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Herr Botschafter, sind Sie islamophob?
11. Dezember 2019 News Lesezeit 5 min
Gerhard Weinberger war von 2012 bis 2017 österreichischer Botschafter in Tunesien. Im aktuellen Islamophobie-Bericht wird er als „zentrale Figur des islamophoben Netzwerks“ dargestellt.
Bild: privat

Herr Weinberger, der Salzburger Politologe Farid Hafez bezeichnet Sie in seinem Bericht als islamophob. Sind Sie islamophob?

Gerhard Weinberger: Das ist absurd. Offenbar reicht ein Artikel über mein Buch „Mit dem Koran ist kein Staat zu machen. Die Krise des Islam hautnah erlebt.“ in der Kronen Zeitung, um mich als zentrale Figur eines islamophoben Netzwerks zu diffamieren. Das ist hanebüchen. Es ist eine infame Unterstellung, die jeglicher Grundlage entbehrt. Als ich von Bekannten darauf aufmerksam gemacht wurde, dachte ich zuerst, dass das nur ein schlechter Witz sein könne. Ich hatte von diesem Bericht noch nie vorher gehört. Ich bezweifle, dass Herr Hafez auch nur eine einzige Seite meines Buchs gelesen hat. Ich bin weder islamophob noch antimuslimisch. Richtig ist, dass ich kritisch gegenüber jeglicher Form des Fundamentalismus eingestellt bin.

Können Sie nachvollziehen, dass man Ihnen bei einem so provokativen Titel eine gewisse Islamfeindlichkeit nachsagt?

Wenn ich das Buch „Gerhard Weinberger, meine Jahre in Tunesien” nenne, ist das vielleicht nicht sehr attraktiv. Also habe ich diesen etwas streitbareren Titel gewählt. Wie das ausreichen kann, um mir Islamfeindlichkeit zu unterstellen, weiß ich allerdings nicht. Zu diesem Fazit können nur Personen kommen, die vielleicht nicht so gut Deutsch können oder aber nicht gerne nachdenken. Erstens steckt hinter dem Titel ein bekanntes Wortspiel. Zweitens wird im Untertitel deutlich, dass hier jemand über etwas schreibt, was er selbst erlebt hat. Hätte man sich die Mühe gemacht und in das Buch hineingelesen, hätte man sehr schnell gemerkt, dass da keine Pauschalurteile über den Koran gefällt werden. In Tunesien wurde das Buch sehr wohlwollend aufgenommen. Ich habe auch das Gefühl, dass die Diskussion über den Islam in Tunesien deutlich intellektueller und weniger emotional geführt wird als bei uns. Den Begriff „Islamophobie“ gibt es dort auch nicht. In Österreich fühlen sich manche Muslime zu schnell als Opfer.

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In einem offenen Brief haben Sie sich mit zwölf anderen Persönlichkeiten, die wie Sie in dem Bericht als islamophob dargestellt werden, heute an die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt. Darin fordern Sie ein Ende der finanziellen Förderung. Warum?

Dieser Bericht ist vollkommen unwissenschaftlich. Es gibt keine einheitlichen transparenten Kriterien, keine Methodik, es wird alles durcheinandergeworfen. Seriöse Islamkritiker werden diffamiert und mit Rassisten in einen Topf geworfen. Der Herausgeber macht sich nicht einmal die Mühe zu definieren, was er unter „Islamophobie“ versteht. Wie soll auf dieser Grundlage ein zivilgesellschaftlicher Diskurs gefördert werden? Dabei wäre genau das die Voraussetzung für die Förderung durch die EU. Der zweite Grund ist das türkische Partner-Institut SETA, das unser Steuergeld erhält. Hier gibt es zahlreiche Hinweise, die vermuten lassen, dass dieses Institut der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Erdoğan ist. Wenn das der Fall ist, dann steckt auch hinter dem Bericht eine klare politische Agenda. Diesen Verdacht muss die EU-Kommission ernst nehmen.

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Sie sprechen von Diffamierung. Planen Sie, gegen den Herausgeber des Islamophobie-Berichts Farid Hafez rechtlich vorzugehen?

Ich habe dafür weder das Geld noch die Zeit. Wenn es eine Sammelklage gibt, würde ich mich allenfalls anschließen. Zudem ist der Bericht zu unbedeutend. Viel wichtiger ist, dass die EU diese Denunziationsberichte nicht mehr finanziell fördert. Das versuchen wir nun mit einem offenen Brief an die neue EU-Kommissionspräsidentin zu erreichen. In einem weiteren Schritt sollte sich die Universität Salzburg, an der Farid Hafez an der Abteilung Politikwissenschaft lehrt und forscht, öffentlich von diesem unwissenschaftlichen Denunziationsbericht distanzieren und die Zusammenarbeit mit ihm beenden. Er schadet dem Ruf der Hochschule.

Wo ziehen Sie die Grenze zwischen berechtigter Islamkritik und Islamophobie?

Der Begriff „Islamophobie“ ist ein völlig inhaltsleerer Kampfbegriff. Hier wird jeder, der sich kritisch mit islamischen Einflüssen beschäftigt pauschal für krank erklärt. Jede Form der Islamkritik wird so unter Generalverdacht gestellt. Es wird so getan, als ob es sich dabei um irrationale Ängste handelt, die keine faktische Grundlage haben. Eine Phobie ist niemals eine moralische oder politische Kategorie. Jede fundierte und gut argumentierte Kritik an politischen und religiösen Strukturen ist berechtigt. Während meiner Zeit als Botschafter in Tunesien habe ich mich besonders intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Islam aus seiner, für viele Muslime ganz offensichtlichen, Krise herauskommt. Der Koran spielt dabei die entscheidende Rolle. Muslime müssen eine kritischere Haltung zum Koran entwickeln. Die Inhalte müssen an die Moderne angepasst werden. In seiner historischen Form ist er als Handlungsanleitung für politische Auseinandersetzungen vollkommen ungeeignet.

Was macht Sie denn so sicher, dass mit dem Koran kein Staat zu machen ist?

Natürlich sind Staaten wie der Iran mit dem Koran möglich. Das ist keine Frage. Mit Staat meine ich einen modernen demokratischen Rechtsstaat. Ich habe als Botschafter in Tunesien fast fünf Jahre hautnah miterlebt, was Islamisten, die sich auf den Koran berufen, dort anrichten. Als sie an die Macht gekommen sind, haben sie ganz schnell angefangen das Land zu islamisieren. Sie haben alles gemacht, was eine wortwörtliche Auslegung des Korans ihrer Meinung nach erforderte. Es gab keine Ausstellungen moderner Kunst mehr, an den Universitäten waren immer mehr vollverschleierte Frauen. Das war seit der Verfassung aus den 1950er Jahren völlig ausgeschlossen. In den folgenden Jahren kam es vermehrt zu politischen Morden und Terroranschlägen auf Oppositionelle. Diese Erfahrungen haben mich geprägt. Mit Islamisten ist kein moderner Rechtsstaat zu machen, weil sie in ihrem engen Religion- und Koranverständnis gefangen sind und darüber nicht wirklich hinausdenken können oder wollen. Darüber habe ich berichtet. Zu Wort kommen in meinem Buch zahlreiche tunesische Intellektuelle. Es geht also in erster Linie gar nicht um meine Meinung, sondern um die Sicht der im Land lebenden Persönlichkeiten. Es ist ein positives Buch, das versucht einen kleinen Beitrag zu leisten, wie es der islamischen Welt gelingen kann, ihre kriegerischen Konflikte zu überwinden und die Grundlage für einen modernen demokratischen Staat zu legen. 

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