Wenige Tage vor dem Start des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur BVT-Affäre entwickeln nicht nur Parteien hektische Betriebsamkeit: Während auf der politischen Bühne die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Razzien im Verfassungsschutz dominiert, kämpft im Hintergrund einer der bekanntesten Anwälte des Landes gleichsam um seine Geschäftsgrundlage: um hunderttausende E-Mails mit sensiblen Daten, die aus seiner Großkanzlei stammen. Doch der Datensatz ist längst auf der größten Bühne gelandet, die es für Politshows gibt.
Laut Informationen von Salzburger Nachrichten und Addendum liegen dem BVT-Untersuchungsausschuss mehr als eine halbe Million Mails vor, die vom Server der Kanzlei Lansky stammen. Geliefert wurde dieser Datens(ch)atz von der Staatsanwaltschaft Linz, im Auftrag des Justizministeriums. Das bedeutet: Die Parlamentsklubs können zahlreiche Outlook-Daten Lanskys aus den Jahren bis 2013 im geheimen Datenraum abrufen, ausdrucken, ihre Schlüsse daraus ziehen und Lansky im U-Ausschuss-Lokal damit konfrontieren.
Gabriel Lansky, der seine Nähe zur SPÖ nicht verheimlicht, vertrat in den letzten Jahren nicht nur traditionell sozialdemokratisch orientierte Konzerne wie die ÖBB, sondern auch einen schwerreichen russischen Ex-Parteichef, einen ehemaligen ukrainischen Premier und einen Opferverein aus Kasachstan (Addendum berichtete). Die Verwicklung der Kanzlei in die Causa Alijew – der Ex-Botschafter und Ex-Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten, für den Lansky Lobbying orchestrierte, wurde 2015 tot in seiner Haftzelle aufgefunden – ist auch der Grund dafür, dass die Daten überhaupt in Umlauf gekommen sind. Lansky war unter anderem geheimdienstliche Aktivität zum Nachteil Österreichs vorgeworfen worden. Das BVT ermittelte, doch die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Trotzdem soll ein Teil der Daten im BVT noch auffindbar gewesen sein.
Als Gabriel Lansky im Sommer 2017 in einem anonymen Schreiben darauf hingewiesen wurde, dass ein Teil der im österreichischen BVT kursierenden Mails dem ÖVP-Klub weitergegeben worden sein soll, schaltete er sich in die Causa ein – letztlich kam es dann zu den Hausdurchsuchungen. Ironie der Geschichte: Jetzt können alle Parlamentsklubs in alle Lansky-Daten Einsicht nehmen.
Fehlgeschlagen sind jedenfalls die jüngsten Versuche des langjährigen Vertrauten von Ex-Kanzler Gusenbauer, die geschäftliche Entblößung vor den Volksvertretern zu verhindern. Mit Einschreiben vom 8. Juli hatte sich Kanzleichef Lansky an die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) gewandt. Betreff: „Dringliche Angelegenheit durch die Weitergabe von Daten durch die Staatsanwaltschaft Linz an den BVT-Untersuchungsausschuss“. Darin bat Lansky die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Doris Bures, entweder die Daten an das Justizministerium zu retournieren oder zumindest auf die Geheimhaltungsstufe „Streng geheim“ zu heben. Lansky vertritt nämlich die Ansicht, die Daten würden in keinerlei Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen. Er verweist auch auf die Wahrung seiner Grundrechte und seines Persönlichkeitsschutzes. Wörtlich schreibt er:
„Das OLG Linz hat in mehreren Entscheidungen (…) festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft Linz dafür Sorge zu tragen hat, dass unser Anwaltsgeheimnis nicht verletzt wird. Sollten diese Daten ungeachtet des fehlenden Zusammenhangs mit dem Untersuchungsgegenstand dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt worden sein, ersuche ich Sie, die Daten rückzuübermitteln. Sollte eine Rückübermittlung nicht möglich sein, ersuche ich Sie dafür Sorge zu tragen, dass die Daten als ‚streng geheim‘ klassifiziert werden.“
In der Folge berief die U-Ausschuss-Vorsitzende Bures Mitte Juli eilig eine Sitzung der Fraktionsführer ein. Doch es blieb beim Versuch, die Verwendung der Kanzleiunterlagen einschränken zu lassen. Alle anderen Fraktionen sprachen sich dagegen aus. Auch für die SPÖ war das Thema damit vom Tisch.
Einen Vorgeschmack auf das, was in den Daten schlummern könnte, lieferte im Jahr 2015 der Spiegel. Das Nachrichtenmagazin zitierte aus Mails der Kanzlei Lansky, denen zufolge ehemalige deutsche Spitzenpolitiker wie Gerhard Schröder oder Otto Schily für sechsstellige Beträge einen Beratungsbeitrag für Kasachstan leisten sollten, und gelangte zu folgender Einschätzung:
„Nur selten war der Blick in den Maschinenraum des Lobbyismus so unverstellt wie hier. Altgediente Politiker eines demokratischen Staates ließen sich dazu benutzen, einem Herrscher das Image zu polieren, in dessen Land die Werte des Grundgesetzes mit Füßen getreten werden. Sie hofierten ihn nicht etwa deshalb, weil die Staatsräson Politiker manchmal dazu zwingt. Sie taten es für Geld. Und andere Politiker und Exbeamte rochen sogar noch ein Geschäft, als der Diktator seinem untreuen Verwandten hinterherjagte. Es ist eine dieser Geschichten, von denen die Öffentlichkeit niemals erfahren sollte. Weil dann deutlich wird, nach welchen Honoraren diese Ehemaligenkaste giert. Und wie billig sie damit aussieht.“
Gabriel Lansky will die Causa auf Anfrage nicht kommentieren. Er selbst wird dem Hohen Haus im Oktober als Auskunftsperson Rede und Antwort stehen müssen. Zumindest über seine Berührungspunkte mit dem BVT und dem Innenministerium. Vielleicht auch über mehr. Sofern ihn Verschwiegenheitspflichten nicht daran hindern.