauflagen bislang nicht gibt.
Es gibt Tarifförderungen und Investitionsförderungen. Letztere werden pro Projekt vergeben und im Budget eingeplant. Detailliert verfügbar sind lediglich die geplanten Investitionskosten, da die genaue Abrechnung teilweise erst nach der Abwicklung der Investitionsmaßnahmen erfolgt. Seit 2010 liegt die Auszahlungsquoten durchschnittlich bei 95 Prozent, es wird also fast die gesamte Summe tatsächlich ausgezahlt.
In einigen Fällen, wie etwa im Streit um das Kraftwerk in Rosenburg am Kamp, setzen sich Umweltschützer sogar für den kompletten Abriss von aus ihrer Sicht unrentablen Kleinwasserkraftwerken ein. Die Begründung: Ein zusätzlicher naturbelassener Flussabschnitt sei in jedem Fall besser als ein Kraftwerk mit den strengsten Umweltauflagen, das ohnehin nur geringe Strommengen liefert.
Ob, und wenn ja wie, diese Auflagen umgesetzt werden, kann niemand so genau sagen. Zuständig sind die Bezirkshauptmannschaften. Was fehlt, ist ein umfassender Gesamtüberblick über den Zustand der Kleinwasserkraftanlagen.
Erst im Jahr 2015 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem „Weser-Urteil“ konkretisiert, wie das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen ist. 2018 hat der Umweltverband WWF 61 Bescheide zur Genehmigung von Wasserkraftwerken dahingehend überprüft. Das Ergebnis: In 46 Prozent der Verfahren wurde das Verschlechterungsverbot laut WWF nicht im Sinne des EuGH-Urteils eingehalten, in weiteren 25 Prozent gab es keine ausreichenden Informationen dazu. Lediglich bei einem Drittel der Genehmigungsverfahren für Kleinwasserkraftwerke wurden die Leitlinien der Wasserrahmenrichtlinie sinngemäß berücksichtigt.
Trotz der ökologischen Bedenken sollen in den kommenden Jahren mehrere hundert neue Kleinwasserkraftwerke gebaut werden. Auch wenn ihr Strom-Beitrag gering ist, könnte sich die dezentrale Verteilung der Anlagen über ganz Österreich noch als sehr nützlich erweisen: Bei einem europaweiten Stromausfall (laut vieler Experten durchaus kein Hirngespinst), könnten die Mini-Kraftwerke lokale Teilnetze errichten und so wenigstens das eine oder andere Seitental, Krankenhäuser und andere wichtige Infrastruktur stundenweise mit Strom versorgen. Außerdem liefern die Anlagen, einmal erbaut, oft über hundert Jahre lang relativ kontinuierlich Strom.